Prüfungen und Überlegungen im Zuge einer Eigenverwaltung (Checkliste)

Autoren: Thomas Uppenbrink & Sebastian Frank

Einführung
Im Zuge einer Eigenverwaltung ist nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit einer Umsetzung zu prüfen, sondern diverse Überlegungen zur Sinnhaftigkeit und möglichen Alternativen anzustellen. So kann neben einer Planlösung auch eine übertragene Sanierung vorteilhaft sein.

Wir haben in diesem sehr stichpunktartigen Newsletter versucht, die gedanklichen Abläufe einer Sanierungsberatung im Zuge einer Eigenverwaltung in Kürze darzustellen.

Prüfung der Geeignetheit einer Eigenverwaltung
1. Prüfung der Planlösung auf bestmögliche Gläubigerbefriedigung
Die Fortführung des Unternehmens in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung mit Insolvenzplanlösung muss grundsätzlich die wirtschaftlich beste Lösung für die Gläubiger darstellen bzw. darf nicht offensichtlich erfolglos sein.

Erfolgsfaktoren der Antragsstellung
2. Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen
Ein Antragsgrund gemäß §§ 17 bis 19 InsO muss vorliegen und plausibel begründet werden können.

Es darf keine Insolvenzverschleppung vorliegen (Zahlungsunfähigkeit länger als 3 Wochen gegeben, Überschuldung länger als 6 Wochen nach Bilanzvorlage erkennbar).

Die Voraussetzung der §§ 270 ff. InsO sind zur erfolgreichen Beantragung der Eigenverwaltung zu beachten.

3. Prüfung des Antragsgrunds und der Fristen
Je eher der Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung gestellt wird, desto wahrscheinlicher ist der Beschluss des Gerichtes zur Genehmigung der Eigenverwaltung.

Strafrechtliche Verfehlungen der Geschäftsleitung sowie Insolvenzverschleppungstatbestände dürfen nicht vorliegen.

4. Prüfung vorhandener wirtschaftlicher Daten
Die laufende aktuelle Buchführung, handelsrechtliche und steuerrechtliche Jahresabschlüsse sowie betriebswirtschaftliche Auswertungen müssen vollständig und zeitnah entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (nach HGB) vorliegen.

5. Prüfung eventueller Anfechtungsgründe
Vor Stellung des Insolvenzantrages dürfen keine Handlungen vorgenommen worden sein, die bei Verfahrenseröffnung einen Anfechtungsgrund darstellen.

Sämtliche Zahlungen bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung müssen im Vorfeld den gesetzlichen Vorgaben angepasst werden. Kriminelle Handlungen der Inhaber/ Geschäftsführer sind generell ein Ausschlusskriterium der Eigenverwaltung.

6. Prüfung der unternehmensinternen Ressourcen zur Betriebsfortführung
Die Fortführung ist nur möglich, wenn Maschinen, Material und Mitarbeiter weiter vollumfänglich zur Verfügung stehen.

7. Prüfung der Sanierungsfähigkeit und vorhandener Marktchancen
Das Unternehmen muss nach Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen eine realistische Chance haben, am Markt erfolgreich bestehen zu können. Dies hängt von Faktoren ab, wie das Unternehmen in der Zukunft finanziert wird, die Kunden dem Unternehmen weiterhin zur Verfügung stehen, Gläubiger trotz Forderungsausfall als Lieferanten weiter aktiv bleiben, Mitarbeiter trotz möglicher Einschnitte weiter Leistungsbereitschaft zeigen und sich die Geschäftsführung an geänderte Rahmenbedingungen anpassen kann.

Erfolgsfaktoren der Sanierung/ Fortführung in Eigenverwaltung
8. Prüfung der Gläubigerstruktur und deren Interessenten
Die wesentlichen und für die Unternehmensfortführung nötigen Gläubiger müssen bereit sein, das Unternehmen und dessen Fortführung in der Eigenverwaltung zu unterstützen.

9. Prüfung der Persönlichkeit des Schuldners und dessen Bereitschaft der Umstrukturierung
Der Schuldner muss körperlich und mental in der Lage sein, das eigenverwaltete Verfahren voranzutreiben und die Aufgaben der Verwaltung gemeinsam mit Unterstützung des Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung bzw. der Sanierungsberater zu übernehmen. Der Belastung und dem zusätzlichen Arbeitspensum muss er gewachsen sein!

Er muss sich die bedrohliche Lage eingestehen und bereit sein, gegen diese vorzugehen.

Er muss in der Lage sein, gemeinsam mit dem Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung die Gespräche mit den Gläubigern zu suchen, für Vertrauen zu werben und die Interessen des Unternehmens im Rahmen des Verfahrens entsprechend zu vertreten.

Er muss bereit sein, auch entgegen seiner persönlichen Interessen, das Unternehmen möglicherweise umzustellen und neu auszurichten.

10. Prüfung auf Notwendigkeit einer Sanierungsberatung/ Sonderbevollmächtigung der Geschäftsleitung
Der Gesetzgeber verlangt gerade bei der Eigenverwaltung Kompetenz im Umgang mit Insolvenzverfahren und entsprechende juristische Kenntnisse in den Bereichen Insolvenzrecht, Wirtschaftsrecht und Arbeitsrecht. Diese Kompetenz kann der Eigenverwalter durch Dritte erledigen lassen. Sanierungsberatung bzw. der Einsatz von Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung ist in den meisten Fällen nötig. Sanierungsberater und alle Bevollmächtigten müssen auch einen Nachweis ihrer Kompetenz dem Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beifügen bzw. Referenzen nach Aufforderung des Gerichts vorlegen.

11. Prüfung der Kosten einer Sanierungsberatung und der Planerstellung
Die Kosten für die Sanierungsberatung sowie für die Planerstellung an sich müssen gedeckt werden können und dürfen die Masse nicht zum Nachteil der Gläubiger erheblich schmälern. Die Kosten der Eigenverwaltung werden anhand einer Vergleichsrechnung in Gegenüberstellung mit den Kosten eines Regelverfahrens gestellt und dürfen nicht höher sein.

Die Kosten richten sich nach dem Aufwand und somit nach Schwierigkeit der Informationsbeschaffung, der allgemeinen Datenlage, der Einstellung der beteiligten Finanzinstitute, der Gläubigerstruktur und der generellen Problematik des Verfahrens.

Die Eigenverwaltung ist durch die nötigen Sanierungsmaßnahmen für kleinere Unternehmen prozentual mit sehr hohen Beratungs- und Plankosten verbunden. Im Vorfeld müssen Kosten/ Nutzen und die Gegenüberstellung eines Regelverfahrens mit möglicher übertragener Sanierung geprüft werden.

12. Prüfung auf Notwendigkeit der Unternehmensfortführung
Bestehen Patente, Lizenzen oder Wort-/ Bildmarken bzw. Genehmigungen (Listungen), sodass nur das bestehende Unternehmen daraus Produkte/ Dienstleistungen liefern, leisten und erfüllen kann, ist die Fortführung in Eigenverwaltung zwingend notwendig!

13. Prüfung der gerichtlichen Zuständigkeit
Der Beschluss für eine Eigenverwaltung ist oft abhängig vom zuständigen Richter. Hiermit ist (im Vorfeld) zu beachten, welcher Richter für das Unternehmen zuständig ist und wie er zur Eigenverwaltung eingestellt ist. In der Regel ist ein Vorgespräch bei Gericht mit dem zuständigen Richter sinnvoll und hilfreich. Im Übrigen müssen die Antragsunterlagen vollständig und die Anlagen entsprechend aussagefähig sein.

14. Prüfung der Folgen für das schuldnerische Unternehmen
Handelt es sich um zulassungsbeschränkte Berufe, wie Apotheker und Steuerberater, ist zu beachten, dass diese im Falle eines Insolvenzverfahrens möglicherweise ihre Zulassung verlieren. Gegebenenfalls sind Sondergenehmigungen für eine Insolvenz in Eigenverwaltung von den entsprechenden Kammern einzuholen.

15. Prüfung der Bereitschaft der Banken und Lieferanten
Im Rahmen einer Eigenverwaltung gibt es Sondervereinbarungen mit Banken z.B. in Form von unechten Massedarlehen und bei Lieferanten Sonderabsprachen hinsichtlich gesonderter und erweiterter Sicherungsvereinbarungen.

Erfolgsfaktoren einer übertragenden Sanierung
16. Prüfung der übertragenden Sanierung auf bestmögliche Gläubigerbefriedigung
Bei der übertragenden Sanierung muss es sich um die wirtschaftlich beste Lösung für die Gläubiger handeln. Die Erlössumme muss eine entsprechend hohe Quote darstellen.

Handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen, muss geprüft werden, ob eine optimierte Fortführung nicht eine höhere Quote erzielen kann.

17. Prüfung der Notwendigkeit einer Auffanggesellschaft
Ist noch kein Käufer gefunden, der das schuldnerische Unternehmen übernimmt, muss zunächst eine Auffanggesellschaft gegründet werden.

18. Prüfung der Erfolgsfaktoren des Unternehmens
Sind fachliche Kenntnisse, Erfahrungen oder Kontakte zwischen Stakeholdern und dem Inhaber des Unternehmens essenziell zur erfolgreichen Fortführung des Unternehmens, ist der Schuldner als neuer Erwerber in Betracht zu ziehen.

19. Prüfung der Persönlichkeit des Schuldners und dessen Bereitschaft der Veräußerung
Handelt es sich bei dem Inhaber um einen wichtigen Erfolgsfaktor zur Fortführung des Unternehmens, muss geprüft werden, ob dieser bereit ist, weiterhin als Angestellter im Unternehmen tätig zu sein.

20. Prüfung der abhängigen Personen vom Unternehmen
Sind in einem mittelständischen Unternehmen mehrere Familienmitglieder involviert, ist abzuwägen, ob eine Veräußerung innerhalb der Familie sinnvoll ist.

21. Prüfung der bestehenden Angebote
Alle bestehenden Angebote zur Übernahme sind auf harte und weiche Faktoren zu prüfen und zu vergleichen (Angebotspreis, soziale Aspekte wie Arbeitsplatzerhalt).

22. Prüfung unternehmensabhängiger Aspekte
Bestehen Lizenzen, Genehmigungen, Zertifizierungen und Listungen, die an den bestimmten Rechtsträger gekoppelt sind, ist abzuwägen, inwiefern diese durch das neue Unternehmen zu erwerben sind (zeit- und kostenbezogen).

Werden durch den Verlust der Genehmigungen Lieferketten zu Kunden unterbrochen, muss geprüft werden, ob eine neue Geschäftsbeziehung nach Erwerb der Genehmigungen entwickelt werden kann.

Muss durch den Wegfall von Lizenzen die Produktion unterbrochen/ eingestellt werden, sollte von einer Übertragung abgesehen werden, da die Einnahmequelle entfällt.

23. Prüfung der Auswirkung der Übertragung auf den Geschäftsbetrieb
Besteht, wie bei einem Steuerberater beispielsweise ein Mandatsverhältnis, muss geprüft werden, ob die Mandanten bereit sind, mit dem neuen Dienstleister zusammen zu arbeiten.

24. Prüfung der gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen Auswirkung einer Übertragung
Handelt es sich beispielsweise um ein Unternehmen aus der Rüstungsindustrie, muss der Käufer genau geprüft werden. Gegebenenfalls sind Auflagen zu erfüllen, sodass es sich beispielsweise nicht um einen ausländischen Investor handeln darf.

25. Prüfung sozialer Aspekte
Um Probleme mit dem Betriebsrat und der Übernahme bestehender Arbeitsverhältnisse zu vermeiden, sollte eine genaue Planung mit dem Erwerber abgestimmt werden (Sozialplan).

Die Notwendigkeit einer Qualifizierungsgesellschaft muss geprüft werden. Besonders bei Unternehmen mit vielen Mitarbeitern, ist diese zu planen und von entsprechenden Fachleuten zu gründen.

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