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Unbekanntes Problem bei Vorsteuererstattung nach Restart aus Insolvenz

Ein weitgehend unbekanntes Problem tritt jetzt verstärkt bei den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern auf, die Unternehmen bzw. Unternehmer /Unternehmerinnen steuerlich und betriebswirtschaftlich nach einem Restart aus der Insolvenz betreuen. Es ist schwierig, bei einem Unternehmer oder einer Unternehmerin eine neue Steuernummer zu erfragen, da das „sich selbständig machen“ aus einer persönlich haftenden Insolvenz immer noch bei vielen Finanzämtern unbekannt ist.

So kommt es hier häufig vor, dass die Finanzämter bei der Vergabe einer neuen Steuernummer im Rahmen eines Restarts (Unternehmer ist persönlich haftend in die Insolvenz gegangen und kann sich aus der Insolvenz heraus im Rahmen der Insolvenzordnung unter Beachtung der Pfändungsfreigrenze – meist gekoppelt an das Restschuldbefreiungsverfahren – wieder selbständig machen) mit Unverständnis bzw. zögerlicher Bearbeitung reagieren. Aber gerade Unternehmer kleinerer Betriebe möchten diese Chance immer häufiger nutzen.

Sachbearbeiter der Finanzämter können damit Schwierigkeiten haben. Unter der bisherigen Steuernummer des Unternehmers findet sich i.d.R. noch eine offene Steuerforderung, nicht selten in beträchtlicher Höhe. Während des Insolvenzverfahrens wurde vom Insolvenzverwalter die Insolvenzsteuernummer genutzt. Zu guter letzt will sich nun der Unternehmer, dem die bisherigen Steuernummern zugeordnet waren, „trotz Insolvenz“ neu selbständig machen und fragt nach einer neuen Steuernummer!

Im Rahmen dieser neuen Selbständigkeit gibt es ein fast unbekanntes Problem: Vorsteuererstattungen können unter bestimmten Bedingungen mit den Altverbindlichkeiten des Finanzamts, die eigentlich in der Insolvenz geblieben wären, verrechnet werden.


Keine Auszahlung von Vorsteuerguthaben nach Restart eines Gewerbebetriebs aus der Insolvenz

Wurden im Rahmen eines Restarts Investitionen getätigt, so kommt es in der Regel zu einem Vorsteuerguthaben des Steuerpflichtigen. Bei der monatlichen Umsatzsteuererklärung wird dann das Vorsteuerguthaben entsprechend geltend gemacht und die Steuerberater / Wirtschaftsprüfer bzw. Unternehmer gehen davon aus, dass das Vorsteuerguthaben ausgekehrt wird. Gibt es aber aus dem alten Verfahren noch Ansprüche des Finanzamtes gegen den insolventen Gewerbebetrieb, kommt es in der Regel nicht zur Auszahlung, sondern zur Verrechnung des Vorsteuerguthabens gegen Forderungen des Finanzamtes.


Meist unbekanntes Problem bei Unternehmensrestart nach Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter

Dieses Problem tritt immer dann auf, wenn der Insolvenzverwalter bei kleinen Gewerbebetrieben bzw. Handwerksbetrieben die meist geringfügig wertige Masse durch eine „Freigabeerklärung“ aus der Insolvenz hinaus in das neue „Restart-Gewerbe“ unbelastet fort gibt.

Das heißt, der Insolvenzverwalter gibt das neue Gewerbe aus der Insolvenzmasse frei. In diesem Fall sind die Einnahmen bzw. Umsätze der Schuldnerin aus dem Neuerwerb und die daraus resultierenden Steuerverbindlichkeiten nicht mehr der Masse, sondern dem insolvenzfreien Vermögen der Schuldnerin zuzurechnen!

Vorsteuerguthaben wird vom Finanzamt auf alte Verbindlichkeit aus Insolvenz aufgerechnet

Somit kann das Finanzamt das neue Vorsteuerguthaben des Unternehmens auf die alten Verbindlichkeiten aus der Insolvenz aufrechnen. Viele Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind verblüfft, dass diese „Methode“ rechtlich richtig und handhabbar ist. Tatsächlich ist das Verhalten der Finanzämter gesetzeskonform, da natürlich jemand mit seinem neuen Vermögen (Guthaben beim Finanzamt) auch eine Situation schafft, die die Aufrechnung von Altverbindlichkeiten aus dem alten Gewerbe durchsetzbar macht.


Nach § 387 ff. BGB können Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen aufgerechnet werden

Das Finanzamt kann nach Eintritt der Aufrechnungslage gem. § 387 ff. BGB Erstattungsansprüche, die aus einer insolvenzfreien Tätigkeit und damit außerhalb des Insolvenzverfahrens entstehen, uneingeschränkt mit Insolvenzforderungen aufrechnen.

Aufgrund der Freigabe des Insolvenzverwalters im Rahmen des Neuerwerbs besteht dann auch kein gesetzliches Aufrechnungsverbot nach der Insolvenzordnung (§ 96 Abs. 1 InsO).


Welche Gegenmaßnahmen / Strategien sind möglich?

Die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind hier gefragt, die Unternehmen betriebswirtschaftlich so zu beraten, dass wenn Vorsteuererstattungsansprüche existieren, diese nicht zur freien Liquidität des Unternehmens hinzugerechnet werden, da so eine Verrechnung regelmäßig durch das Finanzamt mit Altverbindlichkeiten möglich wäre. Es ist sicherlich schwierig zu beurteilen, ob denn die Forderungen des Fiskus (die ja auch tatsächlich im Rahmen der Insolvenz bestehen) gegenüber anderen Gläubigern bevorrechtigt werden müssen, oder ob nicht hier zu Gunsten des Unternehmers / der Unternehmerin, der oder die trotz Insolvenz einen Restart wagt, entsprechend gestaltend beraten werden sollte.

Sicherlich ist hier der Gesetzgeber gefragt, diese Sondersituation zu Gunsten des Finanzamtes gänzlich zu bestätigen oder aber eine Änderung im Gesetz herbeizuführen. Kaum jemand versteht, dass der Fiskus gesetzeskonform auf diese Weise im Ergebnis besser gestellt wird, als andere Gläubiger. Trotzdem entspricht es der aktuellen Rechtslage.


[ 01.10.2015 ]



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