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Aktuelles 2023

Die kleine AG – Restrukturierung durch Rechtsformwechsel

Autoren: Thomas Uppenbrink & Sebastian Frank

Ausgangssituation
Wählen Startups bereits regelmäßig die Gesellschaftsform der kleinen AG, ist diese Gesellschaftsform bei bereits bestehenden kleinen und mittelständischen Unternehmen immer noch nicht sonderlich ausgeprägt.

Unternehmen, die aufgrund von übermäßigem Wachstum oder einer zu schnellen Entwicklung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, sind widererwartend oft eben auch Sanierungsfälle. Wenn dann noch die Basis der Gesellschafter vergrößert werden muss, weil von Bankenseite die Erweiterung der Kreditierung nur entsprochen wird, wenn auch Gesellschaftseinlagen erhöht werden, kommen die üblichen Rechtsformen GmbH bzw. GmbH & Co. KG letztlich schnell an ihre Grenze. Zwar lassen sich hier selbstverständlich auch Gesellschafterzugänge und Kapitalerhöhungen umsetzen, jedoch mit einem relativ großen Aufwand und entsprechenden Anstrengungen im Rahmen von Gesellschafterversammlungen und Notarterminen.

Restrukturierung
Gerade in Sanierungs- und Restrukturierungsmandaten können durch die Änderung der Rechtsform von GmbH in kleine AG häufig sehr erfolgreich die unterschiedlichen Forderungen der verschiedenen Parteien umgesetzt werden, um das Unternehmen erfolgreich zu restrukturieren und wieder dem Markt zugänglich zu machen.

Es folgt eine Zusammenstellung der wesentlichen Punkte, wie die Wandlung einer GmbH in eine kleine AG idealerweise umgesetzt werden kann.

Nachfolgeregelung
So bietet die kleine AG gerade in der Frage der Nachfolgeregelung und in der damit verbundenen Schwierigkeit, althergebrachte Firmenrechtsformen zu veräußern oder darin Beteiligungen durchzusetzen, eine echte Alternative. Neben diesen grundsätzlichen Fragen ist auch der Weg der Kapitalbeschaffung zur Expansion für Unternehmen ein wesentlicher Punkt, da viele Unternehmen bankenunabhängiger werden wollen.

Der Gesetzgeber bietet mit der Gründung einer kleinen AG oder mit der Umfirmierung einer bisher bestehenden GmbH in eine kleine AG eine attraktive Rechtsform an, die zum Beispiel auch eine Mitarbeiterbeteiligung deutlich erleichtern kann. Gerade der Mittelstand könnte mit der Beachtung dieser Firmenform neben dem Imagegewinn auch viele Vorteile der unternehmerischen Gestaltung erfahren.

Expansion – Kapitalaufnahme
Die kleine AG ist eine Rechtsform, die mit entsprechender Anpassung und Beratung Möglichkeiten bietet, unter anderem deutlich einfacher frisches Eigenkapital zu beschaffen.

So kann sich eine kleine AG über den nichtorganisierten Kapitalmarkt individuell Eigenkapital einholen und/ oder es entsprechend erhöhen. Die Aktionäre können bei dieser Firmenform dann auch institutionelle Investoren sein, die möglicherweise eine höhere Sachkompetenz haben und im Rahmen ihrer Möglichkeit in Zusammenarbeit mit dem Vorstand (Geschäftsleitung der kleinen AG) Strategien und Entwicklungen mitbestimmen.

Die Gründung einer kleinen AG bzw. die Umfirmierung einer GmbH in eine kleine AG ist in der Vorbereitung ähnlich wie die Gründung einer klassischen GmbH. Die maßgeblichen Vorschriften hierzu sind in den §§ 238 ff. UmwG (Umwandlungsgesetz) zusammengefasst. So haftet die AG bei Verbindlichkeiten nur mit dem Aktionärsvermögen (Gesellschaftsvermögen); also auch hier beschränkt sich die Haftung vergleichbar mit der GmbH auf das Grundkapital. Gerade für bestehende Familien-GmbHs ermöglicht die strikte Trennung von Anteilseignern (Aktionären) und Geschäftsleitung (Vorstand) und den Kontrollorganen (Aufsichtsrat) eine höchst professionelle Unternehmensführung.

Gründungsbedingungen
Natürliche Personen würden eine sogenannte Gründungsversammlung abhalten und darin die vorab entwickelte Satzung beschließen. Bei bereits bestehenden GmbHs würde es zu einer Umwandlung kommen und die GmbH-Gesellschafter verbleiben in der dann neu zu gründenden AG oder es kommen weitere Gesellschafter direkt hinzu. Dies wird in einer vorab entwickelten AG-Satzung von den Gründern festgelegt. In der Satzung sind – wie auch bei einem GmbH-Gesellschaftervertrag – die Gründer, der Betrag des Grundkapitals, der Sitz der Gesellschaft, Gegenstand des Unternehmens, Nennbeträge der Aktien und Art der Rechnungslegung festzulegen. Bei einer Wandlung von GmbH in AG ist die Gesellschaft (und auch das entsprechende Anlagevermögen nach Fortführungswerten) zu bewerten, da sich dann der Firmenwert auf den Ausgabewert der Aktien auswirkt. Die Satzung muss von einem Notar in der üblichen Form notariell beurkundet werden.

Neugründung nur mit Grundkapital in Höhe von EUR 50.000,00 möglich
Bei einer Neugründung hat das Grundkapital (Bargründung) von mindestens EUR 50.000 auf einem Konto der dann zu gründenden kleinen AG (Gesellschaft) zur Verfügung zu stehen. Bei der Wandlung von einer GmbH zur kleinen AG sind andere Voraussetzungen zu erfüllen, so zum Bespiel der Nachweis des bisherigen Stammkapitals, eine mögliche Stammkapitalerhöhung und/ oder Eigenkapital bzw. Wandlung von Kapitalrücklagen in Eigenkapital und sonstige betriebliche Besitztümer, die vorab zu prüfen und gegebenenfalls einzubringen sind.

Aufsichtsrat (mindestens 3 Mitglieder) muss bestimmt werden
Im vorletzten Schritt muss der Aufsichtsrat (bestehend aus mindestens drei Mitgliedern), der üblicherweise von den Gründern bestimmt wird, den Vorstand bestellen. Auch hierüber hat eine notarielle Beurkundung zu erfolgen. Wichtig zu wissen ist, dass ein Vorstand gleichzeitig auch Aktionär sein kann, nicht jedoch Vorstand und Aufsichtsratsmitglied zugleich. Auch können die Aufsichtsratsmitglieder selbstverständlich aus dem Kreis der Aktionäre gewählt werden.

Erstellung eines Gründungsberichts
Die Gründer (oder ehemalige GmbH-Gesellschafter) erstellen einen Gründungsbericht, den jeder Gründer noch persönlich unterschreiben muss. Alle nötigen Schritte sind unbedingt mit Juristen, die sich auf Gesellschaftsrecht spezialisiert haben, abzustimmen und/ oder gegebenenfalls zu erarbeiten. Am Ende müssen alle gesellschaftsrechtlichen Änderungen bei einem Notar beurkundet werden.

Der Notar reicht den Umwandlungs- bzw. Gründungsbeschluss, Protokolle der Aufsichtsratssitzung und Hauptversammlung, den Gründungsbericht sowie den Prüfbericht von Vorstand und Aufsichtsrat beim Registergericht ein und beantragt die Eintragung in das Handelsregister. Mit Eintragung ist die neue oder umfirmierte kleine AG dann offiziell gegründet.

Wandlung einer (mittelgroßen) GmbH in eine kleine AG
Die Möglichkeiten der Wandlung von einer (mittelgroßen) GmbH in eine kleine AG sind unproblematisch, wenn vor der Umfirmierung eine sehr sorgfältige Prüfung aller Werte der GmbH (Ertragswert/ Substanzwert), die sich später im Ausgabewert der einzelnen Aktien wiederfinden werden, durchgeführt wurde. Dazu ist es unbedingt notwendig, dass Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft nebst den sonst noch bewertungsrelevanten Teilen so zu bewerten sind, dass ein realistischer und für mögliche Kapitalgeber (Anteilseigner über Aktien) ein annehmbarer und fairer Wert ermittelt wird. Sollte sich also eine (mittelgroße) GmbH in eine kleine AG umwandeln, so muss auch hierfür grundsätzlich vorab ein entsprechender Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden. Bei der Bewertung ist im Übrigen auch darauf zu achten, dass das Anlagevermögen über einen neutralen Gutachter im Rahmen einer Inventarisierung nach Fortführungswerten berechnet wird.

Beschlussfassung der Gesellschafter
Nach Bewertung des Unternehmens sollte den Gesellschaftern der Gegenstand der Beschlussfassung rechtzeitig mit der Einberufung der Gesellschaftsversammlung schriftlich angekündigt werden. Von der Geschäftsleitung ist der Umwandlungsbericht beizufügen. Dazu haben die Geschäftsführer, auch unter Einbringung der Unternehmensbewertung, einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstellen, in dem der Rechtsformwechsel und insbesondere die künftige Beteiligung und Anteilsinhaber der neuen Gesellschaft erläutert und begründet werden (dies ist dann der sogenannte Umwandlungsbericht). Der Umwandlungsbericht sollte bereits den Entwurf des Umwandlungsbeschlusses beinhalten.

Bei Ausstieg von Gesellschaftern müssen Abfindungsangebote beachtet werden
Sollten bei der Wandlung von einer (mittelgroßen) GmbH zu einer kleinen AG GmbH-Gesellschafter austreten wollen, so muss hier natürlich auch ein entsprechendes Abfindungsangebot in Höhe der Gesellschaftsanteile, nach der Bewertung für die ausscheidenden Gesellschafter, vorgelegt werden. Der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses ist spätestens einen Monat vor dem Tag der Gesellschafterversammlung, die über den Rechtsformwechsel beschließen soll, auch dem zuständigen Betriebsrat (sofern es einen gibt) des bisherigen Unternehmens zuzuleiten. In der Gesellschafterversammlung der GmbH ist dann der Umwandlungsbericht vorzulegen.

Neue oder angepasste Unternehmensstrategie bei GmbH-Umwandlung in kleine AG
Parallel zu den juristischen und rechtlichen Maßnahmen zur Umwandlung einer (mittelgroßen) GmbH in eine kleine AG sollte nach Bewertung des Unternehmens nunmehr auch eine angepasste Unternehmensstrategie im Rahmen der Gesellschaftsänderung bearbeitet und publiziert werden. Es ist dabei zu bedenken, dass Behörden, Dienstleister, Finanzamt und institutionellen Stellen, die für das Unternehmen relevant sind, im Vorfeld informiert werden sollten. Die Kommunikationsstrategie ist im besten Fall in Abstimmung mit dem Notar und der Eintragung ins Handelsregister zu synchronisieren.

Namensänderung
Bei der Wandlung sollte grundsätzlich auch vorab schon über den Namen der neuen Gesellschaft Klarheit herrschen. Das neue Unternehmen kann die bisher geführte Firmierung beibehalten, wobei natürlich die Rechtsformbezeichnung GmbH durch AG ausgetauscht wird.

Die AG kann sogar den alten Namen einer natürlichen Person weiter verwenden, jedoch muss dieser Name bei Ausscheiden der natürlichen Person durch eine ausdrückliche Genehmigung verbrieft sein, sonst muss sich die AG von vornherein für eine andere Firmierung entscheiden. Gegebenenfalls sollte überlegt werden, ob nicht im Rahmen der Umfirmierung von (mittelgroßer) GmbH in kleine AG, der Firmenname oder das Firmenlogo über einen Patentanwalt entsprechend durch Eintragung beim Bundespatentamt geschützt werden soll.

Welche Vorteile hat die kleine AG
Die Vorteile einer kleinen AG gegenüber der mittelgroßen GmbH liegen vor allem in den Punkten der Verbesserung der (möglichen) Eigenkapitalausstattung durch Ausgabe neuer Aktien und Verkauf von Aktien an Dritte ohne Beurkundungszwang. Im Weiteren kann sich durch die Aktienausgabe eine Bindung und/ oder eine Gewinnung von Mitarbeitern durch Ausgabe von Belegschaftsaktien und/ oder Vorzugsaktien als positiv erweisen.

Auch die einfache Bestellung des Vorstandes (der auch Alleinvorstand sein kann) wird nicht durch die Gesellschafter bestimmt, sondern durch den Aufsichtsrat, der allein den Vorstand kontrolliert und überwacht. Überwachung bringt Erleichterung, denn dadurch können Auseinandersetzungen in Familiengesellschaften weitestgehend vermieden werden.

Eine kleine AG sieht auch für Außenstehende besser aus, da das Corporate Image nach außen hin einen neuen Wert vermittelt (auf dem Briefkopf und auf einer Homepage wird ja erst einmal nur eine AG kommuniziert). So kann die AG z. B. zu höheren Aufträgen im Handelsverkehr mit dem Ausland verhelfen, da hier eine AG weiter verbreitet ist bzw. der Firmenform an sich mehr Vertrauen entgegengebracht wird.

Erbrechtliche Auseinandersetzungen können vermieden werden
Im Falle der Unternehmensnachfolgeregelung ist die kleine AG der üblichen (mittelgroßen) Familien-GmbH klar im Vorteil, da durch die einfache Vererbung der Aktien an die jeweiligen Erben weitgehende erbrechtliche, nicht aber gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzungen über das Unternehmen vermieden werden können.

Die Firmenform weist Dynamik aus
Möglicherweise wird eine kleine AG mit entsprechender Dynamik eine größere Anziehungskraft auf junge qualifizierte Fachkräfte ausüben, da sie lieber in einer aufstrebenden AG mit möglicher späterer Börsennotierung tätig werden, als in einer üblichen Familien-GmbH zu arbeiten.

Möglichkeiten, fachliche Beratung, Hilfe bei der Umwandlung
a) bei Neugründung einer Kleinen AG
Das seit dem 01.01.1995 als neues Umwandlungsrecht bekannt gewordene Gesetz ist in der Regel den sach- und fachkundigen Anwälten mit Spezialisierung auf Handels- und Gesellschaftsrecht bekannt. Nebenbei werden entsprechend tätige Beratungsgesellschaften sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die Thematik der Neu- bzw. Umgründung in eine kleine AG ebenfalls beherrschen. Da die Aktiengesellschaft leider immer noch den Mittelstand denken lässt, dass hier nur Konzerne untergebracht werden, ist auch die Bekanntheit der kleinen AG selbstverständlich noch nicht soweit vorgedrungen. Allein die Startups gerade in den Bereichen Internet und EDV nutzen bei der Neugründung die Möglichkeit der Gesellschaftsform wesentlich öfter.

Im Zusammenspiel von wirtschaftlichen und juristischen Beratern und einem engagierten Notar ist auch eine Neugründung völlig problemlos möglich.

b) bei Wandlung einer mittelgroßen GmbH in eine kleine AG
Hier sieht die Sache schon anders aus, da neben den juristischen Formalitäten auch eine Bewertung des Unternehmens nebst einer zu erstellenden Strategie wichtig ist.

Aktien können verpfändet oder beliehen werden
Sollten bei Finanzierung durch Dritte Sicherheiten angefragt werden, so können – mit Zusage der Aktionäre – Aktien auch beliehen oder verpfändet werden. Diese Art der Sicherheit ist deshalb so interessant, weil damit das Unternehmen an sich und seine Assets völlig außen vor bleiben.
Die Verpfändung bzw. Beleihung der Aktien ist auch eine Maßnahme, die völlig geräuschlos und ohne Publizität erfolgen kann.

Attraktive Außendarstellung der kleinen AG
Immer noch ist die Firmenform der AG nach außen hin sehr attraktiv, weil damit Größe und Stabilität des Unternehmens in Verbindung gebracht wird.

Allein die Information an Kunden, Lieferanten oder Dienstleistungspartner nach oder vor der Umgründung in eine kleine AG hat in der Regel bereits einen positiven werblichen Effekt.

Wenn dann noch der Aufsichtsrat mit sach- und fachkompetenten Personen besetzt werden kann, die möglicherweise in der Öffentlichkeit stehen und entsprechend positiv wahrgenommen werden, verstärkt sich damit dieser Eindruck noch weiter.

Konzept und Strategie durch erfahrene Berater umsetzen lassen
Um hier auf der gesamten Linie erfolgreich zu sein, bedarf es neben Juristen ebenfalls Berater, die den wirtschaftlichen und strategischen Teil der Umwandlung mit begleiten, da die Wandlung der (mittelgroßen) GmbH in eine kleine AG nur dann merkliche Vorteile bringt, wenn im Vorfeld die Strategie der Marktdurchdringung sowie eine mögliche Neu- oder Anderspositionierung durchdacht wird. Die Wandlung einer (mittelgroßen) GmbH in eine kleine AG ist deshalb nur in Zusammenarbeit von spezialisierten Beratern, Wirtschaftsprüfern und wirtschaftsnahen Juristen zu empfehlen.

Vor einer Umwandlung sollte daher zunächst eine eingehende Prüfung mit Stellungnahme von fachkompetenter Seite priorisiert werden, ob und in welcher Form die beschriebenen Vorteile im vorliegenden Fall greifen.

Sprechen Sie uns daher gern bzgl. einer entsprechenden Beratung an.

Kombination verschiedener Bewertungsansätze zur Findung eines realistischen Unternehmenswertes

Autoren: Thomas Uppenbrink & Klaus Konrad & Sebastian Frank

Wann ist eine Unternehmensbewertung nötig?
Im Zuge einer Sanierung oder der Durchführung von eigenverwalteten Insolvenzverfahren gemäß §§ 270 ff. InsO muss regelmäßig ein Gutachten zur Unternehmensbewertung erstellt werden. Diese Bewertung wird im Rahmen des Verfahrens zur Investorensuche benötigt (Dual-Track-Verfahren). Die Bewertung ist auch deshalb nötig, um im Rahmen des Verfahrens die nötige Vergleichsrechnung aufzustellen. In einigen Fällen wollen die Gläubiger bzw. der Gläubigerausschuss den Wert des Unternehmens wissen (Fairness Opinion).

Wertefindung für Nachfolgeregelung
Diese Erfahrungswerte aus Kaufpreisermittlung und tatsächlich erzieltem Kaufpreis sind auch für Unternehmen nützlich, die sich nicht in einer Krise befinden, aber verkauft oder im Zuge einer Nachfolgeregelung übertragen werden sollen. Insbesondere eine anstehende Nachfolgeregelung innerhalb des Familienkreises erfordert die Ausarbeitung eines neutralen Gutachtens zur Wertfindung.

Für die Kaufpreisermittlung ist eine realistische Bewertung nötig. Deshalb sollten die Ergebnisse verschiedener Verfahren kombiniert und ein Mittelwert erarbeitet werden, der dann noch mittels einer Cash-Flow-Analyse plausibilisiert wird.

Abweichende Wertvorstellungen
Der Wert eines Unternehmens bewegt sich erfahrungsgemäß oft zwischen dem Wunschdenken des Verkäufers und der überkritischen Vorstellung des potentiellen Käufers. Die Aufgabe eines neutralen Gutachters ist den realistischen Kaufpreis des Unternehmens zu ermitteln und in Form einer nachvollziehbaren Unternehmensbewertung zum Ausdruck zu bringen und den Parteien zu präsentieren.

Ganz gleich ob ein Unternehmensverkauf geplant ist, eine Investorensuche initiiert werden soll oder der Unternehmenswert aus sonstigen Gründen ermittelt werden soll – eine Unternehmensbewertung ist ein wichtiges Instrument, um fundierte Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können.

Bei der Bewertung von Betrieben sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, so dass der Gutachter mit der richtigen Auswahl der passenden Bewertungsmethoden gefordert ist. In der Praxis haben sich einige Modelle der Unternehmensbewertung etabliert.

Überblick zu gängigen Bewertungsmethoden
Gesamtbewertungsverfahren
-    Marktorientiert (Market Approach)
o    Multiplikatoren aus vergangenen / vergleichbaren Transaktionen
o    Multiplikatoren von vergleichbaren Unternehmen (Börsenkursen)
-    Kapitalwertverfahren (Income Approach)
o    Ertragswertverfahren
o    Discounted-Cash-Flow-Verfahren

Einzelbewertungsverfahren
-    Substanzwertverfahren
-    Liquidationswertverfahren

Bewertungsverfahren nach § 199 BewG

Die drei grundlegenden Bewertungsmodelle im Vergleich

Gesamtbewertungsverfahren
Das Gesamtbewertungsverfahren bewertet das Unternehmen als gesamte Einheit, ohne die vorhandenen Vermögenswerte im Detail mit einzubeziehen. Diese werden nicht als eigener Wertansatz, sondern als notwendige Voraussetzung für das Bestehen des Betriebes und somit für den bestehenden Unternehmenswert angesehen.

Insbesondere bei der Bewertung von kleinen und mittleren Unternehmen ist jedoch darauf zu achten, dass Abhängigkeiten vom Inhaber, von Mitarbeitern in Schlüsselpositionen, von Lieferanten, von Kunden, von Konkurrenten und dem Leistungsangebot, wesentlichen Einfluss auf den Wert von inhabergeführten Unternehmen haben. Zudem fehlen häufig für kleine und mittelständische Betriebe aussagefähige Vergleichswerte von Transaktionen aus der Vergangenheit.

Hier gibt es wiederum verschiedene Ausprägungen, die auf eine unterschiedliche Gewichtung der vorliegenden Faktoren abzielen.

Einzelbewertungsverfahren
Die Einzelbewertungsverfahren unterteilen sich in Substanzwert- und Liquidationsverfahren. Der Substanzwert setzt sich zusammen aus der Differenz des betriebsnotwendigen Vermögens, den Verbindlichkeiten und Schulden des Unternehmens.

Dieses Verfahren eignet sich besonders in Fällen, in denen die vorhandenen Vermögenswerte die nach den anderen Bewertungsmethoden ermittelten Werte übersteigen, sprich in den Fällen, in denen wesentliche stille Reserven vorhanden sind.

Die Ermittlung des Liquidationswertes findet in der Regel dann Anwendung, wenn die Stilllegung des Betriebes bereits beschlossen wurde. Hier gilt es insbesondere zu beachten, dass ausreichend Liquidität vorhanden ist, um die zu erwartenden Auslaufkosten abzudecken, wie zum Beispiel Lohnkosten (Kündigungsfristen, evtl. Abfindungszahlungen), laufende Dauerschuldverhältnisse (Miete, Leasing, Darlehen, Versicherungen), Kosten für die Räumung von Bürogebäuden sowie Produktions- und Lagerhallen, Verwertungskosten für den Verkauf von Maschinen, Lagervorräten und Betriebseinrichtungen sowie Entsorgungskosten und Aufbewahrungskosten für Geschäftsunterlagen.

Bewertungsverfahren nach § 199 BewG
Das vereinfachte Bewertungsverfahren nach § 199 BewG verwendet den gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalisierungsfaktor 13,75, der die individuellen Einflussfaktoren des zu bewertenden Betriebes widerspiegeln soll. Dieser vereinfachte Ansatz wird allerdings von vielen Spezialisten überaus kritisch betrachtet und als zu einfach und unzureichend bewertet, was zu der Entwicklung der alternativen Wertansätze geführt hat.

Kombination aus speziellen Bewertungsmethoden führt zu realistischer Wertermittlung
Aus Erfahrungswerten im Zuge der Bewertung von (in der Eigenverwaltung befindlichen) Unternehmen haben sich verschiedene Gesamt- und Einzelbewertungsansätze mit unterschiedlicher Gewichtung entwickelt, aus deren Kombination und abschließender Glättung sich sehr realistische Werte ermitteln lassen.

Ertragswertverfahren
Speziell für die Bewertung von kleinen und mittleren Betrieben wurde der AWH-Standard entwickelt. Bei dieser Methode finden bei der Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes die individuellen Einflussfaktoren des Betriebes ausreichend Berücksichtigung. Zudem ist das Berechnungsschema auch für Personen, die sich nicht regelmäßig mit der Bewertung von Unternehmen beschäftigen, einleuchtend nachvollziehbar.

EBIT-Multiple-Verfahren
Bei Ermittlung des Unternehmenswertes im Zuge des EBIT-Multiple-Verfahrens wird der nachhaltig zu erwirtschaftende EBIT (Earnings Before Interest and Tax) mit branchenbezogenen Faktoren (Multiples) multipliziert. Das Ergebnis dieser Multiplikation stellt den Wert des Unternehmens dar.

Substanzwertverfahren
Das Substanzwertverfahren dient letztlich der Überprüfung der betrieblich notwendigen Vermögenswerte, die in Relation zu den Ergebnissen aus den beiden vorherigen Verfahren zusammengesetzt werden. Die Bewertung der Vermögensteile erfolgt unter Zugrundelegung der Fortführungswerte, die in einem gesonderten Gutachten nachvollziehbar dargestellt werden müssen.

Plausibilitätsprüfung
Die ermittelten Ergebnisse der Unternehmensbewertungen werden geglättet und fließen abschließend in die GuV-Planung der nächsten 5 Jahre ein, um festzustellen, ob der errechnete Kaufpreis vom Unternehmen ergebnis- und liquiditätstechnisch erwirtschaftet werden kann (indirekte Cash-Flow-Rechnung). Fällt dieses Ergebnis positiv aus, kann nach Erfahrung professioneller Gutachter von einem fairen Unternehmenswert ausgegangen werden.

Fazit
Die beschriebenen Verfahren und Ansätze klingen für einen Laien oftmals kaum nachvollziehbar. Dahinter versteckt sich aber vielschichtiges und tiefgreifendes Verständnis von Methoden, die zu einer realistischen Einschätzung des Unternehmens führen. Daher ist entsprechendes Know-how, besagte Methoden und Ansätze zu verstehen, nicht zu unterschätzen. Erst eine Kombination aus den verschiedenen Ansätzen kann zu einer realistischen Einschätzung führen. Andernfalls werden sich Verkäufer und Käufer auf die für sie individuell günstigste Methode zurückziehen und das Ergebnis verteidigen.

In Insolvenzverfahren (auch in Eigenverwaltung) werden beschriebene Verfahren eingesetzt.

Auch für nicht krisenbehaftete Betriebe können diese Bewertungen einen signifikanten Mehrwert haben, um konkret über die Zukunfts- und Nachfolgeplanung zu entscheiden.

Für konkrete bzw. mandatsbezogene Anfragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Fällige Corona-Kredite und Schlussabrechnungskorrekturen drohen viele Unternehmen einzuholen

Autoren: Thomas Uppenbrink & Sebastian Frank

Einleitung
Wer unsere Newsletter auch schon im letzten Jahr verfolgt hat, weiß um unsere Sorgen bzgl. der langfristigen Folgen der diversen Hilfspakete und Erleichterungen im Zuge der Corona-Pandemie. Wir erläuterten bereits mehrfach unseren Standpunkt zu einer drohenden Welle an Zombieunternehmen durch die Erleichterungen um eine Insolvenzantragspflicht kombiniert mit steigenden Zinsen und hoher Inflation.

Aktuell berichten uns immer mehr Steuerberater und Unternehmer von Problemen resultierend aus den immer näher rückenden Rückzahlungsverpflichtungen aus (in der Höhe) fälschlich bezogenen Corona-Hilfen und vereinbarten Corona-Krediten.

Unseren aktuellen Anfragen nach zu urteilen, scheinen unsere Sorgen leider begründet zu sein.

Fällige Corona-Kredite und Schlussabrechnungskorrekturen belasten Liquidität
Neben herausgegebenen Krediten, welche die Krisenzeit überbrücken sollten und deren Rückzahlungsverpflichtung zeitnah beginnt, berichten Steuerberater und Unternehmer nun immer häufiger von drohenden Rückzahlungsverpflichtungen aus den Schlussabrechnungen der eigentlich vollumfänglich subventionierten Corona-Hilfen.

Zur Rückzahlung (von Teilbeträgen) sind dabei alle Unternehmen verpflichtet, die einen höheren Auszahlungsbetrag erhalten haben, als eigentlich vom Gesetzgeber vorgesehen war. Die ursprünglich beantragten Hilfsmittel wurden zu Beginn der Krise aufgrund von Planungen auf Grundlage der Vorjahre beantragt, die sich dank der global-wirtschaftlichen Veränderungen ggfs. nun sehr abweichend vom eigentlichen Bild darstellen.

Die Schlussabrechnungen sind anhand der tatsächlich erzielten Umsätze zu erstellen und einzureichen. Fällt bei dieser Auswertung nun der Umsatz höher aus als ursprünglich geplant, ist die sich daraus ergebende Differenz der Fördermittel unmittelbar zur Rückzahlung fällig. Die gestiegenen Kosten spielen bei dieser Betrachtung lediglich eine untergeordnete Rolle.

Wahrheitsgemäße Schlussabrechnungen sind alternativlos
Die Abgabe der Schlussabrechnungen ist verpflichtend. In den Abrechnungen können überdies bei der ursprünglichen Beantragung fehlerhaft oder unvollständig gemachte Angaben konsequenzlos korrigiert werden. Sollten Schlussabrechnungen allerdings nicht fristgerecht oder erneut fehlerhaft eingereicht werden, droht die Rückforderung der gesamten ausgezahlten Fördermittel.

Eröffnung strafrechtlicher Tatbestände möglich
Die Abgabe der Schlussrechnung ist auch kein Selbstzweck. Die Schlussabrechnung dient vielmehr den staatlichen Fördermittelstellen als Prüfungsgrundlage. Ergibt sich daraus eine fehlerhafte oder unschlüssige Berechnung, wird ggfs. eine strafrechtliche Überprüfung folgen! Ein strafrechtlich eröffneter Tatbestand könnte hier der Subventionsbetrug gem. § 264 StGB sein.

Neben der Geschäftsführung des betroffenen Unternehmens sind auch die bei der Beantragung beteiligten Dienstleister betroffen, hier in der Regel die steuerberatenden Berufe. Beihilfetatbestände gem. § 27 StGB könnten hier eröffnet sein.

Aktuelle Hochrechnungen sind besorgniserregend
Aufgrund der strafrechtlichen Problematiken sind also Unternehmer und Steuerberater daran gehalten, eine wahrheitsgemäße und vollständige Schlussabrechnung zu legen und einzureichen, auch wenn dies zu Rückzahlungsansprüchen führen sollte.

Die diversen Hilfspakete und Möglichkeiten zur Beantragung auf Fördermittel liefen erst Mitte 2022 aus. Laut Homepage des Bundesministeriums für Finanzen wurden insgesamt ca. 5 Millionen Anträge auf Zuschüsse und ca. 170.000 Kredite in diverser Höhe gestellt. In einer vorläufigen Bilanz (Stand November 2021) ging das Ministerium bereits davon aus, dass insgesamt fast 130 Milliarden Euro an krisenbehaftete Unternehmen und Unternehmen verteilt wurden. Die staatlich vollumfänglichen subventionierten Zuschüsse machten dabei mit etwa 57 Milliarden Euro den etwas kleineren Teil aus. Diese Mittel werden nun in den Schlussabrechnungen geprüft. Die übrigen 70 Milliarden Euro werden in naher Zukunft zur Rückzahlung in Raten fällig.

Da der Stand der vorläufigen Bilanz nun aber auch bereits sehr betagt ist, muss von einer deutlich höheren Gesamtsumme ausgegangen werden. Es ist zu befürchten, dass viele Unternehmen nicht in der Lage sein werden, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Wie können daraus resultierende Liquiditätsbelastungen aufgefangen werden?
Die unplanmäßigen Rückzahlungen aus aktualisierten Schlussabrechnungen werden Unternehmen und Unternehmer in der Regel völlig überraschend treffen und vor große Probleme stellen. Aber selbst die eingeplanten ratierlichen Rückzahlungen entfalten aktuell große Sorgen bei Unternehmen, die aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation mit viel höheren Kosten kalkulieren müssen und somit wenig bis gar keinen Liquiditätsspielraum haben. Es stellt sich somit unweigerlich die Frage, wie mit der Mehrbelastung umgegangen werden soll.

Denkbar sind hier Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarungen für die aus der Schlussabrechnung fälligen Rückzahlungsansprüche. Im Falle der fälligen Darlehen wäre eine Aussetzung von Raten oder auch eine Verlagerung des Rückzahlungsbeginns denkbar. Auch könnte man eine Neukreditierung bei kreditwürdigen Unternehmen in Betracht ziehen. Doch frisches Geld ist teuer und alle beschriebenen Maßnahmen werden die Probleme vermutlich lediglich in die Zukunft verschieben.

Und plötzlich ist das Unternehmen überschuldet oder sogar drohend zahlungsunfähig
Schon bei der Beantragung der Soforthilfen und sonstigen Fördermittel wurden entsprechende Rückstellungen bilanziert, die nun ggfs. nicht mehr ausreichen und angepasst werden müssen. Dies kann schnell zu einer Überschuldung der Bilanz und sogar zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit des betroffenen Unternehmens mangels benötigter Liquidität führen und eine Insolvenzantragspflicht begründen, da ggfs. keine positive Fortbestehensprognose mehr erstellt werden kann.

Probleme bei der Bilanzaufstellung von krisenbehafteten Unternehmen
Mit dem BGH-Urteil IX ZR 285/14 vom 26.01.2017 haben sich die Vorgaben bei der Erstellung handelsrechtlicher Jahresabschlüsse für die steuerlichen Berater bei Erkennen einer buchmäßigen Überschuldung radikal geändert. Gab es in der Vergangenheit gewisse Freiheiten bei Kenntnis einer buchmäßigen Überschuldung einer Kapitalgesellschaft, argumentieren die Richter in besagtem Urteil sehr drastisch und räumen den steuerlichen Beratern bei Falsch- oder Schlechtberatung im Rahmen der Bilanzerstellung eine empfindliche Mithaftung ein.

Dies führt dazu, dass die Herausgabe von Bilanzen mit ausgewiesener buchmäßiger Überschuldung zu Fortführungswerten nicht mehr möglich ist. Genau hier setzt aber das Problem bei vielen Unternehmen ein, die mit oben benannten Rückzahlungsansprüchen konfrontiert werden.

Sollte sich dann das eh schon wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen auch noch in einer krisenbehafteten Situation befindet, weil zum Beispiel Umsätze rückläufig, Erträge seit längerem nicht mehr vorhanden und auch in der Zukunft nicht in der benötigten Höhe zu realisieren sind, verstärkt sich auch der Druck auf die steuerlichen Berater erheblich. Denn seit dem 01.01.2022 haben sich die Haftungsrisiken durch die Neueinführung des § 102 StaRUG bei der Erstellung von Jahresabschlüssen für Mitglieder der steuerberatenden Berufe bei der Feststellung einer buchmäßigen Überschuldung noch einmal deutlich verschärft.

Das Gesetz zwingt nicht nur die Geschäftsleitung von Kapitalgesellschaften dazu, die Fortführung der Kapitalgesellschaft auch unterjährig im Rahmen der Kapitalentwicklung zu kontrollieren, sondern diese Verpflichtung fällt zusätzlich auf die Mitglieder der steuerberatenden Berufe zurück, wenn sie auch die monatliche Buchhaltung einer Kapitalgesellschaft übernommen haben.

Verzehr des bilanziellen Eigenkapitals und Ausweitung einer buchmäßigen Überschuldung
Es besteht der Zwang seitens steuerlicher Berater auf die bilanzielle Überschuldung und damit ggfs. verbundene Insolvenzantragspflicht (mangels positiver Fortbestehensprognose) hinzuweisen. Der entsprechende Berater darf die Bilanz dazu auch nur noch zu Zerschlagungswerten aufstellen. Alles andere führt zu empfindlichen Haftungsrisiken im Zuge der späteren Prüfungen und Ermittlungen in den Bereichen Gläubigerbenachteiligung und Insolvenzverschleppung.

Positive Fortbestehensprognose als Entlastungszertifikat
Es liegt keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, wenn also eine positive Fortbestehensprognose in Form einer Zahlungsfähigkeitsprognose, die die nächsten 12 Monate umfasst, abgegeben werden kann. Bei Vorliegen einer solchen positiven Fortbestehensprognose liegt also keine insolvenzrechtliche Überschuldung vor, selbst wenn eine handelsrechtliche Überschuldung festgestellt werden musste, und damit besteht auch keine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO.

Sanierung/ Erhalt des Unternehmens durch Verzicht/ Erlass möglich?
Die Rückzahlungsverpflichtungen belasten die Liquidität des betroffenen Unternehmens ggfs. auch langfristig, da Stundungen oder ähnliche Vereinbarungen das Problem in der Regel nur verlagern werden. Viele Unternehmer erhoffen sich daher einen zumindest teilweisen Verzicht. Dieser würde vermutlich auch in den meisten Fällen zu einer Entspannung der Liquidität führen und eine positive Fortbestehensprognose ermöglichen.

Wir gehen aktuell allerdings nicht davon aus, dass Verzichte im Zuge der Corona-Hilfen und Fördermittelprogramme ausgesprochen werden.

Negative Fortbestehensprognose als Bestätigung der insolvenzrechtlichen Überschuldung
Wenn jedoch die Fortbestehensprognose lediglich negativ ausgestellt werden kann, kann die vorliegende handelsrechtliche Überschuldung auch nicht neutralisiert werden und erwächst zwangsläufig zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung, die wiederum eine Insolvenzantragspflicht auslöst.

Praktische Bedeutung für den steuerlichen Berater
Hier ist der Steuerberater in der besonderen Pflicht, seine gesetzlich festgeschriebene Rolle als beratender Experte wahrzunehmen, seinen Mandanten auf die nunmehr bestehende Insolvenzantragspflicht hinzuweisen! Ansonsten ist die Haftung für den Steuerberater vorprogrammiert (vgl. § 102 StaRUG). Die Haftung droht auch nicht nur gegenüber dem Mandanten, sondern gegenüber sämtlichen Gläubigern, die geltend machen können, dass sie besser gestanden hätten, wenn der Antrag rechtzeitig und richtig gestellt worden wäre.

Eigenverwaltete Insolvenzverfahren zur Sanierung und zum Erhalt krisenbehafteter Unternehmen
Seit dem 01.01.2021 ist die Insolvenzordnung um das SanInsFoG ergänzt worden. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der Eigenverwaltung, die es seit dem in 2012 eingeführten ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) gibt, entsprechend aller bis dato gesammelten Erfahrungen angepasst.

Die mittlerweile auch in der Praxis sehr bedeutsamen eigenverwalteten Insolvenzverfahren haben sich als Sonderform im Rahmen von Unternehmenssanierung und Unternehmenserhalt etabliert.

Dabei sind nun die Insolvenzantragsformalitäten vom Gesetzgeber konkretisiert und um verfahrensspezifische Vorgaben erweitert worden.

Eigenverwaltung bedeutet gestalterische Fortführung
Die Besonderheit eines eigenverwalteten Insolvenzverfahrens besteht darin, dass der Eigenverwalter in der Verantwortung steht, Sanierungs- bzw. Restrukturierungsmaßnahmen umzusetzen. Der vom Gesetzgeber vorgesehene Sachwalter – also der insolvenzspezifische Aufsichtsrat – kann dabei vom Antragssteller bzw. von einem präsumtiven Gläubigerausschuss im Vorfeld bei Gericht vorgeschlagen werden. Der Gesetzgeber hat hier explizit dem Gläubigerausschuss Vorrang bei der Auswahl des Sachwalters gegeben.

Ob es sich anbietet bzw. sogar verpflichtend ist, einen Gläubigerausschuss zu gestalten, hängt von der Unternehmensgröße und weiteren Faktoren ab.

Das bedeutet, dass komplexe Sanierungsvorhaben mit der Beauftragung einer Sonderbevollmächtigten der Geschäftsleitung und der Bildung eines Gläubigerausschusses, der dann einen passenden Sachwalter vorschlägt, gute Aussichten auf Erfolg hat, da die Fortführung des Unternehmens und der Erhalt von Arbeitsplätzen in der Eigenverwaltung immer oberste Priorität haben.

Die vorliegenden Probleme können innerhalb eines Insolvenz(plan)verfahrens in Eigenverwaltung gelöst werden, da die Hilfsmittel und Kredite über einen Insolvenzplan abgegolten werden können, sofern sie nicht unter betrügerischen Vorsätzen erlangt wurden.

Frühzeitige unverbindliche Beratung
Sprechen Sie daher unbedingt frühzeitig mit erfahrenen Sanierungsberatern, die bereits eigenverwaltete Insolvenzverfahren erfolgreich über den Abschluss und die Annahme von Insolvenzplänen abgeschlossen haben.

Wir stehen Ihnen hier gern für Detailfragen zur Verfügung.

Strategien für Unternehmenswachstum und Geschäftsfelderweiterung durch optimierte E-Commerce Fulfillment Services

Autoren: Thomas Uppenbrink & Björn Rummel & Sebastian Frank

Viele Unternehmen besitzen keinen elektronischen Vertrieb (E-Commerce)
Im Zuge einer Sanierung oder der Durchführung von eigenverwalteten Insolvenzverfahren gemäß §§ 270 ff. InsO wird auch regelmäßig der Bereich Vertrieb begutachtet und optimiert. Es fällt auf, dass in vielen Unternehmen der elektronische Vertrieb (E-Commerce), die Prüfung bzw. Einführung von Fulfillment-Systemen und die dazugehörige Logistik entweder sehr vernachlässigt oder aber gänzlich ignoriert werden.

Dabei gibt es eine Vielzahl an Mitteln und Möglichkeiten im E-Commerce, um das Unternehmenswachstum zu stärken und die Geschäftsfelder bzw. die Absatzwege zu erweitern.

Dabei spielt Amazon im Bereich der Produktplatzierung als Plattform mittlerweile eine enorm wichtige Rolle. Ähnliche Plattformen im Bereich von Dienstleistungen ziehen immer weiter nach. Denn Internetnutzer wurden über viele Jahre dahingehend konditioniert, Internetseiten wie Amazon, MyHammer oder eBay als digitales Regel bzw. Branchenverzeichnis zu nutzen, um ihre Bedürfnisse zu sortieren und sich einen Überblick über Quantität, Qualität und Kosten zu verschaffen.

Ergänzend zu den genannten Vertriebsmöglichkeiten sollten auch B2B-Plattformen wie Mercateo oder direkte EDI-Anbindungen in Betracht gezogen werden. Auch hier bieten sich hervorragende Möglichkeiten, um Produkte und Dienstleistungen effizient und zielgerichtet zu vermarkten. Ein professioneller Aufbau des Produkt-Listings und eine zielgruppengenaue Ansprache können auch auf diesen Plattformen zu einer Steigerung des Absatzes und des Umsatzes führen.

Amazon als digitales Schaufenster und Absatzmittler
Amazon und vergleichbare Anbieter im Dienstleistungssektor etc. ist mittlerweile viel mehr als lediglich ein Onlinehändler. Als die führende Verkaufsplattform im Internet wird Amazon von den meisten Usern für ihre persönliche Produktsuche genutzt. Es ist daher eine Chance für jede Marke und jeden Hersteller, sich und die eigenen bzw. gehandelten Produkte im größten Online-Schaufenster der Welt zu präsentieren und potenzielle Kunden zu erreichen. Umso wichtiger ist es, sich genau hier bestmöglich zu verkaufen.

So gibt es hier die Möglichkeit, individuelle Markenshops aufzubauen und Produkt-Launches optimal vorzubereiten. Selbst bereits aktive Anbieter und Händler bei Amazon kümmern sich in der Regel kaum um die Optimierung Ihres Produktportfolios, die Perfektionierung Ihrer Produktlistungen oder die Zusammenstellung der relevantesten Keywords. Auch abgestimmte Amazon-Werbekonzepte zum Erreichen entsprechender Zielgruppen werden nicht berücksichtigt.

Es gibt mittlerweile sehr tiefgreifendes Know-how, um Vermarktungsstrategien optimal zu erarbeiten. Anbieter, Händler und Marken steigern dadurch unmittelbar Ihre Sichtbarkeit auf Amazon und gewinnen zielgerichtet und langfristig neue Kunden.

Erfolg durch das Verstehen der Mechanismen und Algorithmen
Jeder Internetuser kennt den Begriff Algorithmus und hat eine vage Vorstellung der Bedeutung. Mit entsprechendem Know-how und professioneller Erfahrung kann man sich diese Mechanismen zu Nutze machen und sich einen enormen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.

Ein professioneller Aufbau des optimalen Produkt-Listings, eine zielgerichtete Schaltung effizienter Werbung, der Einsatz von Planungs- und Controlling-Tools sowie die Umstellung der Organisation bzw. Administrative bei Umsätzen mit Amazon und ähnlichen Plattformen sind die essentiellen und grundlegenden Bausteine eines optimierten Vertriebskonzeptes.

Optimiertes Produkt-Listing als Grundlage des Erfolges
Produkte oder auch Dienstleistungen sind die Grundlagen einer jeden Vertriebspräsenz. Hier gilt aber nicht zwangsläufig „weniger ist mehr“ oder ein möglichst großes Portfolio anzubieten. Nicht harmonisierte Produkt- oder Dienstleistungsportfolios führen sogar zu einem gegenteiligen Effekt, da die Algorithmen möglicherweise verwirrt und falsch konditioniert werden. Eine optimierte und harmonisierte Ausrichtung mit Hinterlegung entsprechender Keywords und Suchkriterien ist der Schlüssel zum Erfolg, zielgerichtet die richtigen Kunden zu finden und anzusprechen.

Die richtige Mischung der Produkt- und Dienstleistungspräsentation
Amazon bietet Anbietern und Händlern eine Vielzahl an Werbemöglichkeiten, um ihre Sichtbarkeit auf der Plattform zu erhöhen und potenzielle Kunden zu erreichen. Die Nutzung dieser Möglichkeiten kann dazu beitragen, das Ranking der Produkte in den Suchergebnissen zu verbessern und damit mehr Traffic und letztendlich mehr Verkäufe zu generieren.

Eine generelle Analyse und individuell gestaltete Werbekanäle durch die optimierte Mischung von Sponsored Ads, Sponsored Display-Ads, Sponsored Brands, Sponsored Video-Ads, unbezahlte Werbemöglichkeiten und Brand-gerechte Harmonisierung der dargestellten Werbeinhalte führen zu stetiger Steigerung des Erfolges durch zielgerichtete Manipulation der entsprechenden Mechanismen und Algorithmen.

Dies im Zusammenspiel mit einem optimierten Produkt- oder Dienstleistungsportfolio führt zu einer sehr dominanten Präsenz innerhalt des gewählten Marktes bzw. der gewählten Plattform.

Controlling des Erfolges und Ergebnisoptimierung
Dauerhafte Betreuung und Auswertung der Ergebnisse durch eine Analyse der Mehrwertgenerierung durch Unterteilung der Produkt- und Zielgruppen sowie die Vermeidung und Nachverfolgung von Ablaufstörungen tragen zur nachhaltigen Ergebnisoptimierung bei.

Dazu gehören selbstverständlich auch die Überwachung der Finanzen und Rechtskonformität, die Kontrolle und Optimierung der Versandabwicklung und Lagerorganisation inkl. Ablaufsteuerung von der Bestellung bis zum Versand sowie die Analyse der Prozesssteuerung und Datenverwaltung.

E-Commerce und Fulfillment sollte dringend umgesetzt werden
Die beschriebenen Maßnahmen klingen häufig nichtssagend und hochtrabend. Dahinter versteckt sich aber vielschichtiges und tiefgreifendes Verständnis von Prozessen, welche die entsprechenden Plattformen automatisieren und steuern. Daher ist entsprechendes Know-how, besagte Prozesse zielgerichtet zu manipulieren, nicht zu unterschätzen.

In aktuellen Unternehmenssanierungen und Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung werden beschriebene Bereiche zwecks Unternehmenswachstum und Geschäftsfelderweiterung bereits sehr erfolgreich umsetzen.

Auch für laufende und gesunde Betriebe können diese Optimierungen einen signifikanten Mehrwert an Umsatz und Ertrag erzielen.

In der heutigen Zeit ist es ein großes Versäumnis, eigene oder gehandelte Produkte bzw. Marken ohne professionelles E-Commerce über die entsprechenden Handelsplattformen und speziell Amazon zu vermarkten.

Der Bereich E-Commerce spielt aber auch im Dienstleistungssektor eine immer wichtigere Rolle. Nahezu alle beschriebenen Maßnahmen können auch hier zum Einsatz gebracht werden.

Sprechen Sie uns gerne an, um zu diskutieren, welche Möglichkeiten für Ihre Produkte und / oder Dienstleistungen sinnvoll und umsetzbar sind.

Zur Sinnhaftigkeit der temporären Änderungen des Insolvenzrechts

Autoren: Thomas Uppenbrink und Sebastian Frank

Inhalt der temporären Änderungen
Die Bundesregierung hat per Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) nun temporäre Anpassungen im Sanierungs- und Insolvenzrecht beschlossen, die ab dem 09.11.2022 gelten und bis zum 31.12.2023 befristet Geltung behalten werden.

Die Kernpunkte der nunmehr geltenden Neuregelungen im Insolvenzrecht sehen folgende wesentliche Anpassungen vor:

1. Die Antragsfrist für die Insolvenzantragstellung wegen Überschuldung gem. § 19 InsO wird verlängert

Die Antragsfrist für die Stellung eines Insolvenzantrags wegen Überschuldung wird bis zum 31.12.2023 von derzeit sechs auf acht Wochen hochgesetzt.

Insolvenzanträge sind jedoch weiterhin ohne schuldhaftes Zögern zu stellen (§ 15a Absatz 1 Satz 1 InsO). Die Höchstfrist darf nicht ausgeschöpft werden, wenn zu einem früheren Zeitpunkt feststeht, dass eine nachhaltige Beseitigung der Überschuldung nicht erwartet werden kann.

Die Höchstfrist zur Antragstellung wegen Zahlungsunfähigkeit bleibt unberührt.

2. Der Prognosezeitraum für die Überschuldungsprüfung wird verkürzt

Die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung nach § 15a InsO wird somit modifiziert. So wird der Prognosezeitraum für die sogenannte insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung (Fortbestehensprognose) von bisher zwölf auf vier Monate herabgesetzt. Hierdurch wird die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung noch weiter abgemildert. Dies soll auch für Unternehmen gelten, bei denen bereits vor dem Inkrafttreten des SanInsKG eine Überschuldung vorlag, der für eine rechtzeitige Insolvenzantragstellung maßgebliche Zeitpunkt aber noch nicht verstrichen ist.

3. Die Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen werden verkürzt

Die maßgeblichen Planungszeiträume für die Erstellung von Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen werden bis zum 31.12.2023 von aktuell jeweils sechs auf ebenfalls vier Monate verkürzt.

Ist die Antragsfristverlängerung wegen Überschuldung sinnvoll?
Eine Fristverlängerung um zwei Wochen nach Kenntnis der Überschuldung von sechs auf acht Wochen scheint zunächst sehr milde gewählt und bedeutungslos. Berücksichtigt man aber die mit einer Verschleppung verbundenen Haftungsrisiken der Geschäftsführung, stellt die Fristverlängerung ein adäquates Mittel dar, in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, Unternehmer einen etwas weiteren Spielraum zu gewähren – auch wenn sich dieser Spielraum zu Lasten der späteren Insolvenzschuldner entwickeln kann.

Berücksichtigt man allerdings weiterhin die Tatsache, dass ca. 90 Prozent aller Insolvenzanträge wegen (drohender) Zahlungsunfähigkeit gestellt werden, wird deutlich, dass die neue Fristenregelung für die allermeisten Unternehmen in der Krise kaum Änderungen mit sich bringt.

Aus praktischer Sicht ist dann ohnehin fraglich, ob es tatsächlich Unternehmer gibt, die in der bisherigen Sechs-Wochen-Frist die Überschuldung der Gesellschaft nicht bemerkt haben, dies dann aber in den darauf folgenden zwei Wochen realisieren werden.

Es handelt sich somit um eine eher zu vernachlässigende Änderung, auch wenn es sicher eher positive Effekte geben wird – zumindest auf Seiten der Unternehmer.

Ist die Anpassung des Prognosezeitraums für die Überschuldungsprüfung sinnvoll?
Ziel soll sein, die Unsicherheiten, die eine mittel- bis langfristige Planung selbstredend immer mit sich bringt, zu mindern und dadurch die Geschäftsführung und die mit einer zur Erstellung einer Fortbestehensprognose beauftragten Berater, geringen Haftungsrisiken auszusetzen.

Außerdem könnten bei Vertiefung der allgemeinen Schieflage der Wirtschaft, kurzfristige Hilfspakete und Liquiditätsspritzen zu einem Erhalt der Zahlungsfähigkeit in den kürzeren Planungszeiträumen eher helfen.

Dies birgt aber nun mal die Gefahr, dass Unternehmen, die mittel- bis langfristig zahlungsunfähig werden, zunächst eben keinen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen müssen, da eine kurzfristige Planung eine entsprechende Zahlungsfähigkeit ausweist, obwohl eine langfristige Betrachtung ein ganz anderes Bild zeigen würde. Es wird viele Unternehmen geben, die aufgrund eines um zwei Drittel verkürzten Prognosezeitraums eine positive Fortbestehensprognose plausibel begründen können, obwohl eine langfristige Betrachtung über zwölf Monate zu einem ganz anderen Ergebnis führen würde.

Dies wiederum kann zu unnötigem Verzehr der Insolvenzmasse führen, die den Gläubigern zusteht. Kommt es zu geringeren Insolvenzquoten oder gar späteren Totalausfällen, sind Folgeinsolvenzen im Kreise der Gläubiger zumindest wahrscheinlicher.

Es stellt sich somit natürlich die Frage, ob ein solcher Effekt wirklich gewünscht war. Klar ist, dass in unsicheren Zeiten eine belastbare Prognose immer schwieriger wird, je weiter der Prognosezeitraum greift. Doch führt die Verkürzung des Prognosezeitraums zu schwerwiegenderen Folgen, die eine so einschneidende Verkürzung unserer Meinung nach kaum rechtfertigt. Eine mildere Verkürzung wäre unserer Meinung nach treffender, da die Konsequenzen aus der jetzigen Situation kaum absehbar sind.

Sind die Anpassungen der Planungszeiträume für Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsplanungen sinnvoll?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Verkürzung um zwei Monate hier milder gewählt wurde, als beim Prognosezeitraum der Überschuldungsprüfung im Zuge der Fortbestehensprognose.

Auch hier kann man als Ziel erkennen, dass die Berater, welche eine solche Planung aufstellen, haftungstechnisch geschützt werden und die Verkürzungen zu einer plausibleren Planung führen sollen.

Aus rein systematischen Überlegungen sind wir der Meinung, dass gerade bei der Beantragung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung ein Zeitraum von lediglich vier Monaten unbrauchbar ist, da mit der Planung über sechs Monate in der Regel das vorläufige Verfahren über drei Monate und das eröffnete Verfahren über drei Monate dargestellt wird. In diesem Zeitraum fallen wesentliche Verfahrenskosten an, die es zu berücksichtigen gilt. Beschränkt man die Planung nun auf vier Monate, wird folglich nur das vorläufige Verfahren plus ein Monat eröffnetes Verfahren abgebildet. Ein unserer Meinung nach unvollständiges Bild, das im späteren Verlauf des Verfahrens zu Irritationen führen kann, wenn die Kosten des Verfahrens höher sind, als die liquiden Mittel es zulassen. Ein zwanghafter Wechsel in ein Regelinsolvenzverfahren könnte die schmerzliche Konsequenz sein.

Wir bewerten diese Änderung als äußerst kritisch und sehen in unseren Verfahren vom Gebrauch ab, nicht zuletzt da bereits manche Richter und Sachwalter ihr Unverständnis zu dieser Regelung geäu0ßert haben.

Ein möglicher Rückgang von Insolvenzen wird lediglich künstlich erzeugt
Die aktuelle Sorge vieler Unternehmer, die jetzt bereits durch die hohe Inflation ihre Preise erhöhen müssen, sind die steigenden Energiepreise. Es kommt in vielen Branchen ein Punkt, an dem die erhöhten Kosten nicht weiter von den Kunden übernommen werden können, was zu Umsatzeinbrüchen führt. Eine Überschuldung kann die Konsequenz sein, da die Planungen mit äußerster Vorsicht aufgestellt werden müssen. Verkürzte Planungszeiträume können hier sicher Abhilfe schaffen, gerade wenn das Unternehmen noch über Rücklagen verfügt, die ggfs. einen Zeitraum von 4 Monaten überbrücken können.

Es scheint also erst mal so, als wäre das Unternehmen solide aufgestellt. Bei näherer Betrachtung muss aber ggfs. festgestellt werden, dass das Unternehmen nach Verzehr der Rücklagen keine Chancen mehr hat, erfolgreich am Markt zu agieren und so oder so Insolvenzantrag stellen muss. Dies geschieht in der Regel dann später auch, allerdings erst nach Verzehr der Rücklagen zu Lasten sämtlicher Gläubiger.

Auch wenn der Gesetzgeber mit den temporären Änderungen vermeintliche Erleichterungen gerade im Bereich der Beraterhaftung zu schaffen scheint, sollte allen Beteiligten eins klar sein:

Im Falle einer späteren Insolvenz des Unternehmens, das dann ggfs. die Masse verzehrt hat, wird ein Insolvenzverwalter Haftungsfragen und Vertiefungsschäden prüfen – egal, welche Fristen gelten.

Erhöhtes Haftungspotential bei Überschuldungsfeststellung
Infolge des BGH-Urteils IX ZR 285/14 vom 26.01.2017), das mittlerweile durch eine Gesetzesänderung zu Beginn des Jahres 2021 in § 102 StaRUG verankert wurde, erhöht sich das Haftungspotential bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, wenn bei einer Kapitalgesellschaft im Rahmen der Jahresabschlusserstellung eine bilanzielle Überschuldung festgestellt wird und keine Prüfung erfolgt, ob es sich dabei auch um eine insolvenzrechtliche Überschuldung im Sinne des § 19 InsO handelt.

Krisenfrüherkennungspflichten nach § 102 StaRUG
Mit in Kraft treten des SanInsFoG wurde bei offenkundiger Annahme, dass dem Mandanten eine mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist, eine Hinweis- und Warnpflicht für Steuerberater und ähnlich tätige Berufsgruppen eingeführt. Im Rahmen der Erstellung von Jahresabschlüssen, haben Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer nun eine Hinweispflicht.

Darüber hinaus wird erwartet, dass steuerberatende Berufe, Geschäftsführer/ Vorstände auf die Pflicht von Gesellschafterversammlung oder Hauptversammlung bei Insolvenzreife des Mandantenunternehmens aufmerksam machen. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer werden als sachverständig gesehen und sind aufklärungspflichtig.

Standard für Fortbestehensprognose entwickelt
Auf Basis der nun geänderten, aktuellen Rechtsprechung zur Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO und zur Fortführungsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft i. S .d. § 252 Abs. 1, Ziff. 2 HGB sowie in Anbetracht der Wirkung des BGH-Urteils hat unser Haus einen Standard in Anlehnung des IDW S11 zur Erstellung von Fortbestehensprognosen entwickelt.

Bei der Fortbestehensprognose (Zahlungsfähigkeitsprognose) handelt es sich um eine Zukunftsprognose aus aktueller Sicht. Besonderes Augenmerk wird auf die wirtschaftliche Lebensfähigkeit, also die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens gelegt.

Die erarbeitete Fortbestehensprognose in ihrer Funktion als Ausweis der Zahlungsfähigkeit dient als Entlastungszertifikat für Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer zur Haftungsvermeidung bei bilanzieller Überschuldung.

Um eine direkte Hilfe im Umgang mit Mandanten geben zu können, die eine bilanzieller Überschuldung aufweisen, haben wir zwei Musterschreiben als Arbeitshilfe erstellt. Beide Musterschreiben sowie die entsprechenden Anlagen (Hinweise auf handels- und insolvenzrechtliche Handlungspflichten) sollen helfen, bei krisenbehafteten Mandaten die Geschäftsleitung darauf hinzuweisen, welche Pflichten aus der Feststellung der bilanziellen Überschuldung ihres Unternehmens erwachsen.

Pflicht zur Plausibilitätsprüfung durch den Steuerberater
Eine Fortbestehensprognose der Geschäftsleitung/ Geschäftsführung darf der Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer dann ungeprüft zugrunde legen, wenn diese nicht offensichtlich untauglich ist. Der Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer darf nicht an offensichtlich unzulässigen oder untauglichen Darstellungen mitwirken.

Es empfiehlt sich daher, die Fortbestehensprognose durch professionelle Dritte erstellen zu lassen, um die Unterstellung einer möglichen Befangenheit aufgrund der Nähe zum Mandanten (Gefälligkeitsgutachten) zu vermeiden.

Fachkompetenter Partner für Erstellung von Fortbestehensprognosen
Durch langjährige Erfahrungen im Bereich der Insolvenzverwaltung und hier speziell den Insolvenzen, die nach §§ 270 ff. InsO in Eigenverwaltung durchgeführt und umgesetzt werden, sind wir sicher, ein fachkompetenter Partner zu sein, um eine Fortbestehensprognose angelehnt an den IDW-Standard S11 zeitnah zu erstellen.

Alternativen bei negativer Fortbestehensprognose
Sofern keine positive Fortbestehensprognose gegeben werden kann, ist es möglich, Zukunftskonzepte z.B. im Rahmen einer Eigenverwaltung mit Insolvenzplan zu entwickeln, sofern die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür grundsätzlich gegeben sind.

Fazit
Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind aufgrund der bilanziellen Situation am ehesten in der Lage, Geschäftsführungen und Gesellschafter darauf hinzuweisen, dass bereits jetzt Maßnahmen eingeleitet werden müssen, die das Unternehmen vor weiterer Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Lage und/ oder weiterer Erhöhung der Zinsen krisensicher schützen.

Neben Umstrukturierung und Restrukturierung von Unternehmen sind außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen zu prüfen und es ist zu überdenken, ob ein eigenverwaltetes Insolvenzverfahren eine sinnvolle Alternative ist.

Sprechen Sie uns zu diesem Thema gerne an, wenn Ihnen bei der Prüfung der Bilanzen Ihrer Mandanten mögliche Probleme auffallen.

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