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Sonderfälle bei der Insolvenzantragspflicht durch die COVID-19-Pandemie

Update 01.05.2021:

Nachdem seit Einführung der unten aufgeführten Sonderfälle immer wieder Verlängerungen der Aussetzungen der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen, die in Folge der Corona-Pandemie zahlungsunfähig wurden, beschlossen worden waren, galt eine Aussetzung zuletzt nur noch für Unternehmen, bei denen eine Auszahlung staatlich zugesagter Hilfsmaßnahmen noch ausstand.

Diese Frist der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist nun am 30. April 2021 ebenfalls abgelaufen. Ab dem 01. Mai 2021 sind somit alle insolvenzreifen Unternehmen wieder verpflichtet, einen Insolvenzantrag im Sinne der geltenden Insolvenzordnung zu stellen, falls es nicht kurzfristig zu einer erneuten Verlängerung kommt.

Mithin ist es nicht mehr möglich, sich auf die nachfolgenden Sonderfälle zu berufen, um die Insolvenzantragspflicht zu umgehen.

 

Aufgrund der regelmäßig eingehenden Anfragen von Angehörigen der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe sowie Geschäftsführern und Inhabern von Unternehmen, haben wir die aktuell geltenden Sonderregelungen zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gemäß § 1 Satz 1 COVInsAG noch einmal zusammengestellt (Stand 10.02.2021).

Sonderfall 1
Zahlungsunfähigkeit bestand am 31.12.2019.

Antragspflicht besteht sofern Zahlungsunfähigkeit am 31.12.2019 bereits eingetreten war und nicht neutralisiert werden konnte. War die Ursache der Zahlungsunfähigkeit in der Pandemie zu sehen, bestand die Antragspflicht nicht. Im Rahmen einer späteren Insolvenz müsste der Insolvenzverwalter das Gegenteil beweisen.

Sonderfall 2
Zahlungsfähigkeit bestand zum 31.12.2019, aber eine Überschuldung lag vor.

Bei vorhandener Zahlungsfähigkeit zum 31.12.2019, jedoch einer bereits (überprüften) eingetretenen insolvenzrechtlichen Überschuldung (handelsrechtliche Überschuldung und negative Fortbestehensprognose), bestünde gemäß § 19 InsO eigentlich die Pflicht, wegen Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen.

Auch hier neutralisiert § 1 Satz 3 COVInsAG die Insolvenzantragspflicht. Bei einer nachfolgenden Insolvenz müsste der Insolvenzverwalter einen Nachweis führen, dass die Insolvenzreife unabhängig von der Pandemie bereits vorlag, ansonsten können keine Anfechtungs-/ Haftungsansprüche gegen die Geschäftsführer geltend gemacht werden.

Sonderfall 3
Zahlungsunfähigkeit trat zwischen 01.01.2020 und 29.02.2020 ein.

War bis zum 31.12.2019 noch keine Zahlungsunfähigkeit eingetreten, hat sich diese aber zwischen dem 01.01.2020 und dem 29.01.2020 tatsächlich manifestiert, wird auch hier die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom Gesetzgeber bejaht.

Sonderfall 4
Zahlungsunfähigkeit trat zwischen 01.03.2020 und 30.09.2020 ein.

Bei vorliegender Zahlungsunfähigkeit zwischen 01.03.2020 und 30.09.2020 ist es wahrscheinlich, dass die Folgen aus dem Lockdown im Rahmen der Pandemie herrühren. Eine Insolvenzantragspflicht ist demnach nicht gegeben.

Sonderfall 5
Zahlungsunfähigkeit trat ab dem 01.10.2020 ein.

Bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach dem 30.09.2020, also nach Beendigung des Aussetzungszeitraums, ist die Insolvenzantragspflicht wieder im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gemäß § 15 a Abs. 1 Satz 1 InsO umzusetzen.

Sonderfall 6
Überschuldung lag ab 01.10.2020 vor.

Hier gilt eine Aussetzung der Antragspflicht bis zum 31.12.2020.

Sonderfall 7
Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung liegt ab dem 01.01.2021 vor.

Beruht die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie und hat das Unternehmen im Zeitraum vom 01.11.2020 bis 31.12.2020 einen Antrag auf Hilfeleistungen gestellt, ist die Antragspflicht zwischen dem 01.01.2021 und dem 30.04.2021 ausgesetzt.

Sonderfall 8
Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung liegt ab dem 01.01.2021 vor.

Beruht die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie und wäre das Unternehmen berechtigt gewesen, Hilfsprogramme zu beantragen, eine Antragstellung war jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, so ist auch hier die Antragspflicht zwischen dem 01.01.2021 und dem 30.04.2021 ausgesetzt.

Sonderfall 9
Zahlungsunfähigkeit liegt ab dem 01.01.2021 vor.

War das Unternehmen bereits vor dem 01.01.2021 zahlungsunfähig, besteht grundsätzlich eine Pflicht zur Insolvenzantragsstellung. Diese kann jedoch durch einen aussichtsreichen Antrag auf finanzielle Hilfsprogramme für eine Zeit zwischen dem 01.01.2021 bis zum 30.04.2021 wieder ausgesetzt werden (vergleiche Fallgruppen 7 und 8).

Sonderfall 10
Überschuldung liegt ab dem 01.01.2021 vor.

Für Unternehmen, deren Insolvenzantragspflicht trotz Überschuldung bis 31.12.2020 ausgesetzt ist und die die vorstehenden Voraussetzungen der weiteren Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht erfüllen, tritt ohne weiteres am 01.01.2021 Insolvenzantragspflicht ein, sollte die Überschuldung nicht anhand einer positiven Fortbestehensprognose beseitigt werden können.

Sonderfall 11
Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung liegt vor und ein Antrag auf Hilfsprogramme wurde bis zum 28.02.2021 gestellt; Regelung ab dem 01.02.2021.

Diese weitere Verlängerung der Aussetzung der Antragspflicht für den Zeitraum vom 01.02.2021 bis zum 30.04.2021 soll ebenfalls nur Schuldner zukommen, die einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung aus Corona-Hilfsprogrammen haben und noch auf die Auszahlung warten. Voraussetzung ist erneut, dass der erforderliche Antrag gestellt wurde, der bis zum 28.02.2021 vorliegen muss und die beantragte Hilfe den Insolvenzgrund beseitigen kann. Kann ein Antrag aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen bis zum 28.02.2021 nicht gestellt werden, kommt es auf die Antragsberechtigung an.

Ausblick
Es ist nicht auszuschließen, dass durch die Verlängerung des Lockdowns und damit einhergehend der weiterhin bestehenden Schließungen von Betrieben der Gastronomie, des Handels, der angeschlossenen Zulieferer sowie der Dienstleistungsunternehmen rund um die Veranstaltungsindustrie sowie der Messeindustrie und des Tourismus, eine weitere Aussetzung der Insolvenzantragspflicht durch den Gesetzgeber umgesetzt wird.

Bei allen Überlegungen hinsichtlich der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht sollte immer im Fokus stehen, ob denn das Unternehmen, nach Wiederherstellung der Normalität, noch in der Lage ist, auch wieder bei eingesetzter Insolvenzantragspflicht (unter normalen Bedingungen) sich zu revitalisieren.

Zwar hat sich die Gesetzeslage seit dem 01.01.2021 durch die Einführung des SanInsFoG geändert, aber bei Unternehmen, die im Rahmen der COVID-19-Pandemie nachweislich in Schwierigkeiten gekommen sind, gelten immer noch die alten Antragsmodalitäten des ESUG gemäß § 6 COVInsAG.

Frühzeitiges Informieren über Sanierungsmöglichkeiten
Es wird daher dringend empfohlen, krisenbehafteten Mandanten vorzuschlagen, sich trotz alledem mit insolvenzerfahrenen Beratern auseinanderzusetzen und prüfen zu lassen, wie die Sanierungschancen aktuell, in nächsten Zukunft und generell aussehen.

Der Gesetzgeber hat daher auch in den neuen Vorgaben explizit verankert, dass Unternehmen, die sich nicht mehr revitalisieren lassen, eben erhöhte Anforderungen an die Insolvenzantragspflicht haben und damit auch die Risiken (gemäß § 102 StaRUG) der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe im Hinblick auf  eine mögliche Haftung enorm gesteigert.

Fazit
Die Aussetzung der Antragspflicht bis zum 30.04.2021 gilt nur für Unternehmen, die aufgrund der COVID-19-Pandemie in eine Krise geraten sind, die einen Anspruch auf finanzielle Hilfe aus den Corona-Hilfeprogrammen haben und die die Hilfe bis zum 28.02.2021 auch entsprechend beantragt haben. Darüber hinaus müssen die erlangten Hilfeleistungen auch zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet sein.

Unbedingt zu prüfen ist daher, ob die Voraussetzungen für die Beantragung möglicher Hilfsprogramme gegeben sind und ob die Liquiditätsengpässe damit auch tatsächlich beseitigt werden können.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so gilt die reguläre Insolvenzantragspflicht. Werden trotzdem auf gut Glück Hilfsmittel beantragt, um eine Krise und eine unausweichliche spätere Beantragung eines Insolvenzverfahrens lediglich hinauszuzögern, drohen neben der Eröffnung von Haftungstatbeständen ggfs. staatsanwaltliche Ermittlungen.

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