Optimale Verhaltensweisen des Steuerberaters/ Wirtschaftsprüfers/ vereidigten Buchprüfers bei Feststellung einer handelsrechtlichen Überschuldung

Nach Feststellung einer buchmäßigen Überschuldung durch den StB/ WP/ vBP ist sofort und ohne Zeitverzug die Geschäftsführung, noch im Rahmen der Vor- und Aufbereitung des Jahresabschlusses, über den festgestellten Sachverhalt (auch schriftlich) in Kenntnis zu setzen.

Der Jahresabschluss darf – ohne Vorlage einer positiven Fortbestehensprognose – unter Going-concern-Bedingungen nicht erstellt werden; ein Arbeitsstopp ist unverzüglich einzuhalten.

Die Geschäftsführung (oder fachkundige Dritte, die beauftragt werden) hat einzuschätzen, ob im Rahmen der Erstellung einer positiven Fortbestehensprognose die Fortführung der Unternehmenstätigkeit möglich ist (positive Fortbestehensprognose, Zahlungsfähigkeitsprognose auf Basis von 24 Monaten, zwei aufeinander folgende Jahre).

Die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens betrifft die wirtschaftliche Lebensfähigkeit und stellt in erster Linie eine Zahlungsfähigkeitsprognose dar, die aus einer realistischen Liquiditätsplanung sowie einer integrierten Erfolgs- und Vermögensplanung abzuleiten ist. Der Schwerpunkt liegt rein auf der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens für die nächsten 24 Monate.

Ist die Geschäftsführung nicht in der Lage als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft ihren Verpflichtungen hinsichtlich der Vorlage einer Fortbestehensprognose nachzukommen, ist zwingend ein fachkundiger Dritter zu beauftragen.

Der Steuerberater soll auf keinen Fall die positive Fortbestehensprognose selbst erstellen, weil er in diesem Falle, neben einer möglichen Interessenkollision (Aufstellung eines Gutachtens für eigene Zwecke), bei Falsch- oder Fehlplanung sich möglicherweise später einem Haftungsszenario ausgesetzt sieht (falsche, fehlerhafte Fortbestehensprognose, einhergehend mit Erstellung eines Jahresabschlusses unter Going-Concern-Werten).

Grundsätzlich gilt, dass bei Risiken, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden können, der Steuerberater sich vor erstmaliger und auch wiederholter Auftragsannahme eine Einschätzung verschaffen muss, ob die Geschäftsführung bereit ist, bei Bedarf die positive Fortbestehensprognose vorzulegen oder ein Dritter mit der laufenden Prüfung und Anpassung beauftragt wird.

Eine von der Geschäftsführung vorgelegte Fortbestehensprognose darf der Steuerberater nicht zugrunde legen, wenn sie sofort als unplausibel oder untauglich angesehen wird. Regelmäßig untauglich ist die Fortführungsprognose insbesondere dann, wenn die Prognose (für eine fachkundige Person) nicht nachvollziehbar ist oder die Ausführungen dem eigenen Kenntnisstand wiedersprechen (StB, WP, vBP gelten immer als sachverständig).

StB, WP, vBP dürfen niemals an erkannten, unzulässigen Wertansätzen oder Darstellungen mitwirken.

Die Hinweis- und Warnpflicht für StB, WP, vBP ist dann zwingend zu berücksichtigen, wenn sie im Rahmen ihres Auftrages einen Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs.2 InsO, drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO sowie Überschuldung nach § 19 InsO) erkennen oder ernsthafte Anhaltspunkte für mögliche Insolvenzgründe erkennbar sind und angenommen werden müssen, die (mögliche) Insolvenzreife der Geschäftsleitung der Mandantin aber nicht bewusst ist. Da die Geschäftsleitung der Mandantschaft häufig im Zweifel behaupten wird, dass der Steuerberater sehr wohl den Insolvenzgrund kannte und die Nichtkenntnis des Mandanten gesehen hat bzw. Unkenntnis vermuten konnte, muss der StB, WP, vBP deshalb immer die beschriebenen Hinweise und Warnungen entsprechend dokumentieren und der Geschäftsleitung des Mandanten (am besten mit Nachweis) zur Verfügung stellen.

Kommen StB, WP, vBP im Rahmen ihrer Prüfung, zum Beispiel bei der Vorlage einer positiven Fortbestehensprognose durch die Geschäftsleitung, zu der Erkenntnis, dass die Einschätzung der Geschäftsführung unrichtig oder abweichend zu ihrer fachkundigen Prüfung ist, so haben sie auf die Unrichtigkeit der angewandten Grundsätze der Unternehmensfortführung hinzuweisen. Daneben ist es mittlerweile verpflichtend, dass dann Vorschläge zur Änderung/ Anpassung zu unterbreiten sind und auf die entsprechende Umsetzung zu achten ist.

Ist die positive Fortbestehensprognose nach Prüfung durch StB, WP, vBP unrichtig, unschlüssig oder schlichtweg überambitioniert und verlangt die Geschäftsführung trotzdem die Erstellung der Bilanz zu Fortführungswerten, sollte der Steuerberater das Mandat unter Nennung des tatsächlichen Sachverhalts sofort niederlegen.

Für StB, WP, vBP empfiehlt es sich, dass sie sich Quellen und Informationen über die Zulässigkeit der Annahme der Fortbestehensprognose (Liquiditätsplanung) von der Geschäftsführung schriftlich geben lassen. Gerade dann, wenn schon bekannt ist, dass die Branche in Schwierigkeiten ist und allgemein zugängliche Wirtschaftsdaten auf Rezession oder Marktprobleme hinweisen.

Bescheinigungen oder Testate dürfen ebenfalls dann nicht erteilt werden, wenn trotz schwerwiegender Einwendungen von StB, WP, vBP Forderungen in die Liquiditätsplanung eingeplant werden, die bekanntermaßen mit hohem Ausfallrisiko verbunden sind oder zum Beispiel laufende Prozesse im debitorischen oder kreditorischen Bereich nicht mit der nötigen Risikobetrachtung eingeplant werden.

Mit dem Blick eines konservativen Sachverständigen sind StB, WP und vBP verpflichtet, die Fortbestehensprognose bzw. Liquiditätspläne dann anzuzweifeln oder als nichtig zu erklären, wenn dem tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Auch in diesem Fall hat der StB, WP, vBP das Mandat niederzulegen.

Können Jahresabschlüsse aufgrund fehlerhafter positiver Fortbestehensprognosen oder diese eben nicht konservativ und marktkonform aufgestellt wurden, ist sofort das Mandat niederzulegen oder alternativ (wenn es der Auftrag hergibt) der Jahresabschluss unter Zerschlagungswerten aufzustellen.

Hierbei ist zu beachten, dass auch eine Arbeitsbilanz mit Going-Concern-Werten nicht außer Haus gegeben werden darf, wenn die entsprechende gesetzliche Problematik der handelsrechtlichen Überschuldung bekannt ist und keine weiteren Maßnahmen zur Neutralisierung der Insolvenzantragspflicht vonseiten der Geschäftsführung erfolgte.

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