Privatinsolvenz in Lettland

Das lettische Verfahren zur Privatinsolvenz gilt als sehr schuldnerfreundlich und schnell im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Auch ohne die Zustimmung der Gläubiger ist es hier möglich, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, eine rasche Entschuldung zu erzielen.

Grundvoraussetzungen für eine Insolvenz in Lettland
Jede zahlungsunfähige oder überschuldete natürliche Person kann in Lettland die Privatinsolvenz beantragen, sofern sie mindestens sechs Monate vor Antragstellung dort gemeldet ist, Steuern zahlt und die Verbindlichkeiten einen Gesamtbetrag von 7.000 Euro übersteigen oder aber es werden innerhalb eines Jahres 14.000 Euro fällig, die voraussichtlich nicht vom Schuldner beglichen werden können.

Verfahrensablauf und Gliederung
Zuerst wird der Insolvenzantrag durch den Schuldner bei dem lettischen Bezirksgericht seiner Wohnsitzgemeinde eingereicht. Der Antrag muss neben Informationen zu der Person selbst und dessen ausstehenden Verbindlichkeiten, unter anderem auch eine Schilderung der Insolvenzursachen und eine Angabe, ob es sich bei dem beantragten Verfahren um ein Hauptverfahren i. S. d. EuInsVO handelt, enthalten. Ein Gläubigerantrag ist dort nicht möglich. Das Insolvenzverfahren wird in zwei aufeinanderfolgende, unabhängige Verfahren unterteilt. Zum einen das Insolvenzverfahren selbst, zum andern die sogenannte Wohlverhaltensphase.

Während des Insolvenzverfahrens verteilt der Insolvenzverwalter das Vermögen und die Erlöse an die Gläubiger. Gegenstände, die für die Erwirtschaftung zukünftigen Vermögens notwendig sind, können ausgesondert werden.

Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens erreicht der Schuldner die sogenannte Wohlverhaltensphase. In dieser Phase überweist er ca. ein Drittel seines Einkommens an den Masseverwalter zur weiteren Gläubigerbefriedigung. Es besteht die Pflicht, die Zahlungen an das Massekonto ordnungsgemäß zu berechnen und abzuführen. Lohnpfändungen durch den Masseverwalter sind jedoch nicht vorgesehen.

Ist die Wohlverhaltensphase abgeschlossen, so erteilt das Gericht die Restschuldbefreiung. Diese ist gültig für alle offenen Verbindlichkeiten (auch für alte deliktische Forderungen oder Schulden beim Finanzamt). Wird diese Restschuldbefreiung ins Deutsche übersetzt und dem entsprechenden Gericht vorgelegt, dann wird diese gem. der EuInsVO in Deutschland anerkannt. Auch ein Umzug nach Deutschland oder ein anderes EU-Land ist nach Verfahrenseröffnung möglich (Art. 25 EuInsVO Nr. 1346/2000).

Verfahrenshindernisse
Der Eintritt in das Insolvenzverfahren bleibt dem Schuldner unter bestimmten Umständen verwehrt. Das Verfahren wird unter anderem nicht eingeleitet, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren Falschangaben gegenüber den Insolvenzgläubigern getätigt oder sich Kredite erschlichen hat. Sollten über 30 % des Kredites für einen nicht vorgesehenen Zweck ausgegeben worden sein, so führt auch das zu einer Ablehnung des Verfahrens, ebenso wie eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat innerhalb der letzten fünf Jahre. Auch eine Restschuldbefreiung, die in den letzten zehn Jahren ausgestellt wurde, sorgt dafür, dass kein Insolvenzverfahren durchgeführt wird. Vergangene Insolvenzverfahren per se stellen jedoch kein Hindernis dar, sofern keine Restschuldbefreiung erteilt wurde.

Auch die Wohlverhaltensphase wird nicht immer eingeleitet. Sollte der Schuldner wegen einer Bankrottstraftat innerhalb der letzten drei Jahre verurteilt worden sein oder hat er Falschangaben zu seinem Vermögen gemacht oder gar Vermögen beiseitegeschafft, so wird die Wohlverhaltensphase nicht eingeleitet.

Kosten und Dauer des Verfahrens
Bei Antragstellung sind ca. 76 Euro an das Gericht für die Verfahrenseröffnung zu zahlen, zusätzlich wird eine Akontozahlung von 720 Euro für die Vergütung des Masseverwalters fällig. Diese sind bei Antragstellung an das Gericht zu zahlen und entsprechen etwa zwei lettischen Mindestlöhnen.

Länger als sechs Monate sollte das Insolvenzverfahren nach rechtlichen Bedingungen nicht dauern, es ist abgeschlossen sobald die Verteilung der Masse beendet ist. Sollte bereits bei Antragstellung keine Masse vorhanden sein, wird durch den Masseverwalter ein Bericht an das Gericht verfasst und das Verfahren wird nach wenigen Wochen beendet; mit Hilfe eines Beschlusses erreicht der Schuldner dann die Wohlverhaltensphase.

Dessen Länge richtet sich nach den Forderungen und kann sechs bis 36 Monate dauern. Je mehr der Schuldner in der Lage ist zu zahlen, desto kürzer wird diese Phase. Im Durchschnitt ist das Verfahren nach 12 bis 24 Monaten erledigt. Die genaue Verteilung erfolgt nach der folgenden Übersicht:

•    6 Monate: mind. 50 % der angemeldeten Forderungen können gezahlt werden
•    12 Monate: mind. 35 % der angemeldeten Forderungen können gezahlt werden
•    18 Monate: mind. 20 % der angemeldeten Forderungen können gezahlt werden
•    Können weniger als 20 % gezahlt werden, dient die Höhe der angemeldeten Forderung selbst als Richtmarke
•    12 Monate: die angemeldeten Forderungen liegen unter 30.000 Euro
•    24 Monate: die angemeldeten Forderungen liegen zwischen 30.001 Euro bis 150.000 Euro
•    36 Monate: die angemeldeten Forderungen liegen über 150.000 Euro.

Es gilt jedoch zu beachten, dass nur die in Lettland angemeldeten Forderungen zur Berechnung hinzugezogen werden. Da eine solche Forderungsanmeldung für ausländische Gläubiger mit Übersetzung und Rechtsvertretung recht teuer ist (für deutsche Gläubiger ca. 1.500 Euro) und bei geringeren Forderungen möglicherweise gar nicht rentabel ist, werden meist nur wenige Forderungen angemeldet.

Fazit
Vergleicht man Lettland bezogen auf die Privatinsolvenz mit anderen EU-Ländern, so bietet Lettland den schnellsten Weg zur Entschuldung und sogar Schuldner mit deliktischen Forderungen können eine in Europa anerkannte Restschuldbefreiung erlagen. Einen weiteren Vorteil für Schuldner bietet die meist geringe Anzahl an angemeldeten Forderungen.

Vollkommen risikofrei ist es jedoch nicht, lediglich zur Abwicklung einer schnellen Privatinsolvenz nach Lettland auszuweichen. Stellt ein Gläubiger fest, dass ein Schuldner weggezogen ist, hat er noch die Möglichkeit in Deutschland einen Gläubigerantrag zu stellen, ist dies der Fall, so wäre nach EU-Recht das deutsche Gericht zuständig und eine geplante Privatinsolvenz in Lettland hinfällig.

Ein weiteres Risiko besteht darin sich strafbar zu machen. Stellt sich heraus, dass der Lebensmittelpunkt des Schuldners nicht wie angegeben in Lettland liegt, könnte der Vorwurf des versuchten Gläubigerbetrugs aufkommen. Auch Insolvenz-Agenturen und Sanierungsberater können dann der Beihilfe zum Betrug beschuldigt werden. Im Internet finden sich einige dieser Agenturen, die sich auf eine Privatinsolvenz in Lettland spezialisiert haben und den Schuldnern „Komplettpakete“ anbieten und eine vollständige Begleitung und Betreuung für die Dauer der Privatinsolvenz anbieten. Diese Angebote sollten aber aus benannten Gründen mit Vorsicht behandelt werden.

footerpic
Top