Insolvenz(plan)verfahren in Eigenverwaltung saniert Steuerberater(-Praxis) erfolgreich!

Mit der Einführung des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen), das am 1. März 2012 in Kraft trat und die Insolvenzordnung (InsO) um die Möglichkeit der frühzeitigen Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen erweiterte, haben auch Freiberufler wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte die Möglichkeit, in den Genuss einer rechtlich sicheren Entschuldung zu kommen.

Waren in der alten Insolvenzordnung das Scheitern eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters einhergehend mit dem Widerruf seiner Bestellung, so können heute mit den Maßnahmen und Möglichkeiten des ESUG unter der Bedingung, dass ein Insolvenzplan am Ende durch Annahme die Kanzlei / Sozietät entschuldet, der Steuerberater oder Rechtsanwalt als Schuldner seinen Berufstitel behalten.
Beispielhaft dargestellt ist die Durchführung eines eigenverwalteten Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerberaters und seiner Praxis, der dem Grunde nach durch klassische eigene Fehlentscheidungen und externe unglückliche Entwicklungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten kam.

Vollfinanzierter Praxiskauf war mit hohem Risiko behaftet!

Die Ausgangslage ist sehr oft die gleiche: Über diverse Dienstleister werden gutlaufende Praxen zu sehr hohen Preisen angeboten. Im Regelfall sind die Kaufentscheidungen am Ende nicht unbedingt der Preis an sich, sondern die Mandantenstruktur, die Homogenität und Professionalität der Kanzlei- oder Praxismitarbeiterinnen und –mitarbeiter sowie der Standort und die Entwicklungsmöglichkeiten. Oft werden Kanzleien zu Preisen gekauft, die sich nicht alleine durch den laufenden Umsatz bzw. den damit verbundenen Erträgen rechtfertigen lassen.

Im hier behandelten Fall war die damit verbundene Vollfinanzierung des Praxiskaufs auch mit einem hohen Risikos des Ausfalls belastet. Die Unwägbarkeiten der Übernahme von Mandanten durch Kauf einer Steuerberaterpraxis auf einen neuen Steuerberater sind niemals wirklich einschätzbar.

Selbst die Zusagen von Schlüsselmandanten, bezogen auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem neuen Kanzleiinhaber, müssen nur bedingt eingehalten werden. Auch maßgebliches Personal kann jederzeit die Kanzlei / Praxis verlassen und im schlechtesten Fall noch entsprechende umsatzstarke Mandate zu dem nächsten Arbeitgeber mitnehmen.

Wegfall der Kapitaldienstfähigkeit nach Abgang von umsatzstarken Mandanten!

In dem hier beschriebenen Fall verließen sehr umsatzstarke Mandanten den nun tätigen Steuerberater umgehend und damit einhergehend gab es deutliche Ertragsrückgänge bzw. der laufende Praxisbetrieb machte sofort Verluste. Mit anhaltendem Verlust verlor der Steuerberater dann durch seine Hausbank seine Kapitaldienstfähigkeit. Eine aktive Neuakquise zur Kompensation des Wegfalls der umsatzstarken Mandanten wurde zwar begonnen, findet aber immer erst zum Ende bzw. Anfang eines neues Jahres statt. Daraus resultierende Erträge zur Stärkung der Praxis bauen sich aber erst mit längerfristigen Mandaten tatsächlich wieder auf.

Umfinanzierung und Stundungen mit den Gläubigerbanken reichten nicht aus!

Sanierungsmaßnahmen, die darauf ausgerichtet waren, mit den Gläubigerbanken Stundungen bzw. Umfinanzierungen durchzuführen reichten nicht aus, um den deutlichen Gewinnrückgang zu kompensieren. Auch war den beteiligten Banken klar, dass der „Wert der Praxis“ durch den Verlust von umsatzstarken Mandanten deutlich gesunken war und damit auch nicht mehr ausreichende Sicherheiten zur Verfügung standen. Der Steuerberater hatte im Rahmen des Praxiskaufs eine Vollfinanzierung angestrebt, die mehr oder weniger als Sicherheit bei den Hausbanken den Umsatz bzw. Ertrag der laufenden Kanzlei vorsah.

Fehlende Einnahmen sorgten für Mangelwirtschaft und Zahlungsstockungen!

Durch den Rückgang der Einnahmen und der zwangsweise auch nach Umstrukturierung zu zahlenden Zinsen und Tilgungen kam auf die Praxis die übliche Mangelwirtschaft zu und damit eingehgehend gab es Zahlungsstockungen. Durch die eintretenden Zahlungsstockungen mehrten sich auch die Probleme in der Steuerberaterpraxis. Konnten am Anfang nur diverse Lieferanten und Sozialversicherungsträger mit Verzögerung bezahlt werden, so erhöhten sich die Zahlungsstockungen am Ende auch auf die Zahllast der Umsatzsteuer, die abzuführenden Lohnsteuern und selbst die Nettolöhne konnten dann nur noch in Teilbeträgen entrichtet werden.

Außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen reichten als Kompensation nicht mehr aus!

Alle eingeleiteten außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen reichten zur Kompensation nicht mehr aus.

Die nötigen Personalmaßnahmen, um die Belegschaft an die neue Umsatz- und Ertragssituation anzupassen, konnten in der Kürze der benötigten Zeit nicht realisiert werden. Üblicherweise setzen arbeitsrechtliche Maßnahmen am Anfang einer Sanierung noch zusätzlich Kosten und Belastung für das Unternehmen frei (Abfindungen, Kündigungen mit Freistellung). Um hier die notwendigen Freiheiten eines an die Praxissituation angepassten Sanierungserfolg zu erreichen, war es nötig, die vom Gesetzgeber im Rahmen einer Insolvenz zur Verfügung gestellten Sanierungsmittel und –möglichkeiten umzusetzen. Jedoch stellt eine klassische Regelinsolvenz einen Freiberufler wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer vor die Situation, dass sie mit Einleiten eines Regelinsolvenzverfahrens ihre Zulassung verlieren.

Insolvenzverfahren bei Steuerberatern führt automatisch zum Widerruf der Bestellung!

Ursprünglich gingen Kammern und der Gesetzgeber davon aus, dass eine Insolvenz nicht nur als Vermögensverzehr für den beteiligten schuldnerischen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt gilt, sondern das dadurch möglicherweise auch der betreute Mandant des Schuldners in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Deshalb wurde die Bestellung des Steuerberaters widerrufen, weil man dies als Schutzwirkung für den oder die Mandanten ansah (Widerruf der Bestellung zum Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG).

Mit der Einführung der neuen Insolvenzordnung in 1999 kam dann auch die Möglichkeit einer Entschuldung durch die Vorlage eines Insolvenzplans ins Spiel. Hatten Kammern bis dahin die noch unbekannte Verfahrensart überhaupt nicht auf dem „Schirm“, änderte sich dies mit der Einführung des ESUG im März 2012 erheblich.

Das bestehende Berufsrecht lässt der Steuerberaterkammer keinen Spielraum!

Bei „Vermögensverzehr“ – und dazu zählte allgemein auch die Insolvenz – hat der Gesetzgeber den Kammern der Freiberufler keinen Spielraum bei der Bemessensgrundlage beim Widerruf der Zulassung gegeben.
Der Mechanismus des automatischen Widerrufs der Bestellung läuft auch nach wie vor und kann – solange hier keine Änderungen in den Kammervorschriften und beim Gesetzgeber durchgeführt werden – nicht von vornherein aufgehalten werden.

Geplanter Erhalt der Steuerberaterpraxis durch eigenverwaltetes Insolvenzverfahren (§ 270a InsO) mit Erstellung und Durchführung eines Insolvenzplans!

Durch die Beantragung einer Eigenverwaltung nach § 270a InsO, in Verbindung mit der Gestaltung und Vorlage eines Insolvenzplans, zur nachhaltigen Entschuldung des schuldnerischen Steuerberaters, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfers , ist es möglich geworden, dass eine bestehende Steuerberaterpraxis nach Annahme des Plans durch die Gläubiger entschuldet am Markt tätig bleiben kann!

Widerruf der Bestellung ruht beim Verwaltungsgericht bis zur Annahme des Insolvenzplanes

Durch einen entsprechenden Anwalt wurde beim Hessischen Finanzgericht gegen den Widerruf der Bestellung zum Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG Widerspruch eingelegt. Der Widerspruch wurde mit den Argumenten vorgetragen, dass im Rahmen der Eigenverwaltung ein Insolvenzplan aufgestellt würde, der nachhaltig und zukunftsorientiert die Steuerberaterkanzlei entschulden kann und damit dann das laufende Geschäft in der Zukunft wieder störungsfrei wäre.

Das Hessische Finanzgericht hat daraufhin das Verfahren ruhend gestellt, bis entweder der Nachweis der Annahme des Plans vorgelegt oder ein entsprechender Gerichtsbeschluss mit entsprechendem Nachweis eingereicht würde oder eben die Sanierungsbemühungen nachweislich als gescheitert angesehen werden müssten.

In der Zeit (im eröffneten Verfahren) in der die Sanierungsmaßnahmen umgesetzt wurden, ist das Finanzgericht regelmäßig über den Fortgang der Sanierung und einhergehend auch mit der Chancenentwicklung auf Annahme des Plans informiert worden. Die Informationspolitik an das Finanzgericht war kurz und informativ gehalten, ein persönliches Gespräch wurde von den Richtern nicht gewünscht, außer es wäre zu einem Prozess zur Feststellung des Widerrufs gekommen.

Durchsetzung und Annahme des Planes trotz Widerstand von Einzelgläubigern!

Der Gesetzgeber hat den Planerstellern große Freiheiten eingeräumt, so dass auch Insolvenzpläne zur Abstimmung kommen, die wirtschaftliche Gesichtspunkte im Hauptfokus haben. Allein die Forderung des Gesetzgebers, dass alle Gläubiger in bestimmten Gläubigergruppen zusammengefasst und gleich behandelt werden müssen, ist von den Planerstellern zu berücksichtigen.

Selbstverständlich treffen Sanierungsziele und damit einhergehende Vorschläge zur Realisierung von möglichen Quoten nicht immer die Vorstellung der Gläubiger.

Im vorliegenden Fall hatten sich zwei namhafte Gläubiger nach dem Erörterungstermin und der einheitlichen Abstimmung im Rahmen ihrer gesetzmäßigen Möglichkeiten an das Gericht gewandt, um den Plan überprüfen zu lassen. Argumente waren, dass ja ein Verkauf der Steuerberaterkanzlei (möglicherweise) eine höhere Quote für die Gläubiger ergeben hätte, als die Fortführung und die Bildung der Quote aus zukünftigen Gewinnen.

Überprüfung des Gerichts hinsichtlich Alternativen zur Quotenbildung bei Regelinsolvenz!

Das Gericht hatte die Aufgabe, hinsichtlich der Quotenbildung im Planverfahren darüber zu entscheiden, ob möglicherweise die Auszahlung bei einer Regelinsolvenz und unter der Bedingung, dass die Kanzlei veräußert worden wäre, eine Alternative gewesen wäre und zu einer höheren Quotenbildung geführt hätte.

Abschließend wurde aber am Ende der vorgelegte Plan als die bessere Alternative angesehen und das Gericht ist der Entscheidung der Mehrheitsgläubiger, die für die Annahme des Plans gestimmt hatten, einheitlich gefolgt. Die Gläubiger, die bei Gericht die Beschwerde hinsichtlich einer möglichen Benachteiligung durch die Annahme des Insolvenzplans vorgetragen hatten, konnten bei Nachfrage nicht beweisen, dass eine Veräußerungs- bzw. Zerschlagungsalternative eine höhere und realitätsnahe Quote eingebracht hätte.

Unter Beachtung der Planauflagen Aufhebung des Insolvenzverfahrens!

Nach Gerichtsbeschluss wurde dann der Insolvenzplan entsprechend angenommen und die Planauflagen der Gläubiger bestätigt. Danach muss die Steuerberaterkanzlei über mehrere Jahre einen bestimmten Betrag aus dem erwirtschafteten Gewinn zum Ende des Jahres  als Quote an die Gläubiger ausschütten.

Da der Plan diese Auflagen vorsah und die Gläubiger in dem Abstimmungs- und Erörterungstermin den Plan so angenommen hatten, wurde sodann 13 Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verfahren aufgehoben.

Einstellung des Widerrufverfahrens zur Steuerberaterbestellung nach Vorlage des Gerichtsbeschlusses – Bestätigung der Planannahme!

Mit der Vorlage der Annahme des Insolvenzplans und des Gerichtsbeschlusses, der die Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestätigte, wurde dann das Finanzgericht final über den Abschluss des Insolvenzverfahrens informiert. Damit wurde etwa vier Monate nach Annahme des Insolvenzplans – unter der Berücksichtigung der Beschwerdeverhandlung der Gläubiger und dem dann dem Plan folgenden vorliegenden Gerichtsbeschluss – der „Widerruf der Bestellung zum Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG“ aufgehoben und die Beteiligten wurden dann darüber informiert, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt war.

Zeitabläufe bei Insolvenzverfahren mit Insolvenzplanvorlage

Geht man davon aus, dass Einzelgläubiger sich nicht im Votum zur Umsetzung eines Insolvenzplanes anschließen, verlängert sich der Zeitraum einer Umsetzung eines Insolvenzplans bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens um ca. 3 – 5 Monate.

Für entsprechende eigenverwaltete Insolvenzverfahren mit Insolvenzplanszenario bei Steuerberatern oder anderen Freiberuflern sollten in der Regel bis zu 24 Monate eingeplant werden.

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