Sanierung durch Eigenverwaltung in der Insolvenz des Freiberuflers

Vermögensverfall bei Freiberuflern kann zu Berufsverbot führen

Das Thema des Vermögensverfalls bei natürlichen Personen nimmt zunehmend Raum in unserer Wirtschaft ein. Während der Verbraucher oder "normale" Gewerbetreibende unbestritten schwerwiegende psychische und zum Teil sogar physische Einschränkungen erfahren muss, wenn ihn diese Situation ereilt, ist für bestimmte Berufsgruppen der Vermögensverfall zugleich mit einem faktischen Berufsverbot verbunden. Zwar hat der Gesetzgeber mit der restschuldbefreienden Verbraucher- oder auch Regelinsolvenz für natürliche Personen eine adäquate Möglichkeit gefunden, sich von den Verbindlichkeiten zu befreien und quasi neu durchzustarten. Doch können einige Berufsgruppen diese Segnung nicht in Anspruch nehmen ohne in eine wirtschaftliche Katastrophe zu rutschen.

Die Probleme der Sanierung einer Apotheke

§ 7 ApoG bestimmt, dass ein Apotheker/eine Apothekerin die wirtschaftliche und pharmazeutische Leitung der Apotheke in höchstpersönlicher Form zu erbringen hat. Wenn also ein/e Apotheker/Apothekerin im Fall der Illiquidität den Gang zum Insolvenzgericht wagt, ist damit mit ziemlicher Sicherheit das Ende des Betriebes verbunden. Das Insolvenzgericht wird, wie immer in Fällen von lebenden Betrieben, eine vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt anordnen. Das bedeutet, dass im Hinblick auf finanzielle Entscheidungen der schuldnerische Apotheker keine Verfügungen treffen kann, ohne den Insolvenzverwalter um seine Zustimmung zu ersuchen. Gewährt dieser sie nicht, ist die Verfügung unwirksam. In der Praxis entscheidet aber faktisch der Insolvenzverwalter auf der Basis von Vorschlägen des schuldnerischen Betriebes. Damit ist entsprechend der aktuellen Rechtslage schon bereits in der Form der Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 7 ApoG gegeben, der grundsätzlich einen Widerruf der Betriebsgenehmigung durch den Amtsapotheker/die Amtsapothekerin zur Folge hat. Um zumindest nicht sofort mit Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung schließen zu müssen, bedarf es einer insgesamt sehr glücklichen Konstellation, die nur selten anzutreffen sein dürfte.

Zum einen benötigt man einen engagierten Insolvenzverwalter, der mit der Aufsichtsbehörde umfassend kooperiert. Zum anderen eine wohlmeinende Aufsichtsbehörde (Amtsapotheker/in), die bereit ist, die Augen vor der tatsächlichen Aufsichtsverpflichtung der Stilllegung zu schließen. Zuletzt eine städtische Kollegenschaft, die die Fortführung unter einem vorläufigen Insolvenzverwalter – obgleich rechtswidrig – zumindest toleriert ohne sich selbst bei der Aufsichtsbehörde zu beschweren. Nur dann ist eine Betriebsfortführung während der vorläufigen Insolvenz ggf. mit dem Ziel einer schnellen Übertragung möglich. Doch spätestens mit Insolvenzeröffnung besteht kein gesetzlicher Spielraum mehr. Damit ist Sanierung eines möglicherweise erhaltenswerten Betriebes in der Insolvenz ausgeschlossen. Welche Folge dies für eine/n Apotheker/in hat, kann sich sicher jeder ausmalen.

Rechtsanwälte und Steuerberater müssen Entzug der Zulassung fürchten

Rechtsanwälte (§ 14 Abs. 2 Ziff. 7 BRAO) und Steuerberater (§ 46 Abs. 2 Ziff. 4 StBerG) haben in ihren Berufsordnungen Regelungen über den Entzug der Zulassung für den Fall des Vermögensverfalls und Insolvenz. Auch hier gilt, dass eine Fortführung des Betriebes nach Insolvenzeröffnung nicht möglich sein wird. Der Berufsträger verliert seine Zulassung und kann daher den Betrieb nicht fortsetzen. Wenn der Insolvenzverwalter Engagement an den Tag legt, kann vielleicht mit der zuständigen berufsständischen Kammer eine Übergangsphase abgestimmt werden, doch das Ende der Praxis ist nicht aufzuhalten. In der Regel wird von der berufsständischen Kammer ein Abwickler (sog. Kanzleiverweser) eingesetzt, um die Restmandate abzuarbeiten. Auch hierbei gilt, wenn der bestellte Insolvenzverwalter mitspielt, dann kann dieser als Abwickler fungieren, wobei der schuldnerische Berufsträger als Sachbearbeiter agiert und ggf. aus der Insolvenzmasse bezahlt wird. Das macht die Sache am Ende jedoch nicht besser, da letztlich die Praxis abzuwickeln ist. Diese Ausführungen gelten natürlich auch für Notare, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte.

Weitere Sonderfälle

Auch manch andere Berufsordnungen für Architekten oder Veterinäre der verschiedenen Bundesländer weisen ähnliche Vorschriften aus.

Vom Grundsatz unterstellen alle Regelungen eine gefährdete Unabhängigkeit auf Grund der Situation des Vermögensverfalls und unterschwellig natürlich auch über den Zugriff auf Mandantengelder eine Gefährdung der Mandanteninteressen. Nach Auffassung der berufsständischen Kammern besteht immer die Gefahr, dass der Freiberufler Fremdgelder nicht korrekt verwaltet, überhöhte Gebühren gegenüber dem Mandanten abrechnet oder Mandate annimmt, denen er wegen ihres Umfangs, ihrer Schwierigkeit oder ihrer Anzahl der Fälle nicht gewachsen ist, allein um Umsatz zu erzielen.

Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung

Es ist also festzuhalten, dass ein „normaler“ Verlauf eines Insolvenzverfahrens in nahezu allen Fällen zu einem beruflichen Ende des Insolvenzschuldners führt. Das insolvenzrechtliche „Normalverfahren“ mit Restschuldbefreiung ist daher keine sinnvolle Lösung für diese Berufsgruppen.

Als Lösungsweg bietet die Insolvenzordnung aber andere Instrumente, unter Aufrechterhaltung der Berufsausübung zu einer Entschuldung zu gelangen. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung und unter Konzipierung eines Insolvenzplanes umgeht die negativen Folgen eines „normalen“ Insolvenzverfahrens. Ein Regelinsolvenzverfahren mit Restschuldbefreiung hat eine Laufzeit von mindestens sechs Jahren ab dem Tag der Insolvenzeröffnung. Hinzuzurechnen sind üblicherweise noch die Monate der vorläufigen Insolvenzverwaltung. Innerhalb dieser Zeit werden drei Verfahrensstufen durchlaufen. Jede Stufe hat unterschiedliche Eingriffstiefen in das berufliche Leben des Insolvenzschuldners.

Das vorläufige Insolvenzverfahren entzieht in der Regel dem Schuldner die freie Befugnis ohne den vorläufigen Insolvenzverwalter Vermögensverfügungen zu treffen. Das klingt letztlich nicht sonderlich spektakulär, hat aber immanent zur Folge, dass der Insolvenzschuldner mit dem Tag der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung auf Gedeih und Verderb dem guten Willen des Insolvenzverwalters ausgesetzt ist, wenn es um sein notwendiges Einkommen geht. Denn auch dieses unterfällt bei der natürlichen Person in Insolvenz dem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters. Das Insolvenzverfahren (Hauptverfahren) wird nahezu in hundert Prozent der Fälle eine Betriebseinstellung auf Grund Widerrufs der Genehmigung, Zulassung oder Erlaubnis zur Folge haben. Diese Phase dauert je nach Komplexität der Vermögenssituation bis zu drei oder vier Jahre. Innerhalb dieser Zeit ist naturgemäß auch nicht mit einer Wiedererteilung der Möglichkeit zur Berufsausübung zu rechnen.

An dieses Hauptverfahren schließt sich die Restschuldbefreiungsphase an. Theoretisch wäre in dieser die Beantragung der Zulassung/Genehmigung oder Erlaubnis wieder möglich, da der Schuldner jetzt wieder die Vermögensverfügungsgewalt innehat. Leider ist nur als Folge des Hauptverfahrens die gesamte Praxis zu Gunsten der Gläubiger liquidiert worden. Der Schuldner müsste in dieser Phase wieder bei „Null“ anfangen.

Diese drei Phasen kann der Insolvenzplan, sofern eine ausreichende strategische Vorbereitungszeit gegeben ist, drastisch reduzieren. Darüber hinaus bleibt bei Beantragung und Gestattung der Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) die Vermögensbefugnis bei dem Insolvenzschuldner, so dass die finanziellen negativen und die berufsrechtlichen Folgen vermieden werden. Eigenverwaltung bedeutet faktisch, dass der Schuldner selbst die Funktion des Insolvenzverwalters einnimmt. D.h. alle Maßnahmen im Rahmen der Insolvenz muss der Schuldner im Hinblick auf den Insolvenzplan umsetzen. Überwacht wird er lediglich durch einen sog. Sachwalter, den das Gericht einsetzt. Üblicherweise kann der Schuldner diesen jedoch vorschlagen.

Die Voraussetzungen für Eigenverwaltung sind sehr pauschal formuliert

Die Voraussetzungen der Anordnung der Eigenverwaltung sind in den Vorschriften der Insolvenzordnung leider sehr pauschal formuliert. Es darf durch die Anordnung der Eigenverwaltung keine Verzögerung des Verfahrensablaufs eintreten und es dürfen sich keine Nachteile für die Gläubigerschaft ergeben. Das wesentliche Argument, welches die Gerichte gegen die Anordnung ins Feld führen ist die fehlende Kenntnis der Schuldner vom Insolvenzrecht. Ausgehend von der Komplexität der insolvenzrechtlichen Vorschriften und der möglichen schwierigen Sanierungsregelungen im Rahmen eines Insolvenzplanes ist das Argument auch nur schwer zu entkräften. Wenn jedoch der Schuldner über einen insolvenzrechtlich erfahrenen Berater quasi als „Assistent der Geschäftsführung“ verfügt, welcher als Insolvenzverwalter bei verschiedenen Insolvenzgerichten gelistet und bestellt ist, dann kann diesem Vorhalt mit Erfolg entgegengetreten werden. Einer Anordnung der Eigenverwaltung steht demnach dann nichts im Weg. Das hat die positive Folge, dass die berufsrechtlichen Regelungen ins Leere gehen und der Betrieb in der Insolvenz erhalten bleiben kann.

Das setzt natürlich voraus, dass im Zuge des Insolvenzplans eine Sanierungsfähigkeit auch umgesetzt werden kann. Wobei natürlich die positiven finanziellen Effekte des Insolvenzgeldbezuges für die Mitarbeiter im Rahmen der vorläufigen Insolvenz und der umsatzsteuerliche Zufluss für Leistungen vor Insolvenzeröffnung in die Betrachtung mit einfließen sollten. Die Konstruktion eines Insolvenzplanes und die Vorbereitungen der Insolvenzantragsstellung bedürfen naturgemäß eines zeitlichen Vorlaufs. Dieser sollte nicht unter vier Wochen liegen.

Grundsätzlich keine Antragspflicht für natürliche Personen

Zwar besteht bei natürlichen Personen keine Antragspflicht, wie sie für Geschäftsführer von GmbH oder AG besteht, doch ist immer die Frage der Strafbarkeit des Handelns bei akuter Illiquidität im Hinblick auf Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung) oder etwaige Eingehungsbetrugstaten (in Kenntnis meiner Illiquidität schließe ich Verträge oder löse Bestellungen aus). Wenn diese Situation schon soweit eskaliert ist, kann auch der beste Insolvenzrechtler und Sanierungsspezialist keine Wunderdinge mehr bewirken. Hier ist schon bei der Antragsstellung der Eigenverwaltung Schluss, da Gerichte dieses Verhalten meist als gläubigerschädigend werten, mit der Begründung, dass der Schuldner schon im Vorfeld zeigt, dass er nicht sorgfältig und ernsthaft bemüht im Hinblick auf die Gläubigerinteressen handeln kann.

Fazit

Also ist festzuhalten, dass mit der Eigenverwaltung in Kombination mit einem Insolvenzplan eine probate Möglichkeit der Sanierung und Entschuldung ohne Entziehung der Berufsausübungsbefugnis besteht. Diese ist jedoch nur dann aussichtsreich umzusetzen, wenn dem Sanierungsberater wenigstens in zeitlicher Hinsicht ein gewisser Spielraum zur Verfügung steht. Grundsätzlich sollte man umgehend agieren, wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit absehbar ist aber sich noch nicht manifestiert hat.

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