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Insolvenzverschleppung durch den Mandanten

Als Steuerberater können Sie schnell in das Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten, wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Mandanten einen Weg aus der Unternehmenskrise suchen. Der Grad zwischen gestaltender Beratung und strafbarem Handeln ist hier besonders schmal. Sie sollten deshalb wissen, welche Risiken Ihnen in dieser Situation drohen und wie Sie gegensteuern können.

Zwar steigt die Zahl der Unternehmenszusammenbrüche nicht mehr so kontinuierlich an, jedoch birgt jedes wirtschaftlich in Notlage befindliche Unternehmen ein erhebliches Risikopotenzial für den Beratungsalltag des Steuerberaters.

I. Der Mandant „rutscht“ in die Krise
Verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation des Mandanten so, daß eine Insolvenz droht, ist ein persönliches Gespräch zwischen dem Steuerberater und ggf. einer weiteren Person der Kanzlei und dem Mandanten zwingend erforderlich.

PRAXISHINWEIS
Eine Gesprächsnotiz bzw. ein Memo sollte unbedingt erstellt und von allen unterschrieben werden! Schriftsätze und Anerkennungszeichnung für Krisensituationen sollten fertig in der Schublade liegen.

Unabhängig von der Gesellschaftsform sollte der Steuerberater dafür sorgen, daß der Mandant in der Krise weitere Unterstützung durch Rechtsanwälte, Unternehmensberater und ggf. Fachberater der Kammern und Verbände erhält, denn er kann die Probleme nicht allein bewältigen. Der Steuerberater muß in der Krise (Zahlungsunfähigkeit und / oder Überschuldung) handeln. Er hat die Pflicht, im Rahmen seines Beratungsvertrages alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Beachtet der Steuerberater die Insolvenzgefahr nicht, führt dies in der Regel dazu, daß in einem späteren Insolvenzverfahren die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auch gegen ihn aufnimmt. Der schuldhafte Verstoß gegen die gesetzliche Insolvenzantragspflicht ist strafbewehrt und wird durch das Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters automatisch der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbH, § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG).


II. Wie kann der Steuerberater seiner Beratungsaufgabe gerecht werden?

Die außergerichtliche Sanierung eines Unternehmens ist mit vielfältigen, aber zu bewältigenden Risiken für den Steuerberater verbunden, wenn er sich maßgeblich an der Durchführung beteiligt und die neuralgischen Punkte thematisiert. Um einen Insolvenzantrag zu vermeiden, muß sich der Steuerberater mit der Sanierung des Unternehmens auseinandersetzen. Er muß deshalb

- Strategien zur vorläufigen Fortführung des Unternehmens entwickeln,
- die Erstellung eines Sanierungskonzeptes unter Einbindung von Liquiditätsplänen vorantreiben und
- ggf. Vorschläge zur Kostenreduzierung im Unternehmen machen.
- Unter Umständen ist das Unternehmen durch einen „außergerichtlichen Vergleich“ nachhaltig zu entschulden. Hier wird der Steuerberater der Geschäftsführung konzeptionelle Vorschläge unterbreiten, die dann mit einem wirtschafts- und insolvenzrechtserfahrenen Rechtsanwalt umgesetzt werden müssen.
- Wurden vor der Krise steuerliche Modelle entwickelt, wie z. B. eine Betriebsaufspaltung, ist vom Steuerberater darauf zu achten, daß jede Sanierungsauswirkung im Vorfeld kalkuliert und thematisiert wird.


III. Insolvenzstrafrecht – eine Gradwanderung für den Steuerberater

Die Vermutung einer Anstiftung des Mandanten zur Insolvenzverschleppung (§ 26 StGB, § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG, § 184 Abs. 1 Nr. 2 GenG) kommt für die Staatsanwaltschaft schon dann in Betracht, wenn der Steuerberater wegen aussichtsreicher Sanierungsverhandlungen den Geschäftsführer eines Unternehmens in der guten Absicht, das Unternehmen zu retten, dazu bewegt, die Erfüllung der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht zu verzögern. Und dies geschieht in der Praxis nur allzu häufig. Denn der Unternehmer neigt dazu, die Fristen für die Insolvenzanmeldung aus eigenem Antrieb extensiv auszulegen, um jede noch so vage Chance zu nutzen, seinen guten Ruf, sein mit dem Unternehmen verwobenes Privatvermögen oder einfach das Unternehmen selbst zu retten. Diesem psychologischen Druck kann sich der Steuerberater nur schwer entziehen.


PRAXISHINWEIS
Hier ist für den Steuerberater äußerste Vorsicht geboten. Denn kommt es zu einer verspäteten Insolvenzantragstellung und erkennt der Insolvenzverwalter, daß neben den Inhabern / Geschäftsführern der Schuldnerin auch „Erfüllungsgehilfen“, wie z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte oder Unternehmensberater, an der Verschleppung beteiligt waren, wird er dies in seinem für die Staatsanwaltschaft bestimmten Bericht erwähnen. So gerät dann der Steuerberater ins Visier der Ermittler.

In der Sanierungsberatung ist die Strafbarkeit immer zum Greifen nahe. Dies auch deshalb, weil dem Steuerberater von der Rechtssprechung aufgrund seiner Ausbildung und Kenntnisse in der Krise ein höheres Maß an Kompetenz und damit Verantwortung abverlangt wird, als den Inhabern / Geschäftsführern des Unternehmens.


IV. Der Steuerberater als Teilnehmer und Täter bei Insolvenzdelikten
Staatsanwaltschaften verfolgen Insolvenzdelikte in neuerer Zeit wesentlich konsequenter, sie rüsten auf. Die Gefahr, sich durch unternehmerisches Handeln in der Krise strafbar zu machen, ist deutlich gestiegen.

Der aktuelle „Bundeslagebericht Wirtschaftskriminalität“ hat hierzu die Fakten, die Sie als Steuerberater für das Risikopotenzial sensibilisieren sollen: Die Strafverfolgungsbehörden sind personell wesentlich verstärkt worden, Spezialdezernate der Polizei, zentrale Ermittlungsstellen der Staatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität und sog. integrierte Ermittlungseinheiten, die im Bedarfsfall auch durch Wirtschaftsprüfer ergänzt werden, haben den Verfolgungsdruck spürbar erhöht. Die Unternehmen reagieren mit Compliance-Initiativen und zunehmen auch mit dem Mittel präventiver juristischer Beratung vor wichtigen wirtschaftlichen Entscheidungen.

Ob ein Steuerberater im Rahmen seiner Tätigkeit als Täter oder als Teilnehmer eines Insolvenzdeliktes in Betracht kommt, richtet sich nach den allgemeinen strafrechtlichen Kriterien. Folgende Straftatbestände sind im Spiel:

Bankrott (§ 283 StGB), Besonders schwerer Fall des Bankrotts (§ 283a StGB), Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB), Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB), Schuldnerbegünstigung (§ 283 d StGB); Verletzung der Insolvenzantragspflicht (§§ 84, 64 GmbHG u. a.), Unterschlagung (§ 246 StGB), Betrug (§ 263 StGB), Kreditbetrug (§ 265b StGB), Untreue (§ 266 StGB), Beitragsvorenthaltung (§ 266a StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB), Steuerhinterziehung (§ 370 AO).

1. Anstiftungshandlungen
Wie ich aus meiner langjährigen Praxis als Insolvenzverwalter und Unternehmensberater weiß, treten strafrechtliche Verstrickungen des Steuerberaters vor allem deshalb ein, weil der Unternehmer im festen Glauben ist, daß sein Steuerberater / Wirtschaftsprüfer die Sanierung trotz vorhandenen Insolvenzgrundes erfolgreich durchführt und er deshalb von der Insolvenzantragspflicht „befreit ist“. Hinzu kommt beim Unternehmer die schon geschilderte Angst vor dem Vermögensverfall und dem Verlust des gesamten Besitzes, die dazu führt, daß er fest entschlossen ist, keinen Insolvenzantrag zu stellen. Eine vollendete Anstiftung zu einem Insolvenzdelikt scheidet deshalb regelmäßig aus. Denn wer bereits einen festen Tatentschluß gefaßt hat, kann nicht mehr angestiftet werden (§ 26 StGB).

2. Beihilfehandlungen
Beihilfe zur Straftat eines anderen leistet der Gehilfe, wenn er dem Täter bei seiner Tat auf irgendeine Art und Weise unterstützend zur Seite steht („Hilfe leistet“, vgl. § 27 StGB). Das Feld möglicher Beihilfehandlungen des Steuerberaters in der Unternehmenskrise ist weit. Typisch sind z. B. folgende Fälle:

- Konzeption fingierter Sicherungsübereignungsverträge (Rechtsberatung!) in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung;
- Verschiebung von Vermögenswerten mit Hilfe von (im Regelfall zurückdatierten) Treuhandverträgen und anderen vertraglichen Vereinbarungen;
- Vollstreckungsvereitelung, wie z. B. das Einlösen von Schecks des Unternehmers über sein Privatkonto bei Kontenpfändung;
- Empfehlung der Verlagerung des Geschäftssitzes, um eine andere Gerichtszuständigkeit herbeizuführen;
- wissentlich „mitbetreute“ Vermögensverschiebungen zugusten von Familienangehörigen mit dem Ziel, später eine Existenz aufzubauen.

Die kritische Situation, in der das Handeln des Steuerberaters als „strafbewehrte Beratung“ bewertet werden kann, resultiert letztlich aus seinem Wunsch, dem Mandanten bis zuletzt nach Kräften zu helfen und für ihn einen unternehmerischen Neubeginn zu gestalten.

PRAXISHINWEIS
Gleichwohl muß der Steuerberater, der die „Strafgeneigtheit“ seines Mandanten erkennt, seine Empfehlung sehr genau prüfen. Tut er dies nicht und fördert er damit eine strafbare Handlung, kann dies als Beihilfe gewertet werden. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt unerbittlich.


V. Speziell: Buchführungs- und Bilanzdelikte

Aktuell ist zu beobachten, daß sich Steuerberater zunehmend der Strafverfolgung im Rahmen von Buchführungs- und Bilanzdelikten aussetzen. Hierbei geht es nicht in erster Linie um „Gefälligkeitsgutachten“. Problematisch sind die Alltagssituationen, in denen sich der Steuerberater aus Unkenntnis oder fehlendem Risikobewußtsein gefährliches Terrain begibt:

1. Um z. B. einem Kreditbetrug vorzubeugen, müssen bei vorläufigen BWAs bzw. Bilanzen immer entsprechende (nicht durch Kopierer manipulierbare) Zusätze angebracht werden, die auf die Vorläufigkeit des Zahlenwerks hinweisen. Die „Erschleichung“ von Kreditzusagen durch fehlerhafte bzw. unvollständige BWAs und Bilanzen ist in der Unternehmenskrise ein vom Unternehmer oft beschrittener Weg, um seine Existenz zu sichern. Das muß dem Steuerberater / Wirtschaftsprüfer bewußt sein.

PRAXISHINWEIS
Die Strafverfolgungsbehörden gehen im Allgemeinen davon aus, daß der Steuerberater die Möglichkeiten einer missbräuchlichen Verwendung von BWAs und Bilanzen kennt, z. B. zur Erlangung von Krediten.

2. Auch die Übernahme von Buchhaltungsaufgaben birgt für den Steuerberater Risiken. Bei der Übernahme dieser Arbeit hat er eigenverantwortlich auch die vorkontierten Belege selbst erneut zu prüfen und festzustellen, ob die GoB beachtet worden sind. Die Praxis zeigt, daß diese Pflichten häufig weder bedacht noch erfüllt werden.

3. Schließlich: Bei der Erstellung der Jahresabschlüsse ist vom Steuerberater auf die Einhaltung der handelsrechtlichen Fristen bei der Bilanzierung zu achten. Die zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten von der Finanzbehörde oft großzügig gehandhabten Fristverlängerungen sind für die Aufstellung von Bilanzen aus handelsrechtlicher Sicht unerheblich! Auch hier drohen strafrechtliche Sanktionen.

Bei der Übernahme der Pflicht zur Erstellung der Bilanz muß der Steuerberater deshalb auch auf eine pünktliche und zeitnahe Übergabe der Belege drängen. Eine strafrechtliche Verfolgung kann in dem Fall nur dann ausgeschlossen werden, wenn er nach Kündigungsandrohung und Nachfristsetzung sein Mandat niederlegt.


VI. Die Praxis der Strafverfolgungsbehörden in Insolvenzsachen

Das Zusammenspiel zwischen Insolvenzgericht, Insolvenzverwalter, Staatsanwaltschaft und den übrigen Beteiligten gestaltet sich nach der „Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen“ (vgl. Zweiter Teil, 3. Abschnitt, Nr. XII a). Es läuft nach folgendem Muster ab:

Zunächst hat das Insolvenzgericht über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Ablehnung eines Insolvenzantrags mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu unterrichten. Im Regelfall läßt sich die Staatsanwaltschaft zunächst die Verfahrensakte übersenden. Außerdem wird üblicherweise der (vorläufige) Insolvenzverwalter aufgefordert, Angaben darüber zu machen, ob sich Anhaltspunkte für strafbare Handlungen seitens der Geschäftsführer, Inhaber oder ihrer Erfüllungsgehilfen ergeben haben. Besteht ein „Anfangsverdacht“, ist die Staatsanwaltschaft gem. § 152 Abs. 2 stop verpflichtet, die Ermittlungen aufzunehmen. Die Staatsanwaltschaften setzen sich dann im Regelfall mit verschiedenen Stellen: Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Sozialversicherungsträger und Arbeitsämter in Verbindung und fragen nach, ob gegen den oder die Schuldner Vollstreckungsaufträge vorliegen, oder ob Beitragsrückstände bei den Sozialversicherungsträgern bestehen.

Des Weiteren setzt sich die Staatsanwaltschaft mit dem zuständigen Finanzamt in Verbindung und bittet um Mitteilung, ob und in welcher Höhe Steuerrückstände bestehen, ob Beitreibungsversuche unternommen wurden bzw. ob ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden ist. Hier wird die Behörde auch auf die Tätigkeiten der Steuerberater eingehen.

Verdichten sich dabei die Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Verhaltensweisen, so wird die Staatsanwaltschaft auch Nachforschungen bei den Kreditinstituten anstellen, mit denen der Schuldner eine Geschäftsverbindung unterhält.

Möglich ist auch, daß die Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen Durchsuchungen beim Geschäftsführer und dem Berater vornimmt.


FAZIT
1. Sanierungsberatung ist für den Steuerberater mit erkennbaren und versteckten strafrechtlichen Fallen verbunden.

2. Die Tatbestände des Insolvenzstrafrechts kann der Steuerberater als Täter oder Gehilfe erfüllen; das Risikopotenzial ist insbesondere bei Buchführungs- und Bilanzmandaten sehr hoch.

3. Es ist deshalb für Steuerberater in ihrer Funktion als Sanierer notwendig, daß sie in den schwierigen Phasen der Unternehmenssanierung regelmäßig Aufzeichnungen und Protokolle über den Fortgang der Arbeiten erstellen, die sie im Bedarfsfall zu ihrer Entlastung anführen können. Denn nur allzu leicht geraten sie ins Visier der Strafverfolgungsbehörden, die mittlerweile stark aufgerüstet haben.


[ 06.06.2013 ]



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