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Ist eine außergerichtliche Sanierung ohne Insolvenz noch möglich?

Das Insolvenzrecht in seiner geänderten Form seit 1999 sieht vor, dass Unternehmen innerhalb der Verfahren nachhaltig saniert und darauf gesundet wieder in den Markt zurückgegeben werden. Trotzdem gibt es immer schlechte Erfahrungen mit dem Insolvenzrecht als solches und natürlich zum Teil große Bedenken bei solchen Verfahren.

Was die meisten Unternehmer und Geschäftsführer von kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht wissen ist, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, auch vorinsolvenzlich Unternehmen erfolgreich und nachhaltig zu entschulden. Eine Entschuldung bedeutet nicht, dass ein Unternehmen, das schon heute seinen Kapitaldienst nicht mehr leisten kann, mit weiteren Krediten belastet wird, sondern dass nachhaltige Strategien mit Banken, Gesellschaftern und Gläubigern umgesetzt werden.

Entschuldungsstrategien

Zu Beginn einer Sanierung steht regelmäßig die Problematik der gesetzlichen Insolvenzantragspflicht gem. §§ 15a, 17 – 19 InsO für Inhaber und Geschäftsführer im Raum. Tatsächlich gelten diese Vorschriften auch ansatzweise für Berater und sonstige Sachverständige, die eine Vertrauensposition innehaben. Neben der Erhaltung der Liquidität und der Feststellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation durch eine Stichtagsbilanz ist nach Wegen zu suchen, das Unternehmen nachhaltig von seiner Belastung zu befreien. Dabei hilft es nicht, etwaige Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu stunden und die Bankkredite neu zu strukturieren, wenn die Wirtschaftskraft des Unternehmens nachgewiesenermaßen nicht ausreicht, die Verbindlichkeiten nach der Umstrukturierung nachhaltig zu bedienen.

"Versuch und Irrtum" nicht möglich

Oft ist es so, dass die eingesetzten Berater keine ausgewiesenen Sanierungsspezialisten mit insolvenzrechtlicher Erfahrung sind und so durch die Devise „Versuch und Irrtum“ die Entschuldung nicht konsequent genug vorantreiben, so dass unweigerlich nach Insolvenzanmeldung die Staatsanwaltschaft eine Mitschuld und Mithaft der außenstehenden Berater - im Rahmen einer möglichen Insolvenzverschleppung - zu prüfen hat. Es muss hier deutlich gemacht werden, dass die Bereiche Entschuldung und Abwehr des Insolvenztatbestandes Kernaufgaben des Beratungsteams sind und hierauf das Augenmerk bei der Aufnahme der Sanierungstätigkeit gelegt werden muss.

Woraus besteht ein erfolgreiches Sanierungsteam?

Ein solches Team besteht optimalerweise aus einem insolvenz- und wirtschaftsrechtlich versiertem Rechtsanwalt, einem Restrukturierungsspezialisten und einem Steuerberater/ Wirtschaftsprüfer mit Erfahrungen im Bereich Unternehmenskonsolidierung.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten einer drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu begegnen; hier einige mögliche Maßnahmen:

Stundung (Moratorium)

Bei der Stundung kann von vier Stundungsarten ausgegangen werden, wobei die erste Stundungsart eine klassische Stundung im herkömmlichen Sinne ist und die weiteren Stundungsarten sich eher an Teilvergleiche anlehnen.

Bei Gläubigern, die sich nicht auf Vergleiche oder Verzichte einlassen wollen, ist es wichtig, dass eine ordnungsgemäße schriftliche Bestätigung über eine Forderungsstundung vorliegt (Stundung = Verschiebung der Zahlungsfälligkeit). Es muss darauf geachtet werden, dass Forderungen nicht mehr das Merkmal des ernstlichen Verlangens der Forderungsbegleichung haben. Daher müssen offenstehende Forderungen entsprechend mit Stundungsvereinbarungen versehen werden.

Eine Stundung kann zunächst aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung zu Stande kommen. Bei der Annahme einer stillschweigenden Stundung ist Vorsicht geboten. Allein durch eine Nichtzahlung bzw. verspätete Zahlung kann der Schuldner keine Stundung erzwingen. Sie folgt auch nicht aus dem Absehen der Gläubiger von (häufig aussichtslosen) Vollstreckungsmaßnahmen. Insbesondere bei kurzfristigen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sie nach Ablauf eines Zahlungsziels uneingeschränkt fällig sind und vom Gläubiger ernsthaft verlangt werden – die Forderungen also nicht gestundet sind.

Der BGH lässt dazu eine einzige ernsthafte Zahlungsaufforderung genügen und weißt explizit darauf hin, dass die Gläubiger den Schuldner auch nicht in besonderer Weise bedrängen müssen.

Eine Stundung ist daher die gemeinsame Erklärung von Gläubiger und Schuldner, eine Rechnung aus Lieferung und Leistung über das gesetzliche und vorher vereinbarte Zahlungsziel hinaus – in der Regel verbunden mit kontokorrentüblichen Zinsen – zu verlängern. Meist werden die Zahlungsweisen dabei schriftlich festgelegt; monatliche bzw. wiederkehrende Raten sind hier nicht unüblich.

Stundungsabrede mit teilweisem Schulderlass

Die Gläubiger erlassen einen Teil ihrer Forderungen und erhalten den Rest zu einem späteren Zeitpunkt in mehreren Raten.

Stundungsabrede mit teilweisem Schulderlass und Besserungsschein

Wie oben, jedoch mit der zusätzlichen Verpflichtung des Schuldners, bei Eintritt günstigerer wirtschaftlicher Bedingungen weitere Zahlungen an den Gläubiger zu leisten. Üblicherweise werden dabei die zukünftigen drei Geschäftsjahre berücksichtigt.

Abgestufter Schulderlass

Kleingläubiger werden voll befriedigt, Gläubiger mit höheren Forderungen stunden oder erlassen die Schuld ganz oder teilweise.

Vergleich / Teilverzicht

Auf der Basis eines realistischen und geschlossenen Sanierungsplans werden unter Betrachtung der Liquidität einzelne oder gesamte Quoten ermittelt, die den Gläubigern auf ihre Forderungen angeboten werden. Zwar sollte der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung (wie früher beim gerichtlichen Vergleich) aller Gläubiger berücksichtigt werden, jedoch tritt im außergerichtlichen Vergleich der „modifizierte Gleichbehandlungsgrundsatz“ ein. Die Gewährung von Sondervorteilen für einzelne Gläubiger ist zulässig. Der einzelne Gläubiger kann aber von dem Vergleich zurücktreten, wenn er seine Zustimmung an die berechtigte Erwartung gebunden hat, dass alle anderen Gläubiger identisch behandelt werden. In der Regel knüpfen Kreditversicherer solche Bedingungen an ihre Zustimmung zu einem außergerichtlichen Vergleich.

Gläubiger, die auf einen Teil ihrer Forderung verzichten, müssen darauf achten, dass die Vergleichsquote pünktlich bezahlt wird. Nur wenn ein weiterer Zahlungsverzug rechtzeitig geahndet wird, können sie auf die Begleichung der ursprünglichen Forderung beharren (BGH, Az.: V II ZR 216/02).

Verzicht (Schulderlass)

Der Schulderlass zeigt am deutlichsten die Vergleichsmerkmale der finanztechnischen Hilfe. Das Erlöschen des Schuldnerverhältnisses führt - im Gegensatz zur Insolvenz - zur dauerhaften Befreiung des Schuldners von seinen Leistungspflichten. Gläubiger aus Lieferungen und Leistungen sowie Kreditinstitute verbinden mit einem Schulderlass in der Regel die Hoffnung, durch fortdauernde Geschäftstätigkeit mit dem Schuldner wieder Gewinne zu erzielen und durch Insolvenzvermeidung weitere Verluste zu umgehen.

Gelegentlich werden Schulderlasse gegen Ausgabe von Besserungsscheinen gewährt. Ein Besserungsschein ist das schriftliche Versprechen des Schuldners zur Leistung von Zahlung an den Gläubiger nach Eintritt bestimmter, günstigerer wirtschaftlicher Ergebnisse.

Kennzeichen eines außergerichtlichen Vergleichs

Der außergerichtliche Vergleich ist im allgemeinen Sprachgebrauch gekennzeichnet durch

- ein Bündel von Sanierungsmaßnahmen,
- die Beteiligung mehrerer - in der Regel aller - Gläubiger,
- eine abgestimmte, zielgerichtete Sanierungsstrategie.

Nachteile eines außergerichtlichen Vergleichs

Nachteile von außergerichtlichen Vergleichen können sein:

- die mögliche bevorzugte oder einseitige Gläubigerbefriedigung,
- die „Ausmergelung der Masse“
- üblicher Zeitverlust, der beim Scheitern von außergerichtlichen Vergleichsversuchen zu verzeichnen ist,
- strafrechtliche Verfolgung und bürgerlich rechtliche Haftung des Unternehmens aufgrund der §§ 138, 826 BGB insbesondere mit der Konsequenz „Durchgriffshaftung“,
- Vollstreckungsschutz ist nur nach allgemeinen Vollstreckungsregelungen zu erlangen, es gibt keine umfassend wirkende Abwehr.

Vorteile eines außergerichtlichen Vergleichs

Vorteile eines außergerichtlichen Vergleiches sind:

- geringere Kosten,
- größere Diskretion,
- keine Mindestbedingung hinsichtlich Ausschüttungshöhe und -frist,
- leichtere Informationsbeschaffung für Gläubiger.

Der außergerichtliche Vergleich schafft bzw. erhält den Gläubigern nach Vergleichserfolg einen zahlungsfähigen Kunden - auch für die Zukunft.

Ist ein entsprechendes Team gefunden, das auch branchenspezifische Erfahrungen hat, dann sollte im Rahmen eines Sanierungskonzeptes und / oder Gutachtens nach dem IDW Standard S06 die Sanierung umgesetzt werden. Ein Teilaspekt der Sanierung ist die nachhaltige Entschuldung und Entlastung des Unternehmens.

Unternehmer, Geschäftsführer und/ oder Gesellschafter sollten sich ggf. die Referenzen von potentiell zu beauftragenden Sanierungsspezialisten geben lassen. Oft arbeiten die guten Restrukturierungsspezialisten sowie die nötigen wirtschafts- und insolvenzrechtlich bewanderten Anwälte nebst den Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern, die in diesem Bereich arbeiten, völlig „unentdeckt“ und sind nur Banken, Sparkassen, Kammern und Verbänden bekannt.

Auch halten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater regelmäßig in Kooperation arbeitende Spezialisten für Sanierung und Restrukturierung vor, da diese Spezialgebiete nicht zum normalen Tagesgeschäft der Berater gehören.


[ 01.05.2013 ]



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