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Professionelle Liquidation kann Insolvenz verhindern

Der Sachverhalt

Ein 70-jähriger Unternehmer besaß eine Ziegelei, die in Spitzenzeiten bis zu 2,8 Mio. Ziegel pro Tag herstellte. Aufgrund rückläufiger Märkte, zu hoher Produktionskosten, zwingend notwendiger Ersatzinvestitionen und eines Gesellschaftsgefüge, welches aus einer Erbengemeinschaft bestand, war ohne weiterer Kredite keine Fortführung möglich.

Die unsichere Lage im Rahmen der Pensionsverpflichtungen, der möglichen Abfindungsforderungen seitens der Belegschaft sowie der in einer Ziegelei zu findenden “Altlasten” ließen alle konsultierten Anwälte zu dem Schluß kommen, dass der Unternehmer Insolvenz anmelden müsse.

Durch einen glücklichen Umstand kam der von Sorgen geplagte Unternehmer an eine Dienstleistungsgemeinschaft, die aus einer auf Insolvenz und Sanierung spezialisierten Anwaltssozietät und einer angeschlossenen Unternehmensberatungsgesellschaft bestand.

Die Fachleute dieser Dienstleistungsgemeinschaft fanden folgende Situation vor:

Es wurden schon seit Jahren keine Gewinne mehr gemacht. Die Bilanzen für die Jahre 2004 und 2005 (Fiskaljahr), die von einem Steuerberater noch anzufertigen waren, lagen nicht vor. Es existierten große Schwierigkeiten zwischen dem Senior und dem Enkel (die Gesellschaftsanteile waren von der Tante an den Enkel übergeben), die dazu führten, dass die unterschiedlichen Generationen nicht mehr miteinander sprachen und auch keine gemeinsamen Entscheidungen treffen konnten. Das Gegenteil war der Fall: Es kam zu unangenehmen Auseinandersetzungen, die dazu führten, dass der Onkel zum Teil persönlich angegriffen wurde (Die Staatsanwaltschaft mußte unter anderem wegen Altlasten ermitteln).

Die Spezialisten besichtigten das Ziegeleiwerk ausführlich und schauten auch in die “letzten Ecken”. Die bisher berufenen Außenstehenden hatten dem Unternehmer immer geraten, einen Insolvenzantrag zu stellen, damit letztendlich die möglichen Forderungen der Arbeitnehmer (es existierte das Problem des Saisonendes) rechtmäßig entfernt werden können und auch die Problematik der noch zu zahlenden Betriebsrentner gelöst werden kann!

Nach der Werksbesichtigung kamen die Spezialisten zu dem Schluß, dass eine Insolvenz in diesem Fall nicht wirklich sinnvoll wäre. Nach der ersten Besprechung war sicher, dass im Rahmen einer Betriebsschließung die Mitarbeiter (wenn sie nicht schon gekündigt wurden und andere Arbeiten angenommen hatten) nur im Rahmen der Kündigungslaufzeit weiter beschäftigt werden mußten. Dies war kein großes Problem, da sowieso noch genug Arbeit im Rahmen der Abwicklung des Unternehmens vorhanden war. Des Weiteren hatte die Gewerkschaft schon im ersten Gespräch dankbar darauf hingewiesen, daß man bei “freiwilligen Abfindungen” gern auch die Abwicklung des Betriebes unterstützen würde. So waren betriebsbedingte Kündigungen möglich. Durch eine angemessene Abfindung für die Arbeitnehmer war auch der Arbeitsfrieden gewahrt.

Da der einzige Gläubiger nur noch eine große Bank mit einer Forderung von ca. € 550.000,- war, welche regelmäßig aus den Veräußerungen von Lagerbeständen ratierlich zurückgeführt
wurde, konnte relativ schnell ein Überblick über die gesamtwirtschaftliche Lage gegeben werden. Da der komplette Kredit mit einer werthaltigen persönlichen Höchstbürgschaft durch den Unternehmer besichert war, kam hier auch kein echtes Problem der Überschuldung auf, da das Kreditinstitut über die wirtschaftliche Situation im Bilde war und die Überschuldungsproblematik als neutralisiert ansah.

Einzig und allein die Betriebsrentner bzw. die Pensionsrückstellungen stellten ein Problem dar. Die aus den Pensionsrücklagen entstandenen Verpflichtungen gegenüber den Rentnern oder deren Witwen waren im Rahmen der Liquidationsrechnung (Auslaufkosten) zu bedenken.

Sollte das Werk sauber abgewickelt und die gesamte Betriebsimmobilie fachgerecht abgebaut und entsorgt werden, müssten für die 50.000 qm immerhin ein Preis in Höhe von € 200,- pro Quadratmeter erzielt werden. Das Land dort galt als gutes Bauland und die Kreisregierung hätte auch gern die Entfernung der alten Ziegelei gesehen.

Das Resümee war, dass bei einer Insolvenz zwar die Abfindungen der Arbeitnehmer und auch ganz sicher die Anwartschaften der Rentner ausfallen würden, jedoch die gut erhaltenen Maschinen zu Gunsten des Insolvenzverwalters in die Masse einfließen würden und die restlichen Arbeiten, wie Entsorgung und Bereinigung vom Immobilienbesitzer auszuführen wären. Da die Forderung der Bank in Höhe von € 550.000,- persönlich haftend verbürgt war, gab es hier für den Unternehmer eigentlich nur eine Alternative:

Es galt zu prüfen, welcher Betrag nach der Abwicklung des Werkes – nach Verkauf der Maschinen, des Anlagevermögens, des Lagerbestands und der Kosten für Abriss und Entsorgung des Mülls – saldiert übrig bleiben würde!

Nach erfolgreichen Gesprächen und der Ratifizierung einer Betriebsvereinbarung - mit Unterstützung des Betriebsrats und der Gewerkschaft - standen die Auslaufkosten und der Betrag der Abfindung für die Belegschaft fest. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Abwicklung ein Betrag festgelegt, der nach Festlegung eines guten Zinses und nach versicherungsmathematischen Kriterien berechnet, die Pensionsansprüche der Rentner sichern würde.



Danach sah die Liquidationsrechnung in stark verkürzter Form wie folgt aus:

1. Beräumungskosten (ausschließlich Beräumung, Verbringung der Maschinen und Anlageabbau; nicht: Abriss der Halle und der damit verbundenen Beräumungskosten)

200.000,00 €

2. Entsorgung des Sondermülls

10.000,00 €

3. Entsorgung der Öl- und Schmierstoffe

5.000,00 €

4. Entsorgung des Holzes durch Spezialfirma

keine Kosten

5. Besondere Kosten - Risikozuschlag

25.000,00 €

Kosten der Beräumung mit Entsorgung saldiert

240.000,00 €


Danach wurden die möglichen Erträge zusammengestellt, die im Rahmen der Abwicklung des werblichen Teils des Unternehmens voraussichtlich zu erzielen waren:

1. Maschinen- und Anlagevermögen (Ziegelbrennerei mit Transport- und Logistikteilen)

1.000.000,00 €

2. Stahlschrott sortiert

100.000,00 €

3. Lagerbestand der Ziegelei (runtergerechneter Bestand)

200.000,00 €

4. Radlader und Sonderfahrzeuge

20.000,00 €

5. Lagerbestände, Werkzeuge und sonstiges Anlagevermögen

25.000,00 €

6. ca. 300 Loren bzw. Brackenwagen mit 430 kg Eigengewicht

20.000,00 €

7. Gabelstapler und Transportmittel

10.000,00 €

8. Sonstige Veräußerung

ca.15.000,00 €

Veräußerungsgewinn saldiert

1.390.000,00 €


Kosten der Abwicklung:

1. Löhne, Gehälter sowie Abfindungen von bereits nicht mehr tätigem Personal

80.000,00 €

2. Löhne bzw. Aushilfslöhne für Bürokräfte

45.000,00 €

3. Pensions- bzw. Rentenverpflichtungen (mündelsichere Anlage)

300.000,00 €

4. Kommission/ Verkaufsprovision für Verwerter (7%)

80.000,00 €

5. Zinsbelastung 6% auf € 600.000,- bei Hausbank für 6 Monate

18.000,00 €

6. Sonstige Kosten für laufenden Betrieb

100.000,00 €

Auslaufkosten saldiert

623.000,00 €


Rechnerischer Überhang

527.000,00 €


Da sich das Gebäude in der Hand der Besitzgesellschaft befand und die Personenidentitäten der Gesellschafter der Ziegelei aber bekannt waren, wurde seitens der Gesellschafter im Rahmen der Abwicklung auf Miete und Nebenkosten verzichtet. Parallel zu den einsetzenden Abwicklungsmaßnahmen wurde mit Investoren verhandelt, die das Gelände nach Abriss der Produktionsstätte käuflich erwerben wollten, um im Rahmen der städtebaulichen Planung Wohnhäuser zu bauen. Hier wurde noch überlegt, ob der Abriß auf eigene Kosten durchgeführt werden könnte, da dann der Verkaufspreis des Grundstücks höher wäre.

In diesem Falle war es aber letzten Endes nicht auszuschließen, daß der Unternehmer den Kredit an die Hausbank in Höhe von € 600.000,- aus privaten Mitteln im Rahmen seiner Bürgschaft zurückzahlen müsse. Da alle Beteiligten im Rahmen der Liquidation ihre Forderungen maßvoll gestellt hatten, konnte gerade deshalb ein Insolvenzverfahren als nicht wirtschaftlich sinnvoll angesehen werden.

Eine solche Liquidationsrechnung ist nur von Profis zu entwickeln, die sämtliche Eventualitäten berücksichtigen, die sich mit der Abwicklung eines Unternehmens ergeben können.


[ 01.09.2012 ]



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