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Die Geschäftspraktiken der „Firmenbestatter“ - Wie Sie unseriöse Angebote erkennen und Ihre Mandanten schützen

Zwar sind die Unternehmensinsolvenzen rückläufig, trotzdem hat eine Branche Konjunktur, die den mit ihrem Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geratenen Geschäftsführern oder Inhabern eine Dienstleistung der besonderen Art anbietet: die „risikolose Komplettsanierung“. Daß diese „Sanierer“ die wirtschaftliche Misere nicht beseitigen, sie im Gegenteil verschärfen, merken die Betroffenen meist erst dann, wenn die Staatsanwaltschaft vor der Tür steht.

Die Zahl unseriöser Übernahmeangebote für insolvenzgefährdete Unternehmen ist in den vergangenen Monaten deutlich angestiegen. Die Konjunktur blüht – für angebliche „Firmensanierer“ und „Firmenbestatter“. Ihre Verheißungen versprechen Befreiung von allen finanziellen Sorgen und jeglicher Geschäftsführung. Tatsächlich aber stoßen diese selbst ernannten Retter ihre Klientel direkt in den Ruin – und dies gegen horrende Zahlungen. Denn trotz aller organisatorischen Winkelzüge gilt: Rechtlich verantwortlich sind und bleiben meist die ehemaligen Gesellschafter oder Geschäftsführer der „entsorgten“ Gesellschaften (§ 17 Abs. 2 InsO, § 64 GmbHG).

I. Die Tricks der Pleite(n)macher
„Wir verkaufen ihre Gesellschaft ins Ausland und bestellen selbstverständlich auch einen neuen Geschäftsführer“ – mit dieser Werbebotschaft bringen sich Firmenbestatter gern ins Spiel. Der Deal läuft regelmäßig nach folgendem Muster ab:

Nach der Übertragung der Geschäftsanteile wird beim Notar eine Gesellschafterversammlung einberufen, in der sich der nunmehr alleinige Gesellschafter zum Geschäftsführer bestellt. Sowohl über die private Anschrift des Geschäftsführers als auch über den künftigen Sitz des Unternehmens werden gegenüber dem Handelsregister bewußt falsche Angaben gemacht. Damit können sowohl gewöhnliche Postsendungen als auch gerichtliche Titel nicht zugestellt werden. Nachdem zunächst die Firmen durch natürliche Personen direkt übernommen worden sind, tritt nunmehr die GmbH als Käufer auf.

Die gesellschaftsrechtliche Struktur der Käufer-GmbH ist unklar. Zumeist handelt es sich um veräußerte Unternehmen, die für Zwecke der Käufer instrumentalisiert werden. Der Geschäftsführer der Aufkäufer-GmbH kauft im Namen seiner GmbH die Geschäftsanteile der zu veräußernden Firma und bestellt einen weiteren Mitarbeiter der Aufkäufer-GmbH zum Geschäftsführer. Diese Vorgänge werden weder buchhalterisch noch bilanziell bei der Käufer-GmbH oder bei der verkauften GmbH erfaßt.

Ein weiteres Anzeichen, daß es sich um eine „anrüchige“ Firmenübernahme handelt, ist, wenn notarielle Verträge von bestimmten Notaren beurkundet werden. Diese machen auf Zuruf der Käufer entsprechende Termine. Die Käufer haben vorgefertigte Notarverträge in ihrem Computer, die sie dann nach Vorgaben des Verkäufers ausfüllen. Meist ist der zeitliche Druck so groß, daß Verträge dem Notar nur per Fax übermittelt werden. Ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht kommen diese Notare in den bisher bekannt gewordenen Fällen nicht nach, so daß eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Käufern und Notaren anzunehmen ist.

Nach der notariellen Beurkundung der Abtretung der Gesellschaftsanteile und der Übergabe des „Entsorgungsgelts“ wird eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen. In den ersten notariellen Verträgen ist die Rede davon, daß die schuldrechtliche Vereinbarung mündlich geschlossen wurde. In diesen Fällen wird eine relativ einfache Vereinbarung im Umfang von drei bis vier Seiten benutzt, die einer ausgearbeiteten Version im Umfang von ca. 20 Seiten weicht, in deren Anhang relevante Strafvorschriften detailliert aufgelistet werden.

In der Zwischenzeit hat die schuldrechtliche Vereinbarung einen solchen Umfang angenommen, daß der Alt-Geschäftsführer den Überblick verloren hat. Besonders hinzuweisen ist auf die in dem Vertragswerk regelmäßig enthaltene Verschwiegenheitsklausel, in der sich die Vertragsbeteiligten zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichten, insbesondere gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Die schuldrechtliche Vereinbarung enthält detaillierte Angaben, welche Unterlagen und Anlagengegenstände zu übergeben sind. Am Anlagevermögen haben die Erwerber allerdings meist kein Interesse, so daß es dem Alt-Geschäftsführer meist „treuhänderisch“ überlassen wird!

Weiterhin wird festgehalten, daß das Unternehmen zum Zwecke der Sanierung bzw. Liquidierung übergeben wird. Neben der schriftlichen Vereinbarung wird mündlich eine zusätzliche Vereinbarung über ein „Entsorgungsentgelt“ geschlossen. Erst nach Zahlung erfolgt die Übertragung des Firmenmantels. Sehr schnell informiert nun der Alt-Geschäftsführer seine Gläubiger über den Verkauf. Als neue Anschrift des Unternehmens wird eine Briefkastenadresse angegeben. Dadurch gehen sämtliche Mahn- und Klageaktivitäten der Gläubiger automatisch ins Leere.

Sofort danach beantragen die Geschäftsführer die Sitzverlegung des Unternehmens. Hiermit soll erreicht werden, daß Insolvenzanträge wegen Unzuständigkeit kostenpflichtig von den Gerichten abgewiesen werden. Die Unterlagen der Buchhaltung, die gesamte Geschäftspost und sämtliche andere Korrespondenz werden entweder unsortiert in zentralen Lagern gesammelt oder vernichtet. Damit wird es auch für die Alt-Geschäftsführer unmöglich, bei Bedarf auf Geschäftsunterlagen zurückzugreifen.

II. Warum die „Masche“ erfolgreich ist
Die meisten Unternehmer sind in ihren Städten und Gemeinden neben ihrer unternehmerischen Tätigkeit auch gesellschaftlich stark eingebunden. Sie befürchten deshalb, durch den Makel einer Firmenpleite nicht nur ihren Ruf als Unternehmer, sondern auch ihre Reputation als untadeliges Mitglied der Gesellschaft zu verlieren.

Um eine Stigmatisierung durch ein Insolvenzverfahren zu vermeiden (Schufa-Eintrag, amtliche Veröffentlichung der Insolvenz), sind sie geneigt, alles zu tun, um ihren guten Namen sauber zu halten.

Als weiteres Motiv ist die Vermeidung von Haftungsansprüchen zu nennen – eine rechtlich ziemlich zwielichtige Hoffnung, gründet sie doch häufig lediglich auf der Übergabe der Geschäftsunterlagen an Dritte.

III. Was Steuerberater tun können
Den Steuerberatern sollte das Gefahrenpotenzial bewußt sein, das mit der Inanspruchnahme der Dienste der „Firmenbestatter“ verbunden ist.

Um auch seinen Mandanten zu überzeugen, sollte er am besten dreistufig vorgehen:

1. Stufe: Er sollte zunächst eindringlich darauf hinweisen, dass nur eine klassische Sanierung, unterstützt durch fachkompetente Krisenmanager, auf Restrukturierung spezialisierte Unternehmensberater und auf Insolvenz- und Wirtschaftsrecht fokussierte Juristen, Aussicht auf Erfolg hat.

2. Stufe: Er sollte seinem Mandanten klarmachen, dass die mit dem „Sanierer“ getroffenen Abreden gesellschaftsrechtlich auf „wackeligen Beinen“ stehen. So hat das AG Memmingen entschieden, dass die im Zuge einer sog. gewerbsmäßigen Firmenbestattung einer insolventen GmbH (planmäßig) eingeleiteten gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen (Abtretung der Gesellschaftsanteile, Satzungsänderung, Abberufung des Geschäftsführers) sämtlich nichtig und damit rechtsunwirksam sind mit der Folge, dass die entsprechenden Eintragungsanträge in das Handelsregister abgelehnt wurden (AG Memmingen, Beschluß vom 2.12.2003 – HRB 8361, Rpfleger 2004 S. 223 ff. = DStZ 2004 S. 316 (Kurzwiedergabe)).

3. Stufe: Hat sich sein Mandant immer noch nicht überzeugen lassen, so sollte er beweissicher dokumentieren, dass er ihn auf die zivil- und strafrechtlichen Risiken derartiger Transaktionen hingewiesen hat.

Strafrechtliche Konsequenzen hat der Steuerberater in diesen Fällen erst dann zu befürchten, wenn er dem Mandanten die „Bestattungslösung“ selbst vorschlägt bzw. an deren Konzeption oder Ausführung (nachweisbar und vorsätzlich) mitwirkt; eine strafrechtlich relevante Garantenpflicht besteht hingegen nicht (vgl. Singer, StuB 2004 S. 991, 992).


[ 01.09.2011 ]



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