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Die psychische und physische Verfassung von Unternehmern und Geschäftsführern in der Krise

Nicht erst in der Wirtschaftskrise ist es für Unternehmer oder Geschäftsführer schwer, die Probleme innerhalb des Unternehmens, mit der Belegschaft und im Umfeld des Unternehmens zu meistern. Oft wird von Außenstehenden nicht erkannt, dass der Unternehmer oder Geschäftsführer schon längst nicht mehr in der Lage ist, aufgrund von psychischer oder physischer Probleme, resultierend aus dem wirtschaftlichen Niedergang seines Unternehmens noch den Überblick zu wahren bzw. Entscheidungen richtig zu treffen.


Eingesetzte Sanierer müssen Situation und Verfassung des Unternehmers oder Geschäftsführers in der Krise genau erkennen!

Werden von Sparkassen und Banken Sanierer empfohlen oder hat sich der Unternehmer / Geschäftsführer und / oder seine Gesellschafter entschlossen, Spezialisten zu beauftragen, die das Unternehmen nachhaltig sanieren sollen, so werden die Probleme für den Unternehmer / Geschäftsführer nur noch größer. Grundsätzlich muss immer festgehalten werden, dass Sanierungsmaßnahmen bei Unternehmen in der Krise häufig unpopuläre Maßnahmen sind. Genau diese unpopulären Maßnahmen sind es, die den Unternehmer oder Geschäftsführer in eine physische bzw. psychische schlechte Verfassung rutschen lassen. Dies kann daran liegen, dass seine eigene Situation sich verschlechtert; es kann aber auch daran liegen, dass er nicht möchte, dass seine Belegschaft „leiden“ soll bzw. muss.

Die Sanierer müssen die Situation und die Verfassung des Unternehmers oder Geschäftsführers in der Krise genau analysieren und erkennen, ob hier überhaupt noch Kompetenz und Durchsetzungswille vorhanden ist. Meist weiss ein erfahrener Sanierer, dass durch den Druck und die ungewöhnliche Situation, der Unternehmer / Geschäftsführer körperlich und seelisch nicht mehr in der Lage dazu ist. Die Folge ist, dass dann nur noch ein zeitlich eingesetzter Interimsmanager mit weitreichenden Vollmachten in der Lage ist, das Unternehmen möglicherweise noch zu führen.


Gläubigerforderungen belasten den Unternehmer / Geschäftsführer psychisch!

Unternehmer bzw. Geschäftsführer eines in der Krise befindlichen Unternehmens haben eine enorme psychische Belastung durch die dauernden Beitreibungsversuche der Gläubiger auszuhalten. Nicht allein das Wissen darum, die fälligen Rechnungen nicht zahlen zu können sondern auch durch die Not, absichtliche Zahlungsversprechungen die Grundversorgung des Unternehmens aufrecht zu erhalten, ist eine dauernde Anspannung vorhanden. Der nach wie vor gerade im Mittelstand vorhandene Gedanke, seinen Lieferanten nichts schuldig bleiben zu wollen, führt in der Regel zu einer Vakuumsituation dadurch, dass gegen die eigenen ethischen und moralischen Grundvorstellungen gehandelt wird, wenn durch falsche Versprechungen die Lieferanten zur Lieferung bewegt werden. Gerade bei langjährigen Beziehungen zwischen dem Unternehmer / Geschäftsführer und Lieferanten kommt es zu einer doppelten Belastung, wenn der Unternehmer aus wirtschaftlicher Notwendigkeit heraus seine Freundschaft zu dem Lieferanten bzw. seine Vertrauensposition ausnutzt, um das Unternehmen überleben zu lassen. Für den Sanierer muss von vorn herein klar sein, dass für einen Unternehmer bzw. Geschäftsführer eines krisenbehafteten Unternehmens keine Möglichkeit besteht, eine mehr als 60%ige Leistung zu verlangen. Die Betreuung der Gläubiger muss zwingend sofort bei Übernahme der Sanierung von den Mitgliedern des Sanierungsteams übernommen werden, da unter Umständen auch persönliche Anfeindungen, Drohungen und Nötigungen als Folge der Nichtzahlung an den Unternehmer oder Geschäftsführer herangetragen werden.


Wirkung der Gläubigerbelastung ist nicht zu unterschätzen

Die Wirkung der Gläubigerbelastung darf nicht unterschätzt werden, da sich zum Teil der Druck auf den Unternehmer / Geschäftsführer durch Überreaktionen, Übersprungverhalten oder zum Teil auch durch Drogenmissbrauch ausdrückt.

Es ist sehr wichtig zu prüfen, ob Gläubiger aus Lieferungen und Leistungen durch die Nichtzahlung des in der Sanierung befindlichen Unternehmens selbst in Schwierigkeiten kommen und diese Schwierigkeiten der Unternehmensleitung / Geschäftsführung bekannt ist. Dies führt in der Regel dazu, dass eine noch größere Lähmung - durch das Wissen Unbeteiligte mit in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu bringen - auf den Entscheidern des krisenbehafteten Unternehmens liegt.


Existenzangst des Unternehmers / Geschäftsführers lähmt ihn komplett!

Inhaber und geschäftsführende Gesellschafter von kleinen und mittelständischen Unternehmen haben in der Regel ihr gesamtes Privatvermögen in das Unternehmen investiert bzw. haften mit dem Privatvermögen für Bank- und Gläubigerverbindlichkeiten durch Bürgschaften und andere Sicherungsübereignungen. Dies führt in wirtschaftlich schwierigen Unternehmenslagen zu direkten Existenzängsten und in vielen Fällen zu Trotz- und Überreaktionen. Diese psychischen Zwänge engen den geistigen und körperlichen Aktionsradius der Betroffenen derart ein, dass normale und unternehmerisch richtige Entscheidungen auch in der Krise nicht mehr bzw. verspätet getroffen werden. Durch diese Existenzängste werden auch immer mehr Personen aus dem engsten Freundes- und Bekanntenkreis in die Schwierigkeiten eingeweiht. Die Kehrseite ist die komplette Abschottung, d. h. der oder die Betroffenen weigern sich über ihre Probleme zu reden, da sonst die Existenzangst wieder auflebt. In der Regel gibt es nur die Möglichkeit, dass eine außenstehende und nicht involvierte Person des Sanierungsteams sich auch um die Existenzängste des betroffenen Unternehmers bzw. involvierten Entscheiders kümmert.


Die Angst vor Fehlern lässt den Unternehmer / Geschäftsführer keine Entscheidung treffen!

Die Angst etwas falsch zu machen und damit seine Existenz und die der Familie zu gefährden führt auch dazu, dass betriebsnotwendige Entscheidungen nicht oder nur halbherzig getroffen werden.

Bei lebensbedrohender Existenzangst oder absoluter Handlungsunfähigkeit empfiehlt es sich mit den Beteiligten des Sanierungsteams psychologische Hilfe für den Unternehmer bzw. den Geschäftsführer zu suchen. In der Regel löst sich dieser Druck dann auf, wenn die Sanierung erste Fortschritte macht und dann auch wieder Hoffnung auf den Erhalt des Unternehmens aufkommt.


Mitarbeiterverantwortung in der Krise ist eine außerordentliche Belastung

In Betrieben bis mittlerer Größenordnung findet sich erfahrungsgemäß eine sehr starke Bindung zwischen Mitarbeitern und Unternehmer. Bei einer Unternehmenskrise wird der Unternehmer stark dadurch belastet, dass er glaubt, der von ihm übernommenen Verantwortung für seinen Mitarbeiter nicht mehr gerecht zu werden. Das Verantwortungsbewusstsein für Angehörige des Betriebes ist traditionell in Deutschland immer noch sehr groß und führt auch dazu, dass Unternehmer wirtschaftlich nicht tragbare Entscheidungen treffen, damit sie ihrer Mitarbeiterverantwortung gerecht werden. Bei Mitarbeitern, die dem Unternehmen schon sehr lange angehören, und möglicherweise in einem nicht mehr vermittlungsfähigen Alter sind, ist die Belastung aus ethischen und moralischen Gründen besonders groß. Themen wie Lohnkürzungen, Lohnverzicht, Urlaubszeit- oder Arbeitszeitverkürzungen sind nicht nur unpopulär, sondern werden auch wegen des moralischen Anspruchs der Mitarbeiterverantwortung nicht "angefasst". Die Hürde hier betriebswirtschaftlich nötige Maßnahmen „auf Kosten“ der Mitarbeiter zu verabschieden und durchzusetzen, ist immer noch sehr hoch.


Auffassungs- und Umsetzungsgabe

Durch die ständige psychische Belastung der bereits angeführten Bereiche ist die Auffassungs- und Umsetzungsgabe von Unternehmern und Geschäftsführern in einem mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfenden Betrieb kaum oder gar nicht mehr gegeben. Da die Aufgaben in der Krise überproportional ansteigen und durch die Entscheidungen bei der „Verwaltung des Mangels“ auch immer vielfältiger und schwerer werden, ist die Auffassungs- und Umsetzungsgabe sehr stark beeinträchtigt. Dazu kommen auch die bereits abgehandelten Belastungen und die Selbstvorwürfe, unternehmerisch und vielleicht auch menschlich versagt zu haben. Dieser Druck wird in der Regel dadurch erhöht, dass zum Teil Gläubiger aber auch im starken Maße Banken durch ihr Verhalten dieses Gefühl forcieren. Unstrittig ist sicherlich, dass Unternehmen in der Mehrzahl durch unternehmerisches bzw. menschliches Versagen in der Krise sind; jedoch helfen in einer solchen kritischen Situation keine Vorwürfe. Hier sind die Sanierungsverantwortlichen gefordert, etwaige richtige oder nur „geglaubte“ Schuldzuweisungen von dem Unternehmer / Geschäftsführer abzuwenden. Die Sanierungsbeteiligten benötigen die Unterstützung der Unternehmensführung für das Tagesgeschäft, da dieser Teil in so kurzer Zeit kaum von einem Dritten komplett und kurzfristig übernommen werden kann.


Betriebliche Schwierigkeiten wirken sich auch auf das Privatleben des Unternehmers / Geschäftsführers aus

Leider zeigte die Erfahrung, dass betriebliche Schwierigkeiten auch die stärkste Ehe bzw. Partnerschaft belasten kann. Unternehmer bzw. Geschäftsführer (oder auch natürlich Unternehmerinnen bzw. Geschäftsführerinnen) von krisenbehafteten Unternehmen, die schon sehr lange in Existenzangst leben, haben meist kein stabiles Familienleben mehr. Oft bestehen Partnerschaften oder Ehen nur noch als „Zweckgemeinschaften“, da durch die zwangsläufig in guten Zeiten gegebenen Unterschriften bei Bürgschaften jetzt in der Realität zu Zwangsgemeinschaften führen. Hier ist sicherlich zum Einen die auch ins Privatleben getragene „wirtschaftliche Not“ als Grund zu sehen, jedoch auch die sich mit Verstärkung der Krise verändernden Persönlichkeiten der Beteiligten.

Neben einer möglichen privaten wirtschaftlichen Einschränkung drehen sich die Gedanken des Unternehmers auch in seinem Privatleben nur noch um die wirtschaftliche Existenz und damit scheint ein „normales“ Privatleben mit seiner Familie kaum noch möglich. Die in Westeuropa vorgegebene Verantwortung des Mannes für seine Familie zeigt sich auch häufig in der Form, dass möglicherweise vorheriges Erspartes oder anderes Familienvermögen ohne weitere wirtschaftliche Wirkung in das krisenbehaftete Unternehmen hineingegeben wurde. Vorzeitige Erbschaften, Schenkungen oder ähnliche Zuwendungen die mit Absicht gegeben worden sind, das Unternehmen aus der Krise heraus zu führen, werden dann zum Streitpunkt in der Familie, wenn keine Besserung zu sehen ist.


Angst vor gesellschaftlicher Ächtung

Neben den bereits erwähnten Punkten ist die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung in Deutschland sehr groß. Unternehmer glauben in der Gesellschaft nicht mehr bestehen zu können, wenn sie scheitern sollten. Diese Angst zwingt sie dazu, Entscheidungen zu treffen, die zur Erhaltung der gesellschaftlichen Stellung führen sollen, aber für die Sanierung und das Fortbestehen des Unternehmens kontraproduktiv sind. Maßgeblich für nicht getroffene, falsche oder vorschnell getroffene Entscheidungen ist auch die Angst vor Herabstufung der privat wirtschaftlichen Vermögensverhältnisse durch Sanierungsmaßnahmen, die eben den Unternehmer / Geschäftsführer treffen. Die einhellige Meinung in Deutschland, daß ein in Insolvenz gegangener Unternehmer

a) „Schwarzgeld“ oder sonstiges Vermögen beiseite geschaffen hat oder

b) er sich vorher schon durch ausbluten des Unternehmens wirtschaftlich gesundet hat

bestärkt den Unternehmer in der Krise vor der Angst der gesellschaftlichen Ächtung. Diese Angst führt bei Unternehmern immer noch dazu, daß schon längst insolvente Unternehmen trotz strafrechtlicher Konsequenzen fortgeführt werden, damit der äußere Schein aufrecht erhalten bleibt.


Physische Belastung – Krankheit als Flucht

Die bereits genannte psychische Belastung führt auch oft bei den Beteiligten zu ernsten oder vorgetäuschten Krankheiten. Sie dient als Flucht vor der Realität und wird zum Teil in Verhandlungen und Gesprächen mit Gläubigern vorgeschoben. Üblicherweise wird erwartet, dass auf einen „kranken Unternehmer“ auch in einer schwierigen wirtschaftlichen Phase Rücksicht genommen wird. Ähnlich wie in der Psychologie das „Übersprungverhalten“, wird auch die Krankheit, die sich mit der Verschlechterung der Unternehmenssituation einhergehend verstärkt als Fluchtweg genutzt. Für die Mitglieder des Sanierungsteams ist es deshalb notwendig zu erkennen, ob eine wirkliche und schon vorher vorhandene Krankheit des Unternehmers / Geschäftsführers vorliegt oder ob hier die Krankheit als Alibifunktion genutzt wird, um sich vor den unpopulären Maßnahmen und Entscheidungen der Sanierung zu "drücken".


„Burn out-Syndrom“ mit Verdrängungsmechanismus

Ein Extrem ist das „Burnout-Syndrom“, das meist mit dem menschlichen Verdrängungsmechanismus gepaart ist. Hierbei ist von Seiten der Sanierer zu beachten, dass der Unternehmer / Geschäftsführer kaum noch in der Lage sein wird, vertretbare und nutzbare Aktivitäten im Sinne einer Gesundung des Unternehmens mit den Sanierern durchzuführen. Der Verdrängungsmechanismus zeigt sich gerade bei Unternehmern mittleren bis älteren Alters in der Form, dass von der guten alten Zeit und der seinerzeit vorhandenen Aufbruchsstimmung gesprochen wird. Der Unternehmer hat die Wirklichkeit total verdrängt und erzählt nur noch von unternehmerisch erfolgreichen Phasen. Der Versuch, den Verdrängungsmechanismus durch Einflüsse aus der Realität zu neutralisieren führt meist dazu, dass der betroffene mit Aggression und störrischem Verhalten auftritt.

Oft werden bei diesem Syndrom auch die Helfer als Gegner gesehen und entsprechend behandelt bzw. geächtet. Eine typische Reaktion von Unternehmern / Geschäftsführern in krisenbehafteten Unternehmen ist auch die Flucht in den Urlaub. Von nicht wissenden Außenstehenden wird dieses Verhalten missbilligt und als „bare Unverschämtheit“ gesehen, ist jedoch in den meisten Fällen der vermeintlich letzte "Lebensakt" vor dem wirtschaftlichen Untergang. Verdrängungsmechanismus in dieser Situation ist auch ein überspitztes Kaufverhalten von Konsumgütern (wirtschaftlich völlig unpassende und unzweckmäßige Fahrzeuge etc.).


Suizidgefahr

Alle vorab genannten Punkte können bei drohender Insolvenz und / oder Verlust des Unternehmens und der privaten Vermögensverhältnisse zur Suizidgefahr für den Unternehmer / Geschäftsführer anwachsen. Der gemeinhin vertretene Gedanke, dass ein Selbstmord die Zahlung einer Lebensversicherung auslöst, um damit das wirtschaftliche Fiasko zumindest im privaten Bereich aufzufangen, ist weithin bekannt. Der Freitod als Eingeständnis von Schuld und unternehmerischem Versagen wird als letzte Möglichkeit genommen, die Familie zu schützen und sich selbst nicht der vermeintlich schadenfrohen Öffentlichkeit auszusetzen.

Die Sanierer müssen höchstes Fingerspitzengefühl beweisen und genau erkennen, wann hier fachkompetente Hilfe erforderlich ist. Besteht akute, nicht nur als Hilfegesuch deklarierte Suizidgefahr, fällt der Unternehmer / Geschäftsführer für die weitere Sanierung auch auf dem Weg der Gesundung des Unternehmens völlig aus. Dies deshalb, weil jeder Rückschlag innerhalb des Sanierungsweges wieder für eine Erhöhung der Suizidgefahr sorgen kann. Bei Anzeichen von Selbstmordgedanken müssen die Sanierungsbeteiligten schnell und zielgerichtet handeln und gegen die Absicht des Unternehmers / Geschäftsführers arbeiten bzw. handeln. Verhaltenweisen dahingehend sollten auch mit anderen erfahrenen Kollegen besprochen werden, damit hier kein Fehler verursacht wird. Ein Fehler oder ein falsches Wort kann möglicherweise in der Sanierungsphase den Verlust eines Menschenlebens bedeuten.



[ 01.04.2010 ]



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