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Entschuldungsstrategien

Zu Beginn einer Sanierung steht regelmäßig die gesetzliche Haftungsproblematik der Insolvenzantragspflicht gem. §§ 15a, 17 – 19 InsO für Inhaber und Geschäftsführer im Raum. Tatsächlich gelten diese Vorschriften auch für Berater und sonstige Sachverständige, die eine Vertrauensposition innehaben. Neben der Erhaltung der Liquidität und der Feststellung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation durch eine Stichtagsbilanz (Auflösungen von Rückstellungen innerhalb der Bilanz) ist nach Wegen zu suchen, das Unternehmen nachhaltig von seiner Belastung zu befreien. Dabei hilft es nicht, etwaige Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu stunden und die Bankkredite neu zu strukturieren, wenn die Wirtschaftskraft des Unternehmens nachgewiesenermaßen nicht ausreicht, die Verbindlichkeiten nach der Umstrukturierung ordentlich zu bedienen.


Steuerberater / Wirtschaftsprüfer können zivil- und strafrechtlich haften

Speziell für den Steuerberater / Wirtschaftsprüfer als Sanierer gibt es schon allein durch die zeitliche Vorgabe des § 15 a InsO keine großen Möglichkeiten, der möglichen Haftung wegen Insolvenzverschleppung aus dem Weg zu gehen.


"Versuch und Irrtum" nicht möglich!

Oft ist es so, dass Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater und auch Banken durch die Devise „Versuch und Irrtum“ die Entschuldung nicht konsequent genug vorantreiben, so dass unweigerlich nach Insolvenzanmeldung die Staatsanwaltschaft eine Mitschuld und Mithaft der außenstehenden Berater zu prüfen hat. Es muss hier deutlich gemacht werden, dass die Bereiche Entschuldung und Abwehr des Insolvenztatbestandes Kernaufgaben des Beratungsteams sind und hierauf das Augenmerk bei der Aufnahme der Sanierungstätigkeit gelegt werden muss.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten einer drohenden Zahlungsunfähigkeit bzw. einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit zu begegnen; hier einige der möglichen Maßnahmen:


Stundung (Moratorium)

Bei der Stundung kann von vier Stundungsarten ausgegangen werden, wobei die erste Stundungsart eine klassische Stundung im herkömmlichen Sinne ist und die weiteren Stundungsarten sich eher an Teilvergleiche anlehnen.

Bei Gläubigern, die sich nicht auf Vergleiche oder Verzichte einlassen, ist es wichtig, dass eine ordnungsgemäße schriftliche Bestätigung über eine Forderungsstundung vorliegt (Stundung = Verschiebung der Zahlungsfälligkeit). Es muss darauf geachtet werden, dass Forderungen nicht mehr das Merkmal des ernstlichen Verlangens der Forderungsbegleichung haben. Daher müssen offenstehende Forderungen entsprechend mit Stundungsvereinbarungen versehen werden.

Eine Stundung kann zunächst aufgrund ausdrücklicher Vereinbarung zu Stande kommen. Bei der Annahme einer stillschweigenden Stundung ist Vorsicht geboten. Allein durch eine Nichtzahlung bzw. verspätete Zahlung kann der Schuldner keine Stundung erzwingen. Sie folgt auch nicht aus dem Absehen der Gläubiger von aussichtslosen Vollstreckungsmaßnahmen. Insbesondere bei kurzfristigen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sie nach Ablauf eines Zahlungsziels uneingeschränkt fällig sind und vom Gläubiger ernsthaft verlangt werden – die Forderungen also nicht gestundet sind.

Der BGH lässt dazu eine einzige ernsthafte Zahlungsaufforderung genügen und weißt explizit darauf hin, dass die Gläubiger den Schuldner auch nicht in besonderer Weise bedrängen müssen.

Eine Stundung ist daher die gemeinsame Erklärung von Gläubiger und Schuldner, eine Rechnung aus Lieferung und Leistung über das gesetzliche und vorher vereinbarte Zahlungsziel hinaus – in der Regel verbunden mit kontokorrentüblichen Zinsen – zu verlängern. Meist werden die Zahlungsweisen dabei schriftlich festgelegt; monatliche bzw. wiederkehrenden Raten sind hier nicht unüblich.


Stundungsabrede mit teilweisem Schulderlass

Die Gläubiger erlassen einen Teil ihrer Forderungen und erhalten den Rest zu einem späteren Zeitpunkt in mehreren Raten.


Stundungsabrede mit teilweisem Schulderlass und Besserungsschein

Wie oben, jedoch mit der zusätzlichen Verpflichtung des Schuldners, bei Eintritt günstigerer wirtschaftlicher Bedingungen weitere Zahlungen an den Gläubiger zu leisten. Üblicherweise werden dabei die zukünftigen drei Geschäftsjahre berücksichtigt.


Abgestufter Schulderlass

Kleingläubiger werden voll befriedigt, Gläubiger mit höheren Forderungen stunden oder erlassen die Schuld ganz oder teilweise.


Vergleich / Teilverzicht

Auf der Basis eines realistischen und geschlossenen Sanierungsplans werden unter Betrachtung der Liquidität einzelne oder gesamte Quoten ermittelt, die den Gläubigern auf ihre Forderungen angeboten werden. Zwar sollte der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung (wie früher beim gerichtlichen Vergleich) aller Gläubiger berücksichtigt werden, jedoch tritt im außergerichtlichen Vergleich der „modifizierte Gleichbehandlungsgrundsatz“ ein. Die Gewährung von Sondervorteilen für einzelne Gläubiger ist zulässig. Der einzelne Gläubiger kann aber von dem Vergleich zurücktreten, wenn er seine Zustimmung an die berechtigte Erwartung gebunden hat, dass alle anderen Gläubiger identisch behandelt werden.

Gläubiger, die auf einen Teil ihrer Forderung verzichten, müssen darauf achten, dass der Rest pünktlich bezahlt wird. Nur wenn ein weiterer Zahlungsverzug rechtzeitig geahndet wird, können sie auf die Begleichung der ursprünglichen Forderung beharren (BGH, Az.: V II ZR 216/02).


Verzicht (Schulderlass)

Der Schulderlass zeigt am deutlichsten die Vergleichsmerkmale der finanztechnischen Hilfe. Das Erlöschen des Schuldnerverhältnisses führt - im Gegensatz zur Insolvenz - zur dauerhaften Befreiung des Schuldners von seinen Leistungspflichten. Gläubiger aus Lieferungen und Leistungen sowie Kreditinstitute verbinden mit einem Schulderlass in der Regel die Hoffnung, durch fortdauernde Geschäftstätigkeit mit dem Schuldner wieder Gewinne zu erzielen und durch Insolvenzvermeidung weitere Verluste zu umgehen.

Gelegentlich werden Schulderlasse gegen Ausgabe von Besserungsscheinen gewährt. Ein Besserungsschein ist das schriftliche Versprechen des Schuldners zur Leistung von Zahlung an den Gläubiger nach Eintritt bestimmter, günstigerer wirtschaftlicher Ergebnisse.


Kennzeichen eines außergerichtlichen Vergleichs

Der außergerichtliche Vergleich ist im allgemeinen Sprachgebrauch gekennzeichnet durch

- ein Bündel von Sanierungsmaßnahmen,
- die Beteiligung mehrerer - in der Regel aller - Gläubiger,
- eine abgestimmte, zielgerichtete Sanierungsstrategie.


Nachteile eines außergerichtlichen Vergleichs

Nachteile von außergerichtlichen Vergleichen können sein:

- die mögliche bevorzugte oder einseitige Gläubigerbefriedigung,
- die „Ausmergelung der Masse“
- üblicher Zeitverlust, der beim Scheitern von außergerichtlichen Vergleichsversuchen zu verzeichnen ist,
- strafrechtliche Verfolgung und bürgerlich rechtliche Haftung des Unternehmens aufgrund der §§ 138, 826 BGB insbesondere mit der Konsequenz „Durchgriffshaftung“,
- Vollstreckungsschutz ist nur nach allgemeinen Vollstreckungsregelungen zu erlangen, es gibt keine umfassend wirkende Abwehr.


Vorteile eines außergerichtlichen Vergleichs

Vorteile von außergerichtlichen Vergleich sind:

- geringere Kosten,
- größere Diskretion,
- keine Mindestbedingung hinsichtlich Ausschüttungshöhe und –frist,
- leichtere Informationsbeschaffung für Gläubiger.

Der außergerichtliche Vergleich schafft bzw. erhält den Gläubigern nach Vergleichserfolg einen zahlungsfähigen Kunden - auch für die Zukunft.


[ 01.09.2009 ]



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