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Die Reform des Anfechtungsrechts

Das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters wurde durch eine Anpassung und Neustrukturierung (insbesondere) des § 133 InsO reformiert. Der Gesetzgeber reagierte damit auf den öffentlichen Druck.

Aufgrund des öffentlichen Drucks durch Kammern, Verbände und der einhelligen Meinung, dass das Anfechtungsrecht dem normalen Wirtschaftsleben nicht mehr gerecht erscheint, hat der Bundestag am 16.02.2017 eine Reform des Insolvenzanfechtungsrechts verabschiedet. Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen ist am 05.04.2017 in Kraft getreten.

Hintergrund ist, dass durch die Reform bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigt werden sollen, die gerade bei Handel, Handwerk und Industrie als absurd, unfair und unangemessen gelten. Auch Steuerberater und sonstige Freiberufler liefen bisher immer Gefahr, im Rahmen einer Insolvenz ihres Mandanten später im eröffneten Verfahren vom Insolvenzverwalter mit Anfechtungsansprüchen konfrontiert zu werden.

So ist nach wie vor die einhellige Meinung, es sollte dem Lieferanten aus Industrie und Dienstleistungen erlaubt sein, ohne zu große Risiken seinem Kunden oder Mandanten Zahlungshilfen zu ermöglichen, wenn der Kunde oder Mandant sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet.

Im Fokus der Änderung des Insolvenzanfechtungsrechts steht § 133 InsO, die sogenannte Vorsatzanfechtung. Auch wurden die Zinsansprüche im Anfechtungsrecht auf ein vernünftiges Maß reduziert und das sogenannte „Bargeschäft“ nach § 142 InsO konkretisiert.


Worum geht es im Grundsatz?

Das Anfechtungsrecht regelt die Möglichkeit für Insolvenzverwalter, Zahlungen von Insolvenzschuldnern aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzufordern. In der Regel wird der Insolvenzverwalter relativ zeitnah nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens prüfen, ob und inwieweit Lieferanten aus Handel, Handwerk und Dienstleistung wussten, dass ihr Kunde, Mandant und Abnehmer Zahlungsschwierigkeiten hatte. Diese sogenannte „Bösgläubigkeit“ schafft die Basis dafür, dass Insolvenzverwalter vertieft prüfen, ob eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, wenn nur einzelne Gläubiger (mit detailliertem Wissen über die Situation des Schuldners) Zahlungen in der Krise erhalten haben.

Erschwerend kam hinzu, dass der BGH in den letzten Jahren seine Rechtssprechung zu Lasten der Gläubiger verschärft hatte. Der BGH hat mit verschiedenen Urteilen versucht, dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger stärkere Geltung zu verschaffen. Durch sehr umfangreiche Rechtssprechung mit dezidierter Prüfung der Zahlungsunfähigkeitproblematik hatte der BGH es den Insolvenzverwaltern deutlich erleichtert, Zahlungen von bösgläubigen Gläubigern zurückzufordern, ohne einen besonderen Arbeitsaufwand zu haben.

Zum Teil durch rein theoretische Konstrukte - und für viele Wirtschaftsteilnehmer an der Realität vorbei - wurde damit in vielen Verfahren zwar die Masse angereichert, aber das Unverständnis vieler im guten Glauben handelnder Gläubiger geschürt.

Ob sich dabei einzelne Insolvenzverwalter lediglich an das geltende Recht halten oder ihre eigenen Gebührenansprüche im Auge haben, sei dahin gestellt.

Aber selbst wenn ein Gläubiger seinem Schuldner nur eine Ratenzahlung gewährte, musste der Gläubiger in der Vergangenheit letztlich mit einer Insolvenzanfechtung rechnen!

Hier soll nun der Schwerpunkt der Reform ansetzen:

Zahlungserleichterung, wie z.B. Raten- oder Abschlagszahlungen sind unter Gesichtpunkten der Reform eben kein Beweis mehr dafür, dass ein Gläubiger Kenntnis von allgemeinen Zahlungsschwierigkeiten seines Kunden hatte. Damit ist die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nicht mehr so einfach, da dem Gläubiger eben nicht mehr unterstellt wird von der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage seines Kunden zu wissen.


Bei Zahlungsschwierigkeiten gilt nun die umgekehrte Vermutung!

Mit größtem Interesse wird erwartet, wie denn der BGH mit der Auslegung zur „umgekehrten Vermutung“ umgehen wird. Denn auf den ersten Blick scheint es widersinnig zu sein, wenn ein Gläubiger auf Drängen und Bitten seines Schuldners um entsprechende Zahlungserleichterungen im Rahmen von Ratenzahlungen keine Anzeichen von Zahlungsschwierigkeiten sehen will. Dieser neue Vermutungstatbestand muss zudem in die Indiziensystematik des BGH eingeordnet werden. Somit wird die Beurteilung der konkreten Sachverhalte für die Instanzgerichte in der Zukunft keine leichte Aufgabe sein.

Für den regelmäßigen Umgang mit Kunden im Geschäftsverkehr und Mandanten bei der Beratung z.B. durch den Steuerberater stellt sich demnächst die Frage: “Wäre es nicht möglicherweise, auch im Rahmen einer frühzeitigen „Enthaftung“ besser, einem säumigen Kunden oder Mandanten noch einmal eine Zahlungserleichterung zu geben, anstatt den Anspruch dann unmittelbar durchzusetzen?“

Allein bei Steuerberatern mit Dauermandat ist die Kenntnis von der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Mandanten relativ schnell gegeben, wenn er auch die monatliche Buchführung übernimmt und jederzeit Einblick in das schuldnerische Unternehmen hat. Lassen sich Lieferanten im Rahmen von Geschäftsbeziehungen Bilanzen und / oder regelmäßige betriebswirtschaftliche Auswertungen von ihren Kundenunternehmen vorlegen, dann ist auch hier der Beweis schnell erbracht, dass das Gläubigerunternehmen die Verschlechterung des Kunden aufgrund vorgelegter Unterlagen erkennen konnte.

Die vom Gesetzgeber angestrebte „Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen“ lässt also sicher noch einige Jahre auf sich warten; schon allein deshalb, da es immer etwas dauert, bis sich die meist sehr theoretische Rechtssprechung durch Urteile der Praxis annähert. Ob das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel erreicht wird und dem Wunsch vieler am Wirtschaftsverkehr beteiligter Personen nachkommt, wird sich sicher schon in naher Zukunft abzeichnen.

Allein die Entscheidungen des BGH lassen vermuten, dass die Linie der dort urteilenden Richter im Rahmen der bisherigen Urteilspraxen beibehalten werden könnte.

 
Anfechtungsfrist von § 133 InsO von zehn Jahren auf vier Jahre gekürzt!

Dass das neue Recht die Anfechtungsfrist in § 133 InsO von zehn auf vier Jahre verkürzt wird, ist sicherlich begrüßenswert und der richtige Weg, das Anfechtungsrecht dem praktischen Wirtschaftsverkehr anzupassen. Ohnehin sind Fälle, die sich länger als vier Jahre hinziehen eher sehr selten. Aber allein die verkürzte Frist endlich gesetzlich festzuschreiben, dient der Rechtsklarheit und der rechtlichen Sicherheit im Geschäftsverkehr.


Ergänzung bzw. Neudefinition des Bargeschäfts nach § 142 InsO

Die spezifischere Definition des Bargeschäfts im Sinne des § 142 InsO ist sicherlich auch wichtig, um Rechtssicherheit zu erhalten.

Jedoch steht zu befürchten, dass die zwei für das Anfechtungsrecht neu eingeführten Begriffe in nächster Zeit Gegenstand  umfangreicher Rechtssprechungen des BGH sein werden.

Die Begriffe „Unlauterkeit“ und „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ sind bisher im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung völlig unbekannt und werden deshalb sicherlich sehr oft einer Auslegung diverser Gerichte bedürfen.

Allein der Wille des Gesetzgebers, die im Geschäftsverkehr stehenden Parteien insofern zu schützen, dass ein Lieferant nicht bei jeder Zahlungsveränderung seines Kunden später Anfechtungsansprüche fürchten muss, können durch zwei neue Begrifflichkeiten keinen Ausschluss der Anfechtungsbemühungen der Verwalter herbeiführen.


Erfolgte Zwangsvollstreckungen weiterhin anfechtbar

Befriedigungen im Wege der Zwangsvollstreckung sind nach dem neuen Gesetz nicht mehr privilegiert.

Im Rahmen dieser Änderung des Gesetzes wurde im Rechtsauschuss zu Recht kritisiert, dass es für einen Mittelständler unfair wirken muss, wenn er sich erst teuer und langwierig (über mehrere Jahre) einen vollstreckbaren Titel erstreitet und dann die aus der Vollstreckung erlangten Gelder (oder sonstige dingliche Werte) an den Verwalter bzw. die Masse zurückgeben muss. Als Faustformel kann immer noch gelten, dass sämtliche Gelder oder dingliche Werte, die vier Wochen vor Insolvenzantrag durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Masse entzogen wurde, erfolgreich durch den Insolvenzverwalter angefochten werden können.

Hier haben vor allem die sogenannten Berufsgläubiger, wie Sozialversicherungsträger, Finanzamt und Berufsgenossenschaften das Nachsehen, da am Ende einer Krise kurz vor Insolvenzantrag in der Regel immer nur noch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung der Ansprüche führen.


Gesetzgeber schränkt Zinsanspruch des Verwalters deutlich ein

In der bisherigen Rechtslage galt, dass der Zinsanspruch für Forderungen aus Insolvenzanfechtung bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu laufen begann.

Viele Verwalter machten Ansprüche aber aus „taktischen“ Gründen in der Regel erst nach zwei bis drei Jahren nach Insolvenzeröffnung geltend, um einen möglichst hohen Zinsanspruch mit zu generieren.

Mit dieser Praxis erhöhte sich das Risiko für die Anfechtungsgegner, ohne dass sie sich rechtlich dagegen zur Wehr setzen konnten. Auch diese Praxis ist bis heute umstritten, da sich bei vielen kritischen Beobachtern die Meinung festigte, dass die sehr späten Anfechtungen durch die Insolvenzverwalter nur der eigenen Honorarmaximierung galten.

Ab jetzt ist es zwingend nötig, dass die Forderungen im Rahmen der Anfechtung rechtsanhängig sind bzw. der Schuldner sich in Verzug befindet, nach dem der Insolvenzverwalter zur Zahlung aufgefordert hat.

Das wird aber auch dazu führen, dass nun die Anfechtungen der Verwalter deutlich früher auf die Schuldner zukommen werden.


Anfechtungen bei Arbeitsentgelt sind besonders geregelt

Rechtlich war es dem Insolvenzverwalter in der Vergangenheit durchaus möglich, auch Arbeitnehmer im Rahmen der Insolvenzanfechtung in Anspruch zu nehmen. Zwar wurde in der Praxis eher wenig davon Gebrauch gemacht, aber es gab sehr presseträchtige Fälle, in denen der Verwalter mit Hinweis auf seine vom Gesetzgeber vorgesehene Insolvenzanfechtung, Nettoarbeitsentgelte zurückgefordert haben soll.

Der Gesetzgeber hat deshalb zum Schutz der Arbeitnehmer vor Anfechtung der Lohnansprüche den Anwendungsbereich des Bargeschäftes auf einen Zeitraum von drei Monaten zwischen Arbeitsleistung und der Auszahlung des Arbeitsentgeltes erweitert bzw. verlängert.

Damit können vorgerichtliche Stundungs- bzw. Ratenzahlungsvereinbarungen mit der Belegschaft vereinbart werden, solange sie sich in dem 3-Monatszeitraum bewegen.

Die Gesetzesänderung ist gut gemeint, doch muss auch hier praxisbezogen darauf hingewiesen werden, dass das Bundesarbeitsgericht bereits des Öfteren in einem solchen Fall sehr arbeitnehmerfreundlich entschieden hat.


Fazit

Sowohl Lieferanten als auch Freiberufler sind nach wie vor gut beraten, ihre Debitoren genau im Blick zu haben. Zwar gibt die Reform des Anfechtungsrechtes einige punktuelle Nachjustierungen vor, es kommt aber nicht zu einer grundlegenden Änderung.

In der Praxis wird daher die von Handel, Handwerk, Industrie und Beratern geforderte Rechtssicherheit im Bereich der Vorsatzanfechtungen zumindest aktuell (und ohne weitere Beurteilungen des BGH) nicht erreicht.

Die neuen Begrifflichkeiten werden sicherlich in nächster Zeit Gegenstand von umfangreichen Rechtssprechungen werden und von diversen Fachleuten aufgearbeitet und kommentiert.

Nach wie vor sind alle Beteiligten im Wirtschaftsverkehr aufgerufen, genau zu prüfen inwieweit sie ihre Geschäfte im Rahmen einer erkennbaren Krise des Kunden oder Mandanten abwickeln bzw. absichern.

Im Einzelfall muss nach individueller Prüfung geklärt werden, wie weitere Geschäfte bzw. Beratungen zugunsten des Kunden / Mandanten durchgeführt werden können, ohne dass die Gefahr einer Anfechtungslage bei einer späteren Insolvenz im Raume steht.

Bekanntlicherweise können die Anfechtungen am Ende auch solche Größenordnungen erreichen, dass dann der Lieferant oder Berater selbst in Existenznot rutschen kann.

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