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Anfechtungsgrundsätze entfalten sich bereits lange vor der akuten Insolvenzreife eines Unternehmens

Die Anfechtungsgrundsätze der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung (InsO) sind grundsätzlich kein Neuland, führen aber bei eintretender Insolvenz immer wieder zu Überraschungen aller Betroffenen, zu denen nicht nur die Gesellschafter und Geschäftsführer, sondern auch deren Familienmitglieder und Dienstleister mit Einblick in die Buchhaltungsunterlagen der Unternehmen zählen.

Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen in der Krise

Der geschäftsführende Gesellschafter unterstützt das Unternehmen in der Praxis stets im Rahmen seiner Möglichkeiten mit liquiden Mitteln aus privater Hand, um die statische Zahlungsfähigkeit des Unternehmens aufrecht zu erhalten und verbucht diese Zuflüsse in der Regel als Gesellschafterdarlehen. Bei Entspannung der Liquiditätssituation zahlt er sich die eingelegten Mittel wieder aus und tilgt damit sein Gesellschafterdarlehen. In Folge dessen ist das Rechtsgeschäft vollständig abgeschlossen.

Anfechtung zurückgezahlter Gesellschafterdarlehen

Im Falle einer eintretenden Insolvenzantragspflicht greift jedoch der § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, welcher dem später eingesetzten Insolvenz- oder Sachwalter die Möglichkeit und gesetzliche Pflicht der Anfechtung gibt, wenn die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist. In der Praxis fordert der gerichtlich bestellte Insolvenz- oder Sachwalter dann vom Geschäftsführer die Rückzahlung des Darlehens, auch wenn dieser augenscheinlich in guter Absicht das Unternehmen durch seine Privateinlage unterstützen wollte.

Sicherheiten und Bürgschaften des Gesellschafters

Die Regelungen des § 135 InsO finden Anwendung bei der Rückzahlung von Darlehen, wenn ein Gesellschafter entsprechende Sicherheiten bestellt hat oder als Bürge haftet.

Regelmäßig verlangen Kreditinstitute persönliche Bürgschaften

In der Praxis ist es keine Seltenheit, wenn ein Kreditinstitut bei der Vergabe von Krediten entsprechende Sicherheiten verlangt. Zumeist wird jedoch eine selbstschuldnerische Bürgschaft verlangt, welche bei einem regulären Geschäftsverlauf ein abschätzbares Risiko für den Bürgen (i.d.R. der geschäftsführende Gesellschafter) darstellt. Im Laufe der Zeit wird durch Tilgung der Kredit zurückgeführt, mit jeder einzelnen Zahlung wird die Höhe einer eventuellen Inanspruchnahme also reduziert.

Soviel zur Theorie, solange das Unternehmen nicht in wirtschaftliche Notlage gerät. Tritt für das Unternehmen aber die Insolvenzreife ein, ist in dieser Fallkonstruktion der § 135 Abs. 2 InsO anwendbar.

Dieser regelt dazu: „Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.“

Gläubigergleichbehandlung – Anfechtung von Bürgschaftsauslösung
Demnach ist der Insolvenz- bzw. Sachwalter verpflichtet, die Zahlungen anzufechten, die das Unternehmen richtigerweise vertragskonform an das jeweilige Kreditinstitut gezahlt und zu einer Reduzierung der Bürgschaft oder sonstiger Sicherheiten eines Gesellschafters geführt hat. Der Insolvenz- bzw. Sachwalter wird jedoch die Zahlung nicht lediglich rückabwickeln, sondern die innerhalb eines Jahres vor dem Eröffnungsantrag gezahlten Beträge beim Bürgen analog zu den Regelungen im Umgang mit Gesellschafterdarlehen anfechten und einfordern.

Beispiel: Der Unternehmer erhält ein Bankdarlehen in Höhe von 100 T€, für das er selbstschuldnerisch bürgt. Das Unternehmen gerät ein Jahr nach Aufnahme des Darlehens in Schieflage und der Unternehmer stellt einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Unternehmens. Das Darlehen wurde anteilig rückgeführt und weist zum Stichtag des Insolvenzantrags einen Saldo in Höhe von 70 T€ aus.

Der Insolvenzverwalter wird die Zahlung der Gesellschaft an die Bank innerhalb von 12 Monaten vor der Insolvenzantragstellung beim Bürgen, also dem Unternehmer, anfechten, und somit auf Grundlage des § 135 InsO insgesamt 30 T€ einfordern.

Die bisher genannten Anfechtungsrisiken richten sich allesamt gegen am Unternehmen beteiligte Personen. Wie aber sieht es aus, wenn es um Zahlungen an Besitzgesellschaften oder Familienmitglieder geht?

Zahlung an Besitzgesellschaften oder Familienmitglieder
Bei dieser Frage findet der § 131 InsO Anwendung. Demnach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung bzw. Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Im Weiteren ist in dem Beispiel der Besitzgesellschaften oder Familienmitglieder auf § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO einzugehen, der die Anfechtbarkeit genauer definiert. Hier heißt es, dass die Anfechtbarkeit gilt, „wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligt.“

Gesetzgeber definiert den Begriff „nahestehende Personen“ recht weit

Der Gesetzgeber legt per Gesetz grundlegend mit § 131 Abs. 2 InsO fest, wann eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger vorliegt. Hierin heißt es, dass die Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger der Kenntnis von Umständen gleichkommt, die zwingend auf eine Benachteiligung schließen lassen. Dazu zählen auch nahestehende Personen, die in § 138 InsO näher definiert werden. Bei diesen nahestehenden Personen, zu denen der engere Familienkreis wie etwa der Ehepartner zählt, wird grundsätzlich vermutet, dass diese bei Erhalt der Zahlung die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannten. In diesem Falle liegt die Darlegungs- und Beweislast nicht beim anfechtenden Verwalter, sondern beim Anfechtungsgegner, der darlegen und ggf. beweisen muss, dass er keine Umstände gekannt hat, die zwingend auf die Benachteiligung der Gläubiger schließen ließen.

Bezogen auf die Praxis ein erläuterndes Beispiel: Der Unternehmer hat einen laufenden Produktionsbetrieb. Die Immobilie gehört der Ehefrau, die einen Mietvertrag mit dem Unternehmer geschlossen hat. Der Unternehmer gerät leider in wirtschaftliche Schwierigkeiten – ein Insolvenzantrag folgt. Die Miete der Immobilie wird bis zuletzt gezahlt.

Die Zahlungen der Miete sind zumindest für den Zeitraum von drei Monaten vor Insolvenzantragsstellung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO anfechtbar. Der Ehefrau wird die Kenntnis der Insolvenzantragspflicht gem. § 131 Abs. 2 InsO grundlegend unterstellt.

Auch Dienstleister wie z. B. Steuerberater sind Anfechtungsrisiken ausgesetzt

Per Gesetz werden nahestehende Personen im § 138 InsO genauer definiert. Dazu zählen wie oben bereits beschrieben beispielsweise der Ehegatte oder Lebenspartner, Verwandte, in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen oder jede juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, die die Möglichkeit hat, sich jederzeit einen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners zu verschaffen.
Gefährlich wird es jedoch auch für Dienstleister wie beispielsweise Steuerberater, da diese durch den § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO ebenfalls zu den nahestehenden Personen gehören. Das Insolvenzrecht bietet hier immense Angriffsfläche für die Anfechtung erhaltener Honorarvergütungen.

Anfechtungsrisiken sind selten präsent

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Anfechtungsrisiken der §§ 131, 135 und 138 InsO bei einem Großteil der Betroffenen nicht präsent sind. Zum Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme folgt dann die große Ernüchterung und häufig sogar Folgeinsolvenzanträge der Besitzgesellschaften oder Privatinsolvenzanträge der Betroffenen.

Rückwirkende Anfechtungsrisiken müssen beachtet werden

Das Anfechtungsszenario entsteht also nicht erst mit Eintreten der Insolvenzreife eines Unternehmens, sondern ist aufgrund der langen, rückwirkenden Anfechtungszeiträume ein Prozess, der bereits bei ersten Krisenmerkmalen erkannt werden muss.

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