Diskussion zur (weiteren) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Aktuell besteht die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für Unternehmen aufgrund von Zahlungsunfähigkeit und/ oder Überschuldung durch das am 27.03.2020 von der Bundesregierung verkündete Gesetz (COVInsAG) bis zum 30.09.2020. Neben der regelmäßigen Diskussion bezüglich einer Verlängerung von Kurzarbeitergeld (KUG) gab es ja schon länger Stimmen, die auch eine Fristverlängerung für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlangten.

Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis 31.12.2020 nur bei Überschuldung
Nun hat die Bundesregierung in ihrer Koalitionssitzung am 25.08.2020 per Beschluss die bis Ende September geltende Frist bis Jahresende verlängern.

Diese Verlängerung gilt aber nur für Unternehmen, die pandemiebedingt überschuldet, nicht jedoch zahlungsunfähig sind!

Was bedeutet dies in der Praxis?
Unbestritten ist, dass nach üblicher Bilanzvorlage Kapitalgesellschaft (oder Einzelgesellschaften, die möglicherweise zur Bilanzierung optiert haben) laut HGB ihre Handelsbilanzen zum 30.06. des Folgejahres oder bei prüfungspflichtigen Unternehmen bis zum 30.09. des Folgejahres vorzulegen haben! Damit ist dieser Gesetzesentwurf ein „zahnloser Tiger“.

Ausgehend davon, dass die meisten Unternehmen ihre Jahresabschlüsse im normalen Turnus erstellen, wäre tatsächlich die Feststellung der Überschuldung voraussichtlich erst zum 30.06.2021 effektiv dokumentiert. Zwar weisen diverse Urteile darauf hin, dass bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft in der verkürzten Zeit bis zum 31.03. des Folgejahres den handelsrechtlichen Jahresabschluss aufzustellen hat, aber ob das tatsächlich dann so umgesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt.

Ausgehend davon, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung nun deshalb bis zum 31.12.2020 verlängert wurde, weil man annimmt, dass ja alle krisenbehafteten Unternehmen vorzeitig ihre Jahresabschlüsse erstellen müssen, ist dieser Schritt absolut weltfremd!

Die meisten krisenbehafteten Unternehmen sind zahlungsunfähig!
Den Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht lediglich wegen Überschuldung bis zum Jahresende einzuschränken, kann aktuell überhaupt nicht nachvollzogen werden.

Selbst bei bester Buchhaltungslage wäre die Vorlage eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses zum 31.12.2020, bei dem klassischen Mittelstand vielleicht in einer vorläufigen Version, aber keinesfalls in einer bilanziell einwandfreien Endfassung möglich! Welche Gedanken zu dieser Überlegung führten, erschließt sich aktuell nicht.

In der Praxis gilt damit aktuell, dass ab dem 01.10.2020 alle Unternehmen, die nach § 17 Abs. 2 Insolvenzordnung zahlungsunfähig sind, unverzüglich einen Antrag auf Insolvenz zu stellen haben. Die beschlossene Fristverlängerung bzgl. des Zeitraums der Insolvenzaussetzung wegen Überschuldung bis zum Jahresende, ändert daran nichts!

Das Vorhaben der Bundesregierung ist ein Feigenblatt!
Hört sich doch die Bemühung der Bundesregierung, den Unternehmen noch während und nach der Pandemie „zu helfen“ erst einmal gelungen an, stellen die Fachleute sehr schnell fest, dass hier ein politisches Feigenblatt mit getragen werden soll.

Für die klein- und mittelständischen Unternehmen, die aller Voraussicht nach in der Regel erst zahlungsunfähig und dann überschuldet sind, würde die gesetzliche Verlängerung nur bedeuten, dass tatsächlich am 01.10.2020 die normale Insolvenzantragspflicht gemäß §15a InsO wieder in Kraft tritt.

Das bedeutet auch, dass wenn Geschäftsführungen von Kapitalgesellschaften nicht schon jetzt oder spätestens dann Maßnahmen zur Sanierung und Entschuldung eingeleitet haben, auch die persönliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung eine Rolle spielen kann.

3-Wochen-Frist gibt es dann nicht mehr!
Die vom Gesetzgeber sonst vorgegebene Karenzzeit von drei Wochen nach Feststellung der Zahlungsunfähigkeit, entweder Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit und/ oder aber Insolvenzantrag zu stellen, greift somit nicht mehr!

Viel mehr ist zu bedenken, dass die Zahlungsunfähigkeit bei den Unternehmen ja schon seit März oder in den folgenden Monaten eingetreten ist und somit die sogenannte „3-Wochen-Frist“ eben schon längst überschritten wurde.

Der Gesetzgeber schreibt vor, dass bei festgestellter und faktischer Zahlungsunfähigkeit unmittelbar ein Insolvenzantrag von der Geschäftsführung zu stellen ist.

Überlegung zur Eigenverwaltung!
In der verbleibenden Zeit bis Ende September sollten sich Geschäftsführungen und Vorstände von Kapitalgesellschaften konsequent Gedanken darüber machen, ob hier nicht eine Eigenverwaltung nach §270a InsO eine Alternative sein könnte, um das Unternehmen mit den Mitteln der Insolvenzordnung in eigener Verantwortung mit Hilfe von Insolvenzsachverständigen zu sanieren.

Aktuell ist bei guter Vorbereitung und entsprechender Vorlage von ausgearbeiteten Insolvenzanträgen, mit entsprechenden Anlagen und Nachweisen, dass die Insolvenz durch die Pandemie letztendlich herbeigeführt wurde, eine gute Chance, bei den deutschen Gerichten Verständnis und Akzeptanz bei dem Antrag auf Eigenverwaltung zu finden.

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