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Finanzämter führen Liquiditätsprüfungen im Rahmen von Stundungsanträgen bei Sanierungen durch

Seit dem 01.04.2001 wird bereits das Modell “Liquiditätsprüfung” in NRW als Mittel zur Entscheidungsfindung bei Vollstreckungsunterbrechung/ Stundungsvereinbarungen durchgeführt.

Die Erprobungsämter hatten neben einem Einführungslehrgang auch entsprechende Schulung und Unterstützung erhalten.

Die Erprobungsphase endete mit dem 31.03.2002. Da sich die Liquiditätsprüfung bei “krisenbehafteten Unternehmen” als positiv für den Fiskus und auch im Rahmen der Vermeidung von “Anfechtungsprozessen” durch Insolvenzverwalter ausgezeichnet hat, werden diese Maßnahmen bei Stundungs- bzw. Vollstreckungsaussetzungen flächendeckend in NRW eingesetzt.

In der Zwischenzeit haben die Finanzämter untereinander Erfahrungen ausgetauscht, wie sich die Ergebnisse der Liquiditätsprüfungen in den einzelnen Bundesländern auf die Erhaltung von steuerpflichtigen Unternehmen auswirken.


Grund und Ursache der Liquiditätsprüfung

Die Finanzämter haben in der Vergangenheit im Rahmen der “Rückstufung” auf eine Stufe mit allen Gläubigern (per Insolvenzordnung gültig ab 1999 in Verbindung mit Insolvenzänderungsgesetz von 2000 und der Änderung im Rahmen des ESUG vom 01.03.2012) immer wieder das Problem, dass sie durch Kenntnis der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und durch ihre Erkenntnis im Rahmen der Zwangsvollstreckung Vorteile und Wissen gegenüber anderen Gläubigern haben.

In den letzten Jahren haben Insolvenzverwalter deshalb im Rahmen ihrer Anfechtungsmöglichkeiten gerichtlich durchgesetzt, dass Finanzämter Gelder, die sie im Wege von Zwangsvollstreckungen bzw. Stundungen mit Ratenzahlungsvereinbarungen erhalten hatten, am Ende an den Verwalter und damit zu Gunsten der Masse auskehren mußten. Die Insolvenzverwalter haben regelmäßig argumentiert, dass das Finanzamt wußte, dass keine weiteren Gläubiger bedient werden könnten und sie im Rahmen ihrer Maßnahmen und Möglichkeiten den Unternehmer “gezwungen hätten”, die Gelder zu bezahlen, da sie im Gegenzug mit Insolvenzantrag gedroht hatten. Die meisten Unternehmer versuchen hier den Rest des Geldes “zusammenzukratzen”, um dem Insolvenzantrag des Finanzamtes zu entgehen.

Dieser Umstand sorgt dafür, dass die Gerichte den Argumenten der Verwalter folgten, da es im Rahmen der neuen Insolvenzordnung keine Besserstellung einzelner Gläubiger mehr gibt und damit der Tatbestand der “Gläubigerbenachteiligung” nachweislich erfüllt war.

Der Umstand, regelmäßig bei Gericht zu unterliegen führte dazu, dass das Finanzministerium in Verbindung mit den Finanzämtern Lösungen gesucht haben, auf der einen Seite ggf. doch Stundungen bzw. Ratenzahlungen in Kenntnis der wirtschaftlichen Lage der Steuerpflichtigen zu gewähren, aber auf der anderen Seite nicht bei einer dann einsetzenden Insolvenz “zu Ader gelassen zu werden”.

Somit wurde die “Liquiditätsprüfung” entwickelt, die genau nachweisen soll, dass trotz der vereinbarten Ratenzahlung mit dem Finanzamt auch alle anderen Gläubiger zum Zeitpunkt der Zeichnung der Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig und in abgesprochener Zeit (Zahlungsziel) bedient werden können.

Das Instrument der Liquiditätsprüfung sollte also dazu dienen, sich insolvenzsicher vorher mit dem Steuerpflichtigen zu einigen und auf der anderen Seite keine Zusagen von dem in Krise befindlichen Unternehmen zu erhalten, was es später im Rahmen einer vereinbarten Ratenzahlung gar nicht einhalten kann.


Schwerpunkte der Liquiditätsprüfung

Unter Berücksichtigung der von den Ämtern gemachten Erfahrungen und der Ausgestaltung der jeweiligen Stellen sind die folgenden Bereiche als Schwerpunkt der Liquiditätsprüfung anzusehen:

• zur Besicherung von Ansprüchen / Ermittlung pfändbarer (oder teilweise freier) Forderungen, belastbares Haus- und Grundstücksvermögen und mögliche pfändbare bewegliche Güter

• die Aufdeckung von Vermögensverschiebung im Familienverbund, insbesondere in Zusammenhang mit Aufteilungsanträgen (hier speziell bei Betriebsaufspaltung)

• die Ermittlung anfechtbarer Rechtshandlungen

• die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Insolvenzordnung

• die Prüfung von bedeutendem Vollstreckungsschutz – Stundungs- und Erlassanträgen (betriebswirtschaftliche Analyse sowie Gewinn- und Ertragsvorausschau über die Ertragslage eines Unternehmens im Hinblick auf Erlaß- oder Stundungsbedürftigkeit)

sowie

• die Prüfung der Werthaltigkeit angebotener Sicherheiten

und

• die Ermittlung der Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme


Die Liquiditätsprüfung ist ein eigenständiger Behördenvorgang

Zwar kann die Liquiditätsprüfung durch die Betriebsprüfungsstellen durchgeführt werden, jedoch hat dieser Bereich einen eigenständigen Prüfungscharakter.

Die Finanzämter gehen dazu über, besondere Einheiten zu bilden, die neben der Kompetenz im Rahmen der Abgabenordnung auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse haben, so dass die Gewinn- und Ertragsvorausschau durch die Liquiditätsprüfer annähernd realistisch eingeschätzt werden kann.

Ist das Unternehmen schon im Vorfeld bei dem örtlichen Finanzamt durch “Zahlungsschwäche” aufgefallen und steht eine Betriebsprüfung an, von der zu erwarten ist, dass eine zusätzliche Steuerlast auf das geprüfte Unternehmen zukommt, dann können Betriebsprüfer und Liquiditätsprüfer gleichzeitig tätig werden.

Der Einsatz des Liquiditätsprüfers der Vollstreckungsstelle wird in diesen Fällen in der Regel daran scheitern, dass noch keine Steuerrückstände aus der Prüfung bestehen und somit ein Grund für eine Vollstreckung nicht vorliegt! Allerdings kann auch ein zu erwartender Stundungsantrag einen hinreichenden Grund für eine Liquiditätsprüfung in Verbindung mit einer Betriebsprüfung darstellen.

Nach den bisherigen Erfahrungen haben die an dem Verfahren “Liquiditätsprüfung” beteiligten Ämter durch die Prüfungen erhebliche Rückstandsminderungen geschaffen. Während die Prüfungen liefen, konnten bereits nennenswerte Beträge auf die Steuerschulden gezahlt werden. So hat allein die Ankündigung der Liquiditätsprüfung dazu geführt, dass die Steuerschuldner (krisenbefangene Unternehmen) die vorgetragenen Liquiditätsengpässe in einigen Fällen durch eigene Maßnahmen bereits nach Prüfungsankündigung, aber noch vor Prüfungsbeginn deutlich verringern bzw. beseitigen konnten.

Parallel mußte festgestellt werden, dass aufgrund der möglichen Vollstreckungsmaßnahmen oder einer Haftungs- oder Duldungsinanspruchnahme in bedeutendem Maße die Steuerforderungen des Fiskus vermindert werden konnten.

Auch hilft der Prüfereinsatz in Fällen, in denen steuerpflichtige Unternehmen – wie es in Vollstreckungsfällen oft festzustellen ist – ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkommen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass im Rahmen der Liquiditätsprüfung rückständige Steuererklärungen (speziell Voranmeldungen) in großer Zahl dann abgegeben wurden, so dass auch dadurch erhebliche Rückstandsminderungen erreicht werden konnten.

Für die Finanzämter sind dies positive Nebeneffekte, da mit der Liquiditätsprüfung regelmäßig vollstreckungs- oder haftungs- und duldungsrelevante Informationen umfassend ermittelt werden können.


Informationsbeschaffung in der Liquiditätsprüfung

In der Vergangenheit konnte die Sachverhaltsermittlung nur durch den Innendienst zur Vorbereitung von Vollstreckungsmaßnahmen auf Erkenntnissen des Vollzugsbeamten, auf Informationen aus den Steuerakten und auf Auskünfte des Vollstreckungsschuldners selbst gezogen werden.

Dazu kam, dass nur wenige Vollziehungsbeamte eine derartige Ausbildung hatten, die es ihnen überhaupt ermöglichte, vor Ort anzutreffende wirtschaftliche Sachverhalte in Bezug auf ihre vollstreckungsrechtliche Relevanz mit der nötigen Sicherheit zu erkennen und einzuordnen.

Im weiteren waren die Vollstreckungsbeamten auch durch Überlastung im Amt sehr “dankbar”, wenn sie einen Teilbetrag erhielten und das krisenbehaftete Unternehmen sich damit weitere Zeit (“erkaufte Stundung”) verschaffte. Die Finanzämter konnten keine Aussagen treffen, ob und inwieweit die wirtschaftliche Situation des in der Krise befindlichen Unternehmens tatsächlich zutraf und / oder wie es dazu kam, und welche Umsätze und Erträge überhaupt noch vorhanden waren. Aus den in den Finanzämtern vorhandenen (meist veralteten) Bilanzen ergaben sich oft nur wenig konkrete Hinweise und die Darstellung des Aktivvermögens war auch nicht mehr aktuell.


Das Unternehmen in der Krise – Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO), Stundung (§ 222 AO) oder Steuererlaß / Verzicht (§ 227 AO)

Die Finanzämter konnten in der Vergangenheit wegen der unzureichenden Kenntnisse der Vollstreckungsstellen nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, ob sich der Vollstreckungsschuldner tatsächlich in ernsthafter oder nur vorübergehender Zahlungsschwierigkeit befand.

Bei einer ausgesprochenen Stundung oder einem (meist durch Steuerberater) begehrten Vollstreckungsaufschub gegen Gewährung von Abschlagszahlungen oder Teilzahlungsraten war zumeist nicht ausreichend nachzuvollziehen, ob die Höhe der angebotenen Raten und die fristgerechten Entrichtungen der jeweils noch fällig werdenden Abgaben mit der zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens des Vollstreckungsschuldner im Einklang stand.

Dem Verfahren über einen Steuererlaß konnte sich die entscheidende Stelle fast ausschließlich nur auf die Angaben des Antragstellers und die von ihm vorgelegten und daher gefilterten Unterlagen verlassen!

Die Möglichkeiten, weitere Informationen über das Unternehmen und deren Ertragskraft zu erhalten, waren für die Finanzämter sehr begrenzt.

Im Rahmen von Unternehmenserhalt bzw. Arbeitsplatzerhalt und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben für die Gewährung entsprechender Billigkeitsmaßnahmen muß bei Unternehmen einer auf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen beruhenden Prognoseentscheidung über die Umsatz- und Ertragslage getroffen werden. In der Vergangenheit konnten hier nur selten betriebswirtschaftliche Analysen als Entscheidungsgrundlage erarbeitet werden, weil die Ermittlung aktueller und betriebswirtschaftlicher Kennzahlen und deren Beurteilungen aus zeitlichen und berufsspezifischen Gründen für die Vollstreckungssachbeamten oder die Bearbeiter in den Stundungsstellen nicht zu bewältigen waren. Weder war hier eine ausreichende betriebswirtschaftliche Vorbildung, noch Erfahrungen im Bereich des neuen Insolvenzrechts und Branchenkenntnisse vorhanden.


Die Beantragung von Insolvenzverfahren durch die Finanzämter

Nach Meinung verschiedener Finanzämter und höher gestellter Finanzdirektionen hat der Fiskus in der Vergangenheit Anträge auf Eröffnung zum Insolvenzverfahren eher zurückhaltend gestellt. Die Finanzämter meinen das damit zu begründen, dass sie hier nur wenige Informationen über die tatsächlich wirtschaftliche Lage des Vollstreckungsschuldners hatten.

Tatsächlich gibt es einige Finanzämter, die im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Sanierungsspezialisten und den vorgelegten plausiblen Sanierungskonzepten Insolvenzanträge nicht sofort stellen.

Natürlich geht bei der Aussage hinsichtlich der “Schnelligkeit” von Insolvenzanträgen durch die Finanzämter die Meinung im Rahmen der unterschiedlichen Sichtweise auseinander.

Die Finanzämter sind in der Regel so eingestellt, dass ein frühzeitig gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bessere Gewähr bietet, ein in wirtschaftliche Bedrängnis geratenes Unternehmen aufzufangen und so die Arbeitsplätze zu erhalten, als durch fehlende Information eine weitere verzögerte Vollstreckung hinzunehmen.


Anfechtung von Handlungen durch den Insolvenzverwalter

Die Erfahrung mit der Liquiditätsprüfung hat gezeigt, dass die Anfechtung der daraus resultierenden Zahlung bzw. Teilzahlung nicht mehr in der Häufigkeit durch die Insolvenzverwalter durchgeführt wird. Die Anfechtungsquote allgemein und die Quoten der Verfahren, bei denen die Finanzämter im Rahmen der Gläubigerbenachteiligung nicht unterliegen, konnte deutlich gesenkt werden.

Sachverhalte, die eine Anfechtung von Rechtshandlungen ermöglichen, sind in der Regel nur dann dem Finanzamt aufzuerlegen, wenn die vorher ermittelte plausible Wirtschaftslage im Rahmen der Liquiditätsprüfung nicht ausreichend – nicht nachhaltig oder nicht geflissentlich genug durchgeführt wurde.

So konnte auch ermittelt werden, dass Steuerpflichtige im Rahmen der drohenden Insolvenz häufig durch eine Verschiebung von Vermögensgegenständen die Zahlung der festgesetzten Steuer zu entgehen versuchen, indem sie sich selbst weitgehend mittellos machen.

Den Finanzämtern ist in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen worden, dass sie trotz besseren Wissens hinsichtlich der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 Maßnahmen ergriffen haben, die dem Unternehmer überhaupt keine andere Wahl ließen, als die letzte vorhandene Liquidität zu überweisen. Neben gezielten Vollstreckungen und Kontenpfändungen wurde auch das Mittel des “Druckinsolvenzantrags” genutzt, so dass dann der säumige Zahler seinen Pflichten mit allerletzter Kraft nachkam, um dann das Finanzamt zu bitten, den Insolvenzantrag als erledigt zu erklären.

Auch dieses Merkmal haben Insolvenzverwalter in der Vergangenheit genutzt, um den Finanzämtern vor Gericht zu beweisen, dass sie sehr wohl um die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit wußten, und hier durch ihre Vollstreckungsmöglichkeiten und den schnellen, vom Gericht ungeprüften Insolvenzantrag als Druckmittel nutzen, um sich eine quasi “ bevorrechtigte Stellung” zu verschaffen.


Berichterstellung der Prüfer der Liquiditätsprüfung

Die Prüfer haben einen entsprechenden Bericht zu erstellen, der sich wie folgt gliedert:

1. Allgemeine Angaben zum Prüfungsfall (persönliche oder rechtliche Verhältnisse des Schuldners, Vergangenheit des Schuldners aus Sicht des Finanzamtes, Auswertung der Akten, Informationen der Vollstreckungsbeamten)

2. Abgabenrückstände – Historie

3. Stand der Veranlagung

4. Vermögensverhältnisse (insbesondere Stand der Bankkonten)Liquidität (Liquidität I und II Grades)

5. Liquidität (Liquidität I und II Grades)

6. Feststellung zur Haftung/ Anfechtung von Rechtshandlungen

7. Bearbeitungsvorschläge für Vollstreckungs- und Festsetzungsstellen bzw. Stundungs- und Erlassvorschläge

8. Ertrags- und Tilgungsaussichten

Berichte über Liquiditätsprüfungen sind vom Prüfer und dem Sachgebietsleiter zu unterzeichnen.


Hinweise für Sanierungsberater

Sollte eine Sanierung erfolgreich durchgeführt werden und eine Insolvenz vermieden werden, so ist das Finanzamt frühzeitig als Mitgläubiger entsprechend zu informieren und in bestimmte Handlungsweisen einzubinden.

Es kann z. B. hilfreich sein, wenn eine “freiwillige Liquiditätsprüfung” durch das Finanzamt verlangt wird, so dass von vornherein eine 2. Instanz mit ins Boot geholt wird, um die tatsächliche Situation des krisenbehafteten Unternehmens zu bewerten.

So sind in der Regel bei Sanierungen Stundungsanträge nötig bzw. bei außergerichtlichen Vergleichen, der spätere Erlaß der “wiederauflebenden Vorsteuer” sowie der möglichen Ertragssteuer mit zu berücksichtigen. Auch hierbei kann die Liquiditätsprüfung durch das Finanzamt hilfreich sein, da die Argumente bezüglich eines Erlasses bei den Steuerforderungen im Rahmen einer wirtschaftlich sinnvollen Betrachtung des dann entschuldeten Unternehmens durch die Liquiditätsprüfer des Finanzamtes unterstrichen werden können.


[ 01.11.2013 ]



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