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Aktuelles 2024

Die Bedeutung der handelsrechtlichen Fortführungsprognose

Autor: Thomas Uppenbrink

Im Rahmen des sogenannten Going-Concern-Prinzips gemäß § 252 Abs. 1 S. 1 HGB wird regelmäßig vermutet, dass eine Unternehmensfortführung möglich ist, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

•    Das Unternehmen erzielt nachhaltige Gewinne,
•    Das Unternehmen ist zahlungsfähig,
•    Es liegt keine bilanzielle Überschuldung vor,
•    Die Fortführung des Unternehmens ist beabsichtigt.

Sollte mindestens einer dieser Punkte nicht zutreffen, so ist die Fortführungsfähigkeit zumindest gefährdet und eine handelsrechtliche Fortführungsprognose zu erstellen.

Die handelsrechtliche Fortführungsprognose gemäß § 252 Abs. 1 S. 1 HGB ist positiv, wenn in den betrachteten kommenden 12 Monaten eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung per vorsichtiger Planung ausgeschlossen werden kann bzw. diese im Rahmen der Fortführungsprognose durch Auflagen gegenüber der Geschäftsführung des Unternehmens geheilt werden kann.

Fällt die Fortführungsprognose hingegen negativ aus und die Ursachen bzw. Wirkungen können nicht durch Sanierungsmaßnahmen relativiert werde, ist eine insolvenzrechtliche Überschuldungsprüfung durchzuführen und die Geschäftsleitung ist möglicherweise gezwungen, im Rahmen der gesetzlichen Vorlagen einen Insolvenzantrag zu stellen.

Eine negative Fortführungsprognose kann auch ausschlaggebend für die Einleitung einer Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO sein. Die Eigenverwaltung ist mittlerweile ein sehr geeignetes und etabliertes Werkzeug, ein drohend zahlungsunfähiges oder überschuldetes Unternehmen durch ein Insolvenzverfahren in Eigenregie nachhaltig zu sanieren, wenn die Eigenverwaltung entsprechend durch qualifizierte und erfahrene Experten begleitet wird.

Kreditinstitute fordern Nachweis der Wirtschaftlichkeit
Kreditinstitute fordern neben den klassischen Sanierungskonzepten gemäß IDW-Standard S 6 eben auch verkürzte Sanierungsgutachten in Form von handelsrechtlichen Fortführungsprognosen.

Kreditinstitute versprechen sich davon den Nachweis, dass das betroffene Unternehmen in der Zukunft Gewinne erzielt und in der Lage ist, Zins und Tilgung auf bereits bestehende Kredite zu leisten bzw. dass die zukünftige Zahlungsfähigkeit so plausibel dokumentiert wird, um positiv über die Beantragung neuer Überbrückungskredite zu entscheiden.

Werden Fortführungsprognosen von Kreditinstituten angefordert, kommen meist auch gleichzeitig Forderungen bzw. Beschwerungen hinsichtlich der weiteren Zusammenarbeit unter Beibehaltung aktueller Kreditlinien hinzu.

Autorinnen und Autoren einer Fortführungsprognose sollten daher mittelbar im Rahmen eines Fazits innerhalb der Fortführungsprognose darauf hinweisen, welche möglichen Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Zahlungsfähigkeit ggfs. kurz- bis mittelfristig umzusetzen sind.

Oft müssen Maßnahmen parallel umgesetzt werden
Gerade bei akut krisenbehafteten Unternehmen ist zu erkennen, dass sowohl Sanierungskonzepte als auch Fortführungsprognosen eben dann nichts mehr wert sind, wenn dringend umzusetzende Sanierungsmaßnahmen ignoriert oder aufgeschoben werden. Auch ist darauf hinzuweisen, dass bei längerfristigen Planungen geprüft wurde, ob eine Plausibilität der Grundlagen gegeben ist. Es sollte in der Erläuterung zur Planung ebenfalls fixiert sein was passiert, wenn sich die Entwicklungen im Rahmen der Fortführungsprognose nicht entsprechend der Planung einstellen und welche Konsequenzen daraus unmittelbar zu ziehen sind.

Fortführungsprognose als Nachweis der mittelfristigen Zahlungsfähigkeit
Handelsrechtliche Fortführungsprognosen dienen als Nachweis einer mittelfristigen Zahlungsfähigkeit. Sie dienen dadurch weiter als Sicherheitspapier für die fortlaufende Betreuung durch die Kreditwirtschaft.

Mittlerweile fordern aber auch Kreditversicherer bei großen Engagements eine solche Fortführungsprognose, wenn sich das Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage befindet, erst recht wenn sich das Engagement des Kreditversicherers über mehrere Lieferanten verteilt und eine gewisse Größenordnung erreicht hat.

Kreditversicherer, Zentralregulierer und Factoring-Gesellschaften fordern dann ebenfalls von der Geschäftsführung eines Unternehmens den Nachweis, dass trotz akuter Krisensituation eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Diese Gesellschaften haben zum Teil eine Liste mit kooperierenden Spezialisten, die dann für eine Erstellung einer Fortführungsprognose empfohlen werden können. Eine solche Empfehlung muss von der Geschäftsführung nicht angenommen werden; hat der vorgeschlagene Spezialist aber eine gewisse Reputation bezüglich der Erstellung von Fortführungsprognosen, sollte die Beauftragung eines anderen Dienstleisters, der möglicherweise keine oder wenig Erfahrung hat, genau abgewägt werden.

Grundsätzlich ist die Erstellung einer handelsrechtlichen Fortführungsprognose aber immer durch einen neutralen Dritten zu erstellen. Man muss hier ausdrücklich eine Nähe zur Geschäftsführung vermeiden, um einen neutralen und realistischen Ausblick zu erhalten.

Alle Mandatsempfänger, die eine nahestehende Stellung zum betroffenen Unternehmen einnehmen, sollten hier unbedingt prüfen, wie weit sie ihre Neutralitätspflicht einhalten können, ohne spätere Irritationen zu vermeiden. Steuerberaterinnen und Steuerberater, die ein Dauermandat vom krisenbehafteten Unternehmen haben, müssen sich fragen, ob sie sich selbst für neutral genug halten und ob sie aufgrund dieser Neutralität später gegebenenfalls die erstellte Fortführungsprognose auch verteildigen möchten. Es macht hier meist Sinn, die Bearbeitung abzugeben und sich auf die Beratung der Geschäftsführung zu konzentrieren. Der Verdacht einer Gefälligkeitsprognose ist in solchen Konstellationen oftmals nur schwer zu vermeiden.

Haftungsrisiken sind zu beachten
Wird dennoch ein Auftrag zur Erstellung einer Fortführungsprognose angenommen, muss auch eine objektive Betrachtung gewahrt werden. Bei mangelnden Voraussetzungen für eine positive Fortführungsprognose muss auch eine klare negative Bescheinigung ausgestellt werden.

Da eine solche Erstellung regelmäßig Haftungsrisiken birgt, sind die Aufgaben innerhalb eines Vertrages klar zu definieren und die laufenden Arbeiten sauber zu dokumentieren. Es ist im Übrigen durchaus sinnvoll, bei der Erstellung einer handelsrechtlichen Fortführungsprognosen, die einen größeren Umfang bzw. eine hohe Schadenhaftungssumme haben, im Vorfeld Haftungsbegrenzungen zu vereinbaren und ggfs. eine separate Mitteilung an die Versicherung zu geben.

Fortführungsprognosen sind Entscheidungsgrundlagen
Am Ende müssen sich die Mitglieder der steuerberatenden Berufe oder die sonstigen Dienstleister, die einen solchen Auftrag entgegennehmen auch immer wieder bewusst machen, dass auf ihrer Arbeit in der Regel folgenreiche Kreditentscheidungen fußen und in der Folge bei späterer Insolvenz hohe Schadenersatzforderungen drohen.

Falls eine Fortführungsprognose nicht mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und ggfs. den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensplanung sowie den Anforderungen von Sanierungskonzepten übereinstimmt, wird die Insolvenzverwaltung ihre Quotenschadenforderung gegen die Geschäftsführung bzw. (bei Abtretung) gegen die Autorinnen und Autoren der offenbar zu optimistisch erstellten Fortführungsprognose richten.

Schlechte oder gar keine Recherche, die unkritische Annahmen von auffälligen Entwicklungen und Hinnahme positiver Trends, die gegen die allgemeine Branchenentwicklung sprechen, sind immer klare Indizien dafür, dass die Fortführungsprognose eine gewisse Parteilichkeit innehält.

Der Inhalt ist entscheidend
Bei der Erstellung kommt es nicht auf die Quantität von Papier oder hübschen Präsentation an, sondern vielmehr auf den kurzen, detailliert und informativ erstellten Inhalt und der damit verbundenen mittelfristigen Auswirkung auf das Unternehmen. Eine positive Fortführungsprognose kann unter Umständen neben den Anlagen auch nur aus 5 bis 10 Seiten bestehen – diese müssen dann eben einen klaren und realistischen Kern haben, um daraus die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig abzuleiten.

Erwartungen an die Fortführungsprognose
Sollte von entsprechender Seite also die Forderung nach einer Fortführungsprognose erfolgen, so hilft es allen Beteiligten, vorab ein allgemeines Gespräch zu führen, um die Erwartungen und Inhalte hinsichtlich der zu erstellenden Fortführungsprognose abzustimmen. In der Regel dienen hier die Vorgaben des IDW.

Fazit
Wenn im Ergebnis eine positive Fortführungsprognose mit allen geforderten Inhalten und Anlagen plausibel erstellt werden kann, ist handelsrechtlich von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen.

Ist die Fortführungsprognose allerdings negativ und kann nicht durch Auflagen und Beschwerungen zu einem positiven Ergebnis geführt werden, ist die Fortführung des Geschäftsbetriebes als überwiegend unwahrscheinlich anzusehen und Kreditentscheidungen werden in der Regel zu Ungunsten des Unternehmens getroffen.

Die vorliegende Fortführungsprognose dokumentiert dann aber, dass die Geschäftsführung ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Ob bei dem betroffenen Unternehmen dann eine Insolvenzantragspflicht in Form einer insolvenzrechtlichen Überschuldung vorliegt, muss ggfs. anhand einer Fortbestehensprognose gemäß § 19 Abs. 2 InsO überprüft werden.

Das Ende der Überschuldung für Start-ups? – zu den Leitsätzen des Urteils des OLG Düsseldorf vom 16.08.2023 (12 U 59 / 22)

Autoren: Thomas Uppenbrink & Philipp Brück

Was ist ein Start-up?
Als Start-up bezeichnet man ein neu begründetes Unternehmen, das sich in der frühen Phase der Entwicklung befindet und ein hohes Wachstumspotenzial aufweist. Kennzeichnend ist, dass das Unternehmen nur mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen zurechtkommen muss, dass es einen innovativen Ansatz verfolgt und dass die dahintersteckende Geschäftsidee skalierbar ist. Kurz gesagt: Ein solches Unternehmen lebt von visionären Ideen und geringem Eigenkapital.

Was ist das Problem?
Damit ist das Start-up-Unternehmen prädestiniert dafür, dass seine Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweisen wird. Denn typischerweise lebt ein Start-up nicht von eigenem Kapital, sondern von fremden Investitionen. Doch brauchen wir in Deutschland nicht gerade die innovativen Unternehmen, die mit ihren Ideen und neuen Produkten unsere Wirtschaft in Zukunft überlebensfähig machen werden? Und ist da das altehrwürdige Insolvenzrecht die Bremse der Innovation?

Was sind die Leitsätze des Urteils?
Das OLG Düsseldorf hat offensichtlich genau das gedacht, denn in seinem Urteil vom 16.08.2023 (Az. 12 U 59 / 22) hält es eindeutig und unmissverständlich fest: „Bei einem Start-Up-Unternehmen sind die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für eine positive Fortbestehensprognose im Sinne des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO aufgestellt hat, nicht uneingeschränkt anwendbar (…)“.

Sollte das der Anfang vom Ende der Überschuldung für Start-ups sein? In der Konsequenz: Sollten Start-ups so lange nicht insolvenzantragspflichtig sein, wie Liquidität vorhanden ist, also „solange es läuft“?

Das wäre natürlich auch eine erhebliche Erleichterung für Steuerberater, denn dann würde bei Start-ups die Hinweispflicht aus § 102 StaRUG entfallen – eine Haftungsfalle weniger in dem sowieso nicht risikoarmen Start-up-Geschäft.

Das Urteil des OLG Düsseldorf liest sich zunächst vielversprechend. Das Gericht sieht Start-up-Unternehmen in einer besonderen Situation: „Solche Unternehmen sind in einer – mehr oder weniger langen – Anfangsphase meist nicht ertragsfähig, jedoch sind in derartigen Fällen operative Geschäftschancen trotz möglicherweise derzeit fehlender Ertragskraft nicht auf Dauer ausgeschlossen“. Zumindest in Fällen von Start-ups sieht der BGH also die Ertragsfähigkeit (Selbstfinanzierung) nicht als Voraussetzung einer positiven Fortführungsprognose an. Es lege in der Natur eines solchen Unternehmens, zunächst nur Schulden zu machen und von Dritten abhängig zu sein. Der Rückgriff auf eine Ertragsfähigkeit würde diesen Unternehmen also die Überlebensfähigkeit absprechen und sie zum Marktaustritt zwingen.

Was sind die Konsequenzen?
Wer hier genauer hinsieht, wird schnell erkennen, dass der vielversprechende Beginn des Urteils sich eher als Fehlstart erweist. Auch wenn das Gericht richtigerweise erkennt, dass Start-up-Unternehmen meist nicht ertragsfähig sind und vom Geld Dritter abhängen, legt es seinen Fokus dann plötzlich eben auf genau diese Ertragsfähigkeit, also auf die Selbstfinanzierung eines solchen Unternehmens und erklärt, dass eine solche nicht vorhanden sein könnte.

Das ist ohne Zweifel richtig. Bezüglich des Gesichtspunkts der Überschuldung führt es den Leser aber in die Irre.

Was ist eine Überschuldung?
Eine Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO dann vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Auf die Ertragsfähigkeit, also die Selbstfinanzierung des Unternehmens, kommt es für den Begriff der Überschuldung zunächst einmal gar nicht an.

Wer dem Gesetzeswortlaut folgt, wird also erst einmal feststellen müssen, ob eine rechnerische Überschuldung vorliegt. Dazu wird die entsprechende Überschuldungsbilanz erstellt, die auf der Aktivseite sämtliche Vermögenswerte mit ihren Liquidationswerten enthält und auf der Passivseite sämtliche, auch noch nicht fälligen Verbindlichkeiten. Zwei Besonderheiten sind dabei zu berücksichtigen: Möglicherweise liegt auf der Aktivseite eine (harte!) Patronatserklärung vor, denn diese ist zu den Aktiva hinzuzuzählen; auf der Passivseite ist der qualifizierte Rangrücktritt, also die Vereinbarung mit dem Gläubiger, dass dieser seine Forderung in der Unternehmenskrise nicht durchsetzen wird, gegebenenfalls als Besonderheit aufzunehmen. Die Ertragsfähigkeit des Unternehmens ist offensichtlich in der Überschuldungsbilanz kein Kriterium.

Positive Fortbestehensprognose neutralisiert Überschuldung
Wenn diese Überschuldungsbilanz nun eine Überschuldung ausweist (was im Bereich der Start-ups fast immer der Fall sein dürfte, weil diese typischerweise fremdfinanziert sind), dann stellt sich die Frage, ob die Überschuldung mit einer Prognose, dass die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist, geheilt werden kann. Diese Prognose stellt zunächst einmal auf den Fortführungswillen der handelnden Personen ab und dann auf die Frage, ob das Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten zahlungsfähig sein wird. Wenn die handelnden Personen das Unternehmen also fortführen wollen (was bei einem Start-up ebenfalls fast immer der Fall sein dürfte), muss eine Prognose der Lebensfähigkeit, also grundsätzlich der Liquidität bzw. der Zahlungsfähigkeit innerhalb der nächsten zwölf Monate erstellt werden.

Erst jetzt kommt also die Ertragsfähigkeit des Unternehmens ansatzweise ins Spiel, denn die Prognose könnte ergeben, dass das Unternehmen innerhalb der kommenden zwölf Monate ertragsfähig wird. Doch selbst wenn nicht: Nach gefestigter Rechtsprechung kommt es grundsätzlich nur auf die Zahlungsfähigkeit im Prognosezeitraum an. Wenn das Start-up-Unternehmen also durch Kredite mit ausreichender Liquidität für das kommende laufende Jahr versorgt wird, ist sein Fortbestehen überwiegend wahrscheinlich (wobei überwiegend tatsächlich nur heißt, dass die Wahrscheinlichkeit nur 50 % oder mehr betragen muss). Geht diese Fortführungsprognose positiv aus, liegt keine Überschuldung gemäß § 19 InsO vor. Und gerade bei einem Start-up ist davon auszugehen, dass ein Finanzierungskonzept vorliegt und verfolgt und ständig aktualisiert wird, das mindestens einen Zeitraum von zwölf Monaten umfasst – die notwendigen Daten sollten also bereits vorhanden sein.

Was ändert das Urteil den nun überhaupt?
Doch wann kommt bei der Überschuldung denn nun auf die Ertragsfähigkeit des Unternehmens an, auf die sich das OLG Düsseldorf stützt? Die Antwort ist einfach: Gar nicht. Die Erleichterungen für Start-ups, die das OLG Düsseldorf vermeintlich mit seinem Urteil schafft, stellen sich im Nachhinein als Spiegelfechterei heraus.

Fazit
Wer weiterdenkt, stellt sich unvermeidlich die Frage: Benötigen wir überhaupt eine Insolvenzerleichterung für Start-ups? Steht die Insolvenzordnung der Entwicklung von Start-ups in Deutschland im Weg?

Die Antwort ist ein eindeutiges „Nein“. Die Insolvenzordnung soll Gläubiger schützen, und das in den Fällen, in denen Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist oder droht oder in denen eine Überschuldung ohne Heilungsmöglichkeit durch eine 12-Monats-Prognose besteht. Wenn ein Start-up zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfähig ist, kann es am Markt sowieso nicht existieren. Ebenso wenig wird es Erfolg haben, wenn sich im Zuge einer Fortführungsprognose herausstellt, dass in den kommenden zwölf Monaten die Liquidität ausgehen wird. Insofern erfüllt die Insolvenzordnung ihre Marktbereinigungsfunktion bei Start-ups gleichermaßen wie bei anderen Unternehmen. Das Start-up, dass sich mit ausreichenden finanziellen Mitteln (auch von Kreditgebern!) versorgt und sich so für einen absehbaren Zeitraum von zwölf Monaten finanziell solide aufstellt, das eine nachvollziehbare und realistische Finanzplanung erstellt (auch im Interesse der Kreditgeber!) und das bereit ist, diese Planungen im Zuge der Fortführungsprognose offenzulegen und von einem unabhängigen und spezialisierten Dritten überprüfen zu lassen, hat nach wie vor nichts zu befürchten und bedarf keiner Sonderbehandlung.

Stille Unternehmensliquidation als Alternative zur Abwicklung durch Insolvenzverfahren

Autoren: Thomas Uppenbrink & Sebastian Frank

Sanierungsfähigkeit fehlt
Bei der ersten Analyse einer Sanierungsfähigkeit kommt in der Regel sofort die Frage auf, ob eine Sanierung aufgrund von Produkten, Dienstleistungen, Standorten und der allgemeinen wirtschaftlichen Situation überhaupt noch gegeben ist. Sollte diese erste Analyse direkt ein negatives Ergebnis ergeben, so bietet sich meist nur noch der Weg eines Insolvenzverfahrens mit Abwicklung des Unternehmens an oder eben als Alternative eine stille und in Eigenregie durchgeführte Liquidation. Die Liquidation ist aber nur dann möglich, wenn genügend Masse und Liquidität zur Verfügung steht, um das Unternehmen sorgfältig und unter Berücksichtigung aller Auslaufkosten vollumfänglich abzuwickeln. Die Liquidation beginnt bei Kapitalgesellschaften mit der Auflösung der Gesellschaft und endet mit der Austragung im Handelsregister, der dann erfolgten endgültigen Löschung.

Fristen und Formen müssen beachtet werden
Sofern die Gesellschaft nicht durch Ablauf der im Gesellschaftsvertrag festgelegten Frist aufgelöst wird oder andere Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag geregelt sind, müssen die Gesellschafter zunächst die Auflösung der Gesellschaft gem. § 60 Nr. 2 GmbHG mit einer Dreiviertelmehrheit beschließen.

Dann ist eine detaillierte Liquidationsrechnung aufzustellen, die den Nachweis erbringen muss, dass die liquiden Mittel zum Beispiel auch durch Verkäufe des Anlage- und Umlaufvermögens ausreichen, um eine ordnungsgemäße Liquidation durchzuführen, bei der alle Auslaufkosten beglichen werden können (Abfindungen, Beräumung, Notarkosten etc.). Ob am Ende sogar noch Auszahlungen an die Gesellschafter möglich sind, spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle – im Gegenteil: Ggfs. müssen die Gesellschafter noch Kapital nachschießen, um eine stille Liquidation zu ermöglichen. Der Gesetzgeber verlangt ausdrücklich, dass alle Forderungen der Arbeitnehmer, Lieferanten, Kreditinstitute und sonstigen Dienstleister ordnungsgemäß bedient werden.

Liquidator kann der Geschäftsführer, aber auch ein fremder Spezialist sein
Die Gesellschafterversammlung bestimmt bei der Beschlussfassung auch gleich den Liquidator. Häufig handelt es sich hier um den bisherigen Geschäftsführer. Dieser kann jedoch auch gegen eine andere, z. B. auf Unternehmensabwicklung spezialisierte fachkompetente Person ausgetauscht werden, die die Schwierigkeiten und Unwägbarkeiten einer Unternehmensliquidation besser einschätzen und bearbeiten kann (vgl. § 66 Abs. 1 GmbHG).

Auflösungsbeschluss und Eintragung ins Handelsregister
Bei Auflösung durch den Liquidator gem. § 65 Abs. 1 GmbHG muss der Notar die Eintragung der Auflösung in das Handelsregister veranlassen. Dies ist dann nicht nötig bzw. möglich, wenn die Gesellschaft zwar aus dem aktiven Geschäftsverkehr genommen wird, aber z. B. aufgrund von Gewährleistung oder Ähnlichem noch längere Zeit zumindest passiv am Markt verbleiben muss. Man nennt dies auch Schließung des werblichen Teils des Unternehmens.

Bekanntmachung der Liquidation im Bundesanzeiger
Im Zuge der Liquidation muss jedem Gläubiger ermöglicht werden, die entsprechenden Forderungen geltend zu machen. Der Liquidator muss daher die Auflösung im Bundesanzeiger (www.bundesanzeiger.de) bekannt machen und dabei gleichzeitig die Gläubiger auffordern, sich bei der Gesellschaft zu melden, um eventuelle Forderungen geltend zu machen.

Schreitet die Liquidation voran und es werden störungsfrei die Belegschaft entlassen, sämtliche Vermögenswerte liquidiert und das Unternehmen sukzessive vom aktiven Geschäftsverkehr entfernt, muss die Liquidität ausreichen, um alle angemeldeten Forderungen zu begleichen. Danach folgt das sogenannte Sperrjahr. Innerhalb dieser Zeit darf der Liquidator das Gesellschaftsvermögen nicht an die Gesellschafter verteilen, sondern nur verwalten, um mögliche Nachzügler, die von der Liquidation erst später erfahren haben, zu befriedigen. Nach dem Sperrjahr darf das eventuell noch vorhandene Vermögen dann an die Gesellschafter verteilt werden, wenn sämtliche Verbindlichkeiten beglichen sind bzw. bei strittigen Verbindlichkeiten den zugehörigen Gläubigern ausreichende Sicherheiten geleistet wurden, um dann möglicherweise laufende Gerichtsverfahren auch ohne die Gesellschaft fortzusetzen.

Daraus erschließt sich aber auch, dass eine Unternehmensliquidation eben deutlich länger als ein Jahr andauern kann und von diversen Unwägbarkeiten geprägt sein kann.

Liquidationsrechnung und Liquidationsbilanzen
Der Liquidator hat zu Beginn der Liquidation neben der generellen Liquidationsrechnung auch eine Eröffnungsbilanz der Liquidation, die sogenannte Liquidationseröffnungsbilanz und einen erläuternden Bericht aufzustellen.

In der Liquidationsrechnung sollte zunächst immer auf den Worst Case abgestellt werden und es müssen auch alle Dauerschuldverhältnisse, dauernde Lasten und nicht periodische Verbindlichkeiten in vollem Umfang unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen mit einbezogen werden. Wenn z. B. langfristige Mietverträge dann durch Vergleich oder Verzicht abgewickelt werden können, wird die Liquidationsrechnung entsprechend entlastend angepasst.

Im Weiteren hat der Liquidator die Verpflichtungen, die laufenden Geschäfte des abzuwickelnden Unternehmens zu beenden, die vertraglichen Verpflichtungen der sich in Auflösung befindlichen Gesellschaft zur erfüllen, die Forderungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen (vgl. § 70 GmbHG).

Die Aufstellung der Liquidationsschlussbilanz wird ebenfalls zu den Pflichten eines ordentlichen Liquidators gezählt. Unverzichtbar ist in jedem Fall die Schlussrechnung des Liquidators.

Schlussverteilung des Restvermögens
Nach Beendigung der Liquidation ist der Liquidator verpflichtet, das Vermögen der Gesellschaft quotal zu den Gesellschaftsanteilen an die Gesellschafter zu verteilen, sofern im Gesellschaftsvertrag nicht ein anderes Verteilungsprinzip bestimmt ist (vgl. § 72 GmbHG). Allerdings darf die Verteilung nicht vor Tilgung oder der Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tage vorgenommen werden, an welchem die Aufforderung an die Gläubiger gemäß § 65 Abs. 2 GmbHG erfolgt ist (§ 73 GmbHG).

Nach Verteilung des Restvermögens kann die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht werden. Hierzu hat der Liquidator über den Notar einen entsprechenden Antrag beim Registergericht zu stellen. Mit Eintragung der Löschung in das Handelsregister verliert die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit.

Daneben ist es ebenfalls notwendig, dass das Gewerbe der ehemaligen Gesellschaft beim Gewerbeamt gelöscht wird. Die Löschungen sind ordnungsgemäß dem Finanzamt mitzuteilen.

Die Geschäftsbücher der liquidierten Gesellschaft sind 10 Jahre aufzubewahren und sind idealerweise fachgerecht einzulagern. Die Kosten für die sichere Lagerung und die fachgerechte Entsorgung sind im Vorfeld ebenfalls in der Liquidationsrechnung zu berücksichtigen und vorab für die gesamte Zeit zu bezahlen.

Probleme der Liquidationsbilanzen
Der Liquidator oder ein von ihm beauftragter Dienstleister muss bei der Erstellung einer Liquidationsbilanz alle Aktiva und Passiva entsprechend gegenüberstellen und zwar unter Zerschlagungswerten. Grundsätzlich werden bei Verkauf und Verwertung in einer Liquidation nur und ausschließlich die Zerschlagungswerte unter schlechtesten Bedingungen angesetzt (Vorsichtsprinzip).

Wichtig ist auch, dass sämtliche Dauerschuldverhältnisse sowie dauernde Lasten mit dem Blick auf die längsten und ungünstigsten Kündigungsfristen behandelt werden. Kündigungsfristen und Abfindungsansprüche des Personals sind im Wege der Betriebsschließung ebenfalls unter Worst Case einzustellen.

Besonders schwere Bedingungen bei einer Liquidation ergeben sich dann, wenn betriebseigene Renten oder sonstige Versorgungsansprüche für ehemalige oder noch tätige Betriebsangehörige vereinbart worden sind. Ebenfalls regelmäßig problembehaftet sind Pensionszusagen für geschäftsführende Gesellschafter oder höhere Angestellte.

Bei einer Liquidationsbilanz sind auch Eventualverbindlichkeiten aus Prozessen, Rückansprüchen und Gewährleistungen aufzunehmen.

Liquidationsrechnung mit möglichem Pool-Vergleich
Sollte die aufgestellte Bilanz eine liquiditätsmäßige Unterdeckung aufweisen, dann besteht für den Liquidator der Zwang, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen und möglicherweise einen Kapitalnachschuss von den Gesellschaftern zu fordern. Wird dieser Forderung durch die Gesellschafter nicht nachgekommen, dann ist eine Zahlungsunfähigkeit festgestellt und gemäß § 17 Abs. 2 InsO ist der Liquidator dann verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die einzige Ausnahme, die Verbindlichkeiten entsprechend auch mit einer Unterdeckung zu bedienen, ist der sogenannte Liquidationsvergleich oder Pool-Vergleich.

Die vorhandene Gesamtliquidität wird den Gesamtverbindlichkeiten gegenübergestellt und die sich daraus ergebene Vergleichsquote, wird allen Gläubigern angeboten, um sämtliche Verbindlichkeiten abzugelten. Ein Pool-Vergleich in der Liquidation bedeutet, dass die Gläubiger gleichermaßen auf einen Teil Ihrer Forderungen verzichten. Es ist jedoch in der Praxis meist so, dass die Vergleichshöhe im freiwilligen Pool-Vergleich immer noch deutlich höher ist, als wenn ein Regelinsolvenzverfahren initiiert wird, da die allgemeinen Kosten des Insolvenzverfahrens die letztliche Quote meist deutlich mindert.

Bei einem solchen Vorgehen ist aber darauf zu achten, dass bei einem Vergleich in der Regel eine Vorsteuerkorrektur zu erfolgen hat und damit auch noch eine entsprechende Zahllast zugunsten des Finanzamts in die Liquidationsrechnung einzustellen ist.

Schließung des Unternehmens durch Liquidationsvergleich
Wenn die Liquidationsbilanz aufgestellt ist und der Fortgang der Unternehmensabwicklung durch plausible und realistische Zahlen dokumentiert wird, kann mit der Liquidation begonnen werden. Es empfiehlt sich bei solchen Vorhaben einen separaten Gesellschaftsbeschluss herbeizuführen, damit das Handeln des Liquidators durch den Beschluss der Gesellschafter abgedeckt ist.

Der Vergleich mit den Gläubigern muss schriftlich geschlossen werden. Ist dies geschehen, dann kann nach Auszahlung des Liquidationsvergleichs mit der Schließung des Unternehmens begonnen werden.

Im Zuge der Schließung des Unternehmens ist es Aufgabe des Liquidators, die laufenden Geschäfte zu beenden und Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft einzuhalten. Es empfiehlt sich für diesen Zeitraum die Aufstellung einer Geschäftsordnung, die dann den Handlungsspielraum des Liquidators definiert und vorgibt, wann die Gesellschafter mit zustimmen müssen.

Danach dürfen dann auch dienliche Geschäfte durchgeführt und ggfs. auch noch Neuverträge abgeschlossen werden.

In der Korrespondenz der Gesellschaft ist nach Beschluss der Gesellschafter der Zusatz „i. L.“ (in Liquidation) zu führen.

Liquidation eines Gewerbebetriebes oder BGB-Gesellschaft
Auch Gewerbebetriebe sowie BGB-Gesellschaften sind ordnungsgemäß zu liquidieren. Bei der Liquidation eines Gewerbebetriebes oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gilt die gleiche, allerdings den Umständen angepasste Vorgehenswese wie schon beschrieben. Speziell entfallen die Verpflichtungen zur Anmeldung der Liquidation im Handelsregister sowie der entsprechenden Löschungsmitteilungen.

Aus § 14 GewO leitet sich die Pflicht des Gewerbetreibenden ab, bei Abgabe eines selbstständigen Gewerbes die zuständigen Behörden bei Gewerbeabmeldung in Kenntnis zu setzen. Die Abmeldung des Gewerbes kann persönlich oder durch einen bevollmächtigten Beauftragten (Steuerberater, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer) erfolgen.

Die Gewerbeabmeldung kann erst dann durchgeführt werden, wenn alle Geschäftsaktivitäten ordnungsgemäß abgewickelt und eingestellt wurden.

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